Zukunft? Vielleicht eher ohne uns!
Noch sind es sechs Monate bis zur Kommunalwahl am 11. September – sicher dürfte sein, dass die Wahlbeteiligung ein weiteres Mal sinkt. Das Wahlangebot ist auch nicht gerade angetan, eine allzu große Nachfrage auszulösen. Es gibt keine (kommunalpolitischen) Antworten auf die Probleme der Gegenwart. Und es gibt – weitgehend – keine Ahnung von den Problemen der Zukunft: Wie sonst könnten Ostumgehung, Geflügelschlachthof & Erdölindustrie noch als Beispiele für die Standortqualität durchgehen?
Von daher werden die meisten Kommunalpolitiker_ innen nicht einmal richtig verstanden haben, warum das hannoversche »Eduard Pestel Institut für Systemforschung « der Region Celle die »Krisenfestigkeit« abspricht für den Fall, dass Banken kollabieren, Rohstoffe knapp werden oder der Klimawandel die Ernährungssicherheit gefährdet. Unter der Annahme, dass globale Krisen unmittelbar die Versorgung von Bevölkerung und Unternehmen bedrohen, sind in einer vergleichenden Studie für alle Landkreise und selbständigen Städte 18 Indikatoren bewertet worden.
Das Pestel-Institut knüpft mit seiner Arbeit an die Berichte des »Club of Rome« zu den »Grenzen des Wachstums« an. Der »Overshoot«, d.h. der aus der Überlastung des Planeten entstehende Krisenzusammenhang sei nicht mehr abwendbar, weshalb schon jetzt der Übergang von einer Politik der Nachhaltigkeit zu einer Politik der Krisenfestigkeit (Resilienz) erforderlich sei. In der Einleitung der Studie ist dann zu lesen: „[...] trotz ständig weiter voranschreitender Globalisierung – deren inzwischen erreichtes Ausmaß eine kurzfristige Versorgung der Bevölkerung aus den Regionen nahezu unmöglich macht – ist eine bewusste Auseinandersetzung mit Krisenszenarien seitens der Regionen bisher eher die Ausnahme. Hier wollen wir mit unserer Arbeit sensibilisieren. Wir erleben eine >Durchökonomisierung< aller Lebensbereiche und eine Fixierung auf wirtschaftliches Wachstum. Demgegenüber sind wir der festen Überzeugung, dass gerade in Krisenzeiten anderen Bereichen eine hohe Bedeutung für die Stabilität des Gemeinwesens zukommt.“ Mit 18 Indikatoren aus den Bereichen Soziales, Wohnen, Verkehr, Flächennutzung, Energie und Wirtschaft wird versucht, die Verletzlichkeit der Regionen bzw. ihre Handlungsfähigkeit durch Flexibilität, Ressourcen und Sozialkapital zu ermitteln.
Stadt und Landkreis Celle weisen danach gravierende Defizite im Bereich Soziales, Verkehr und Wohnen auf, während es bei Energie, Wirtschaft und Flächennutzung ganz gut aussieht. Bei den sozialen Indikatoren sind es die Quote der Hartz-IV-Empfänger_innen, die hohe Zahl an Schulabgänger_innen ohne Abschluss und die Hausärzteversorgung, die die Region schlecht dastehen lassen. Beim »Wohnen« kehrt sich das Angenehme unter Ressourcengesichtspunkten ins Negative: Die Wohnfläche pro Einwohner ist zu groß. („Niedrige Wohnflächen je Einwohner gehen […] mit niedrigem Energieverbrauch […] einher.“) Der ÖPNV ist in der Region katastrophal; und die Einschätzung bezüglich der Verkehrsfläche je Einwohner gibt den Gegner_innen der Ostumgehung recht: „Zusätzliche Straßen schaffen in der Regel auch zusätzliche Nachfrage, d.h. eine Ausweitung des Individualverkehrs. Insofern korrespondiert eine geringe Verkehrsfläche pro Einwohner mit einem geringen Anteil des Individualverkehrs, was für Krisenzeiten positiv zu werten ist.“)
In Sachen »Energie« steht die Region bei Wind und Biogas sehr gut da, spielt in der Solarbundesliga jedoch nur im Mittelfeld. Während die Waldfläche je Einwohner positiv beurteilt wird, liegt der »Anteil Ökolandbau an der Landwirtschaftsfläche« im hinteren Drittel. Nun dürfte es sich beim Pestel Institut nicht gerade um einen Hort des Antikapitalismus handeln, aber: Die aufgeworfenen Fragen und Forschungsansätze sind auch für gesellschaftsverändernde Projekte wichtiger denn je. Deshalb: Was die Studie leisten kann, ist – in der Tat – eine Sensibilisierung für Zukunftsprobleme.
Nichts davon wird vom Mainstream der Kommunalpolitik ernstgenommen. Im Gegenteil: Das »höher – schneller – weiter« wird nur durch die Schuldenkrise gestoppt. Die zunehmende Armut – sozial und »biologisch« - ist kein Thema; der Verweis auf die Zuständigkeit des Bundes oder des Landes ein Automatismus, wobei den Parteibuchhalter_innen nicht einmal auffällt, dass gerade dies sie nicht von Verantwortung befreit