Acht Liter Wasser für ein Hähnchen benötigt der in Bau befindliche Geflügelschlachthof in Wietze – täglich die zweifache Menge des Wassers im Wietzer Freibad: bei zwei Schlachtlinien also drei bis vier Millionen Liter – täglich! Nachdem die Betreiberfirma Celler Land Frischgeflügel GmbH die Option einer Wasserentnahme in Bannetze/Thören nicht weiter verfolgte, wurde im Herbst ein Liefervertrag mit der SVO geschlossen. Im Dezember konfrontierte die BI Wietze die Öffentlichkeit mit einer brisanten Information: Die Menge von bis zu 1,15 Million Kubikmeter pro Jahr soll vom Wasserwerk Garßen aus über eine neue Wasserleitung bis nach Hambühren transportiert werden. Dort soll das Wasser in eine bereits vorhandene 300 mm Transportleitung eingespeist und nach Wietze geleitet werden. Die politischen Gremien in Stadt und Landkreis, ja nicht einmal der Oberbürgermeister der Stadt Celle, waren hierüber bis dahin informiert.

 

Selbstverständlich ist die Frage berechtigt, die die BI Wietze stellt: Sind die verantwortlichen Politiker in Celle bereit, das qualitativ hochwertige Trinkwasser aus Garßen einer agrarindustriellen Geflügelfleischfabrik als Prozesswasser zur Verfügung zu stellen? Und die Bürgerinitiative verweist auf das Wasserhaushaltsgesetzes (§ 50, Abs. 2, Satz 1): „Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung ist vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen“. Aber eine politische Entscheidung, die diesem Aspekt Rechnung trägt, wurde scheinbar bewusst umgangen oder vermieden. Oberbürgermeister Mende (SPD) jedenfalls zeigte sich „erstaunt, dass hier offensichtlich an der Stadt vorbei verhandelt wurde.“

Die SVO beliefert die Gemeinden des Landkreises Celle - ausgenommen die Stadt Bergen - mit rund 4,2 Mio. Kubikmeter Trinkwasser jährlich. Das Stadtgebiet Celles wird mit rund 4,7 Mio. Kubikmeter von der Stadtwerke GmbH versorgt. Hier ist die SVO im Auftrag der Stadtwerke Betriebsführer für das Wassernetz. Vor diesem Hintergrund ist die Geflügelschlachtanlage ein Großabnehmer. In der ersten von vier möglichen Schlachtlinien werden rund 250000 Kubikmeter jährlich benötigt, maximal seien 1,15 Millionen Kubikmeter geplant, ließ SVO-Sprecher Andreas Gerow gegenüber der CZ verlauten.

Bei diesen Dimensionen stellt sich die Frage nach den Folgen? Der Landkreis Celle, an den sich die bündnisgrüne Kreistagsabgeordnete Annegret Pfützner wandte, wiegelte ab: „Negative, förderbedingte Auswirkungen durch die Lieferung der SVO an den Geflügelschlachthof auf [...] die Samtgemeinden, Gemeinden und Städte sind nicht zu erwarten. Nach meinem Kenntnisstand haben die betroffenen Einwohner keine Beeinträchtigung ihrer Trinkwassermenge zu befürchten.“

Transparenz ist etwas anderes als diese Art der Verbreitung von Allgemeinplätzen. Zwar ist eine Grundwasserabsenkung unwahrscheinlich, da Wasser des Wasserwerkes Garßen aus Vorkommen unterhalb einer natürlichen Sperrschicht entnommen wird, also kein offener Grundwasserleiter vorliegt. Unklar bleibt, welche Auswirkungen die Kapazitätsausweitung mittelfristig haben kann. Die Auswirkungen des Klimawandels z.B. müssten bedacht werden.

Für die SVO dürfte der Vertrag mit der Celler Land Frischgeflügel GmbH zweifellos profitabel sein. Aber es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form die normalen Kunden ihr Schärflein zu diesem Deal beitragen? Transparenz würde also beinhalten, dass die wesentlichen Bestandteile des Vertrages offengelegt werden. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass die Tarifkunden den Leitungsbau nach Hambühren teilweise mit ihren Gebühren bezahlen. Der Landkreis Celle ist Gesellschafter der SVO, Landrat Wiswe sitzt im Aufsichtsrat. Der Kreistag und die Bevölkerung dürfen also mit Recht mehr erwarten als die üblichen Beschwichtigungsformeln.

Auf einen weiteren Aspekt machte Dirk Weißenborn von der BI Wietze aufmerksam: „Das Garßener Wasser ist von ausgezeichneter Qualität. Schade, dass es unsere Region nach „Benutzung“ und entsprechender Qualitätsänderung über die Aller verlassen wird. Aber dann gehört es wieder der Allgemeinheit!“

Zur Abwasserfrage hatte der BUND bereits im März 2010 eine Stellungnahme abgegeben.

Gesundheitsrisiken durch Tiertransporte

Die BI Wietze hat eine US-amerikanische Studie der John Hopkins Bloomberg School of Public Health zum Thema „Food animal transports“ durch den Immissionschutzsachverständigen Knut Haverkamp zusammenfassen und bewerten lassen.

Das Ergebnis:

„Die Befunde beweisen, dass die Transportfahrzeuge für Masthähnchen Emissionen freisetzen, die Bakterien wie Enterokokken oder Staphylokokken enthalten, welche zum einen resistent gegen humanmedizinisch wichtige Antibiotika sein können und zum anderen eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen darstellen. Des weiteren wurde belegt, dass die emittierten Bakterien in der Umgebung mindestens 20 Minuten überleben und danach noch Kolonien bilden können. Vor dem Hintergrund, dass auf einen LKW etwa 6.000 – 8.000 Tiere passen und in dem geplanten Schlachthof 27.000 Tiere pro Stunde geschlachtet werden sollen, ist davon auszugehen, dass ungefähr alle 30 Minuten ein LKW die Ortsdurchfahrt von Wietze nutzen wird [...]. Angesichts des o.g. stellt sich die Frage, wie es verantwortet werden kann, dass der Transport von Masthähnchen in frei durchlüfteten Fahrzeugen entlang bewohnter und stark befahrener Straßen stattfindet. Die US-Studie ist ein starkes Indiz dafür, dass zukünftig entlang den Transportrouten mit einer Kontamination von Häuserfronten, Türklinken, Ampelanlagen, aber auch angebotenen Waren wie Kleidung oder Eis auch mit antibiotikaresistenten Bakterien zu rechnen ist. Die abgelagerten Bakterien werden dabei in der Lage sein, sich zu vermehren und zumindest immungeschwächte Menschen wie Kinder und Alte ernsthaft erkranken zu lassen. Aufgrund der vorhandenen Resistenzen gegen einige antibiotische Medikamente wird sich die Behandlung schwierig darstellen. Eine besondere Gefahr besteht daher für den Kindergarten an der ampelgeregelten Kreuzung Nienburger Straße – Hornbosteler Straße. Dort werden die Transporte aus verschiedenen Region zusammengeführt und teilweise vorübergehend gestoppt, wodurch es zu einem Konzentrationseffekt und der damit verbundenen Akkumulation von Krankheitserregern kommen wird.“Siehe weiterführend und auch diese Studie.

"Die Linke – B‘90/Die Grünen“ in Wietze fordern Schlachtsteuer

"[...] Für den heute noch als unwahrscheinlich geltenden Fall der Produktionsaufnahme im geplanten Geflügelschlachthof der „Celler Land Frischgeflügel GmbH in Wietze, kündigen die Mitglieder der Gruppe „Die Linke – B‘90/Die Grünen im Wietzer Gemeinderat an, zur Haushaltssanierung 2012 und zur Einführung politischer Steuerungsmechanismen vom Steuerfindungsrecht der Kommunen Gebrauch zu machen und zusammen mit der Mehrheit im Gemeinderat eine kommunale Schlachtsteuer für Rinder, Schweine, Schafe und Geflügel einzuführen. Die Schlachtsteuer war im 19. und 20. Jahrhundert bis 1945 eine in Preußen, Sachsen und Bayern weit verbreitete kommunale Steuerquelle. […]

In jüngster Vergangenheit werden in verschiedenen Bundesländern die unterschiedlichsten Beispiele für die Einführung neuer Steuerarten auf kommunaler Ebene diskutiert. (Sexoder Bettensteuer, Zweitwohnungssteuer, Pferdesteuer). Nach Auffassung der beiden Wietzer Ratsmitglieder Sabri Kizihan (Linke) und Claus Friedrich Schrader (Grüne) erfüllt eine kommunale Schlachtsteuer sowohl die Anforderungen an die Beschaffung von Mitteln zur Haushaltsanierung als auch die der gewollten politischen Steuerungsmechanismen für Massentierhaltung- und Lebensmittel-Verarbeitung!"

Presseerklärung, Wietze, 14. Dezember 2010

Mehr als nur der „charakteristische Geruch“

Auf Antrag der SPD Ratsfraktion hat die Stadtverwaltung eine Übersicht über die Folgen von Geflügelschlachtbetrieb Wietze und eventuell entstehenden Mastanlagen für das Stadtgebiet gegeben; hier einige Auszüge:

Der Schlachtbetrieb wird Verkehrsaufkommen erzeugen:

• Mitarbeiter, Handwerker und Vertreter: täglich zusätzlich 1.610 Kfz-Bewegungen (Endausbaustufe) zu gleichen Teilen aus Ost und West (laut Bebauungsplan-Entwurf)

• Anlieferung, Auslieferung, Ver- und Entsorgung: täglich zusätzlich 127 Lkw tagsüber (6 bis 22 Uhr) und 66 nachts (22 bis 6 Uhr) (Investorangaben)

Geruchs- und Staubemissionen

• Die Abluft von Hähnchenmastanlagen wird über Kamine an die Umgebung abgegeben. Der charakteristische Geruch im Umfeld solcher Anlagen ist durch den im Hühnerkot enthaltenen Ammoniak bedingt. Selbst unter Einhaltung der Grenzwerte und der durch das Regelwerk vorgegebenen Abstände ist es nicht auszuschließen, dass der typische Geruch auch in Wohn- und Erholungslagen wahrnehmbar ist.

• Der anfallende Kot wird gesammelt und in der Regel als Dünger auf Ackerflächen ausgebracht. Es besteht die Möglichkeit, dass es dadurch zu zusätzlichen Geruchsbelästigungen auch in Wohn- und Erholungslagen kommt.

• Die Emissionen der Stallanlagen können die Feinstaub- und Keimbelastung in der Luft erhöhen. Insbesondere für Allergiker und Asthmatiker ist eine erhöhte Belastung möglich.

Landschaftsbild

• Hähnchenmastanlagen sind aufgrund ihrer Geruchsemissionen auf den Außenbereich angewiesen. Das technischgewerbliche Erscheinungsbild solcher Anlagen mit Abluftkaminen und Futtersilos kann eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und damit der Erholungsfunktion darstellen.

• Als Futtergrundlage für Masthähnchen dient überwiegend Körnermais. Es ist möglich, dass dadurch vermehrt Mais angebaut wird mit entsprechender Anderswirkung des Landschaftsbildes.

Boden

• zusätzliche Flächen-Inanspruchnahme und Bodenversiegelung mit Verlust der Bodenfunktionen

• Belastung von Ackerflächen durch Medikamentenrückstände in der ausgebrachten Gülle

Quelle: Anlage „Übersicht Folgenabschätzung“ zur Mitteilung zum Antrag Nr. 37/2010 „Auswirkungen des Hähnchenschlachtbetriebes Wietze auf das Stadtgebiet Celle“ (Stand: 08.07.2010)