Lohnerhöhungen nicht in Sicht

Der öffentliche Personennahverkehr in Stadt und Landkreis Celle ist wenig attraktiv, und er wird zum 1. März weiter ausgedünnt: 124 Fahrten werden gestrichen, 97 weitere auf Anruffahrten umgestellt. Es ist ein Teufelskreis nach unten: Je weniger der ÖPNV tatsächlich alltagstauglich ist, desto mehr sind Menschen auf den privaten PKW angewiesen – und wer ein Auto vorhält, nutzt den ÖPNV eben nur noch in Ausnahmefällen. Noch katastrophaler stellt sich die Situation bei den Beschäftigten von CeBus dar. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das gibt es nicht im Celler ÖPNV, und Lohnerhöhungen kennen die Beschäftigten nur vom Hörensagen. Wir haben zu dieser Situation mit MIRA BALL, Fachbereichssekretärin „Verkehr“ des ver.di-Bezirk Lüneburger Heide, ein Interview geführt.


??:Fast ein Jahr ist vergangen, seit die Kollegen von CeBus auf der DGB-Maikundgebung auf ihre katastrophale Situation hingewiesen haben. Aus Sicht von ver.di ist das Nahverkehrskonzept des Landkreises Celle gescheitert, aus Sicht der Nutzer_innen hinsichtlich der Attraktivität des ÖPNV, aus Sicht der Busfahrer_ innen hinsichtlich ihrer Löhne. Kannst Du uns zunächst mal schildern, wie sich die Löhne in den vergangenen Jahren entwickelt haben und wie sich die aktuelle Tarifsituation darstellt?

!!: Die Löhne haben sich seit dem vergangenen Jahr nicht weiter entwickelt. Im Gegenteil: Als im Herbst die Entscheidung über die Vergabe des Stadtverkehrs Celle anstand, wurde ver.di und die betriebliche Tarifkommission vom Arbeitgeber auf eine mögliche Absenkung der Tariflöhne der Beschäftigten der Celler Straßenbahn (CSC) angesprochen. Sowohl ver.di als auch die Kolleginnen haben dies abgelehnt. Nun hat die CeBus den Zuschlag für den Stadtverkehr wieder bekommen, das Thema liegt zur Zeit auf Eis. Dass es jedoch wieder kommen wird, ist sicher. Denn für die Beschäftigten der CSC gilt ein Tarifvertrag aus der Zeit vor der Gründung der CeBus. Obwohl es seitdem keine Lohnerhöhung gab, liegen ihre Löhne noch immer bis zu 30 % über dem, was ein bei der CeBus Eingestellter verdient. Also: Der Stundenlohn der »Neuen« liegt bei rund 9 Euro, der der »Alten« rund 30 % darüber.

Bisher konnte das Lohnniveau bei der CSC gehalten werden, da die Stadt mit dem Verkauf der CSC eine Bezuschussung verbunden hatte. Nach unseren Informationen läuft diese aber Ende 2011 aus. Der Stadtverkehr Celle ist in unseren Augen nicht kostendeckend zu betreiben. Das bedeutet, dass das ausführende Verkehrsunternehmen entweder die Fahrpreise erhöhen muss oder Zuschüsse durch die öffentliche Hand braucht – wie dies im übrigen in ähnlich strukturierten Gegenden (mit einem großen ländlichen Einzugsgebiet zu einer mittelgroßen Stadt) in Deutschland üblich ist. In dieser Hinsicht wissen wir nicht, wie es weiter gehen soll. Dahingehend richtet sich auch unsere Kritik am Nahverkehrsplan, denn dieser enthält in unseren Augen leider kein schlüssiges Konzept für eine nachhaltige Finanzierung und Entwicklung des ÖPNV.

??: Wenn wir in der Redaktion über diese Situation diskutieren, ist uns immer klar, dass die tarifliche Spaltung der Belegschaft die Streikfähigkeit beeinträchtigt. Trotzdem – einige von uns können sich an Zeiten erinnern, wo die Busfahrer_innen die Speerspitze in den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst darstellten, denn hier gilt ja im wörtlichen Sinne: „Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still.“ Warum ist der Arm so schwach? Konkret gefragt: Warum ist nicht ein Streik für die Anpassung und Verbesserung der Tarifverträge möglich?

!!: Mit der Gründung der CeBus ist der ÖPNV in Celle komplett privatisiert worden – die Anbindung an die öffentliche Hand besteht lediglich in Form von geringen Beteiligungen des Landkreises an Gesellschaftern der CeBus. Zugleich gelten bei der CeBus drei verschiedene Tarifniveaus, einerseits zwei Haustarifverträge, die den Beschäftigten – bisher – eine Besitzstandswahrung auf dem Niveau von 2001 sichern und andererseits die Bezahlung nach einem 1997 noch von der ÖTV abgeschlossenen Flächentarifvertrag mit dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (TV GVN). Die vor CeBus-Gründung eingestellten Beschäftigten haben auch heute noch Arbeitsverträge mit den Gesellschaftern der CeBus, dies sind Lembke & Koschick, Kraftverkehr Celle Stadt und Land (KVC), die Celler Straßenbahn (CSC) und die Verkehrsbetriebe Bachstein. Ver.di hat die Arbeitgeber in den vergangenen Jahren mehrfach zu Verhandlungen für einen einheitlichen Tarifvertrag aufgefordert. Diese Verhandlungen scheiterten regelmäßig daran, dass man sich nicht vorstellen konnte, die Löhne in der Besitzstandswahrung festzuschreiben und die Löhne der Neueingestellten zu erhöhen. Vielmehr wurde uns entgegengehalten, man müsse die Löhne nach unten angleichen. Zugleich lehnen es die Arbeitgeber ab, sich gemeinsam mit uns an einen Tisch zu setzen, jeder Gesellschafter möchte allein verhandeln. Ein Streik wiederum hängt immer von den Kolleg_innen ab, die ihn führen müssen. Die seit 2001 eingestellten Beschäftigten stellen inzwischen die größte Gruppe im Unternehmen, zugleich hat weit über ein Drittel von ihnen nur einen befristeten Arbeitsvertrag. In dieser Situation ist es bei der heutigen Arbeitsmarktsituation nicht einfach, gegen ganz reale Existenzängste Solidarität zu organisieren, der Druck ist für jeden Einzelnen unglaublich hoch. Allerdings will ich nicht ausschließen, dass die Geduld der Kolleg_innen bald vorbei ist. Denn allein bei einer jährlichen Preissteigerung von 2-3 % kommt auch der anspruchsloseste Arbeitnehmer bei jahrelang eingefrorenem Lohn nicht mehr über die Runden.

??: Die Arbeitsbelastungen der Busfahrer_innen sind enorm. Was wird von Seiten der Kolleg_innen hier in erster Linie beklagt und welche Verbesserungen werden eingefordert?

!!: Tatsächlich ist das Hauptthema für die Kolleg_ innen der Lohn. Allerdings gehört zu einem qualitativ hochwertigen Nahverkehr auch das Thema Arbeitszeit. An dieser Stelle birgt das Sparen an den Personalkosten zwei Gefahren: Einerseits besteht die Gefahr, dass ein Unternehmen am Personal spart und dadurch Überstunden, kurzfristige Verlegungen von Diensten bei unvorhersehbaren Ereignissen wie z.B. Krankmeldungen und Dienste mit zum Teil enorm langer Betriebsbindung die Folge sind. Gerade letzteres ist ein spezielles Problem im Nahverkehr, das dadurch entsteht, dass sich die Arbeit nicht über den ganzen Tag gleichmäßig verteilt, sondern immer mehr oder weniger lange Pausen entstehen, die ab einer gewissen Länge nicht mehr zur Arbeitszeit zählen. Dennoch lohnt es sich für die Beschäftigten bei diesen sog. geteilten Diensten häufig nicht, nach Hause zu fahren. Sie hocken dann auf dem Betriebshof oder irgendwo im Bus herum und können diese Zeit nur sehr bedingt zur Erholung nutzen.

Die zweite Gefahr besteht darin, dass die Beschäftigten darauf angewiesen sind, möglichst viele Überstunden zu leisten, um mit ihrem Lohn auszukommen. Diese Arbeitsbelastung bedeutet im Nahverkehr, wo die Menschen im Durchschnitt nur bis zum Alter von 58 Jahren gesundheitlich durchhalten, einen enormen Raubbau an der Gesundheit. Daneben ist zu bedenken, dass unsere Busfahrer_innen täglich eine riesige Verantwortung für das Leben hunderter Menschen übernehmen und von ihnen als Teilnehmer am Straßenverkehr jederzeit ihre volle Aufmerksamkeit gefordert ist.

??: Die politischen Gremien in Celle haben sich in den vergangenen Monaten mit dem Nahverkehrsplan auseinandergesetzt. Aus unserer Sicht standen dabei vor allem Fragen betriebswirtschaftlicher Effizienz im Zentrum – mit der Folge der Ausdünnung des ÖPNV. Die politischen Gremien nehmen weder ihre Aufgabenverantwortung hinreichend wahr, noch stellen sie sich der daraus erwachsenden Finanzverantwortung. Welche Vorstellungen hat ver.di im Hinblick auf eine Verbesserung der ÖPNV?

!!: Beim Thema Nahverkehr müssten der soziale und der umweltpolitische Aspekt an erster Stelle stehen. Leider kommen diese – nicht nur in Celle - viel zu kurz. Wir wünschen uns Verkehrskonzepte, die darauf ausgerichtet sind, die umweltpolitischen Potentiale des Nahverkehrs zu heben und die Mobilität der Bürger_innen zu befördern. Beides ist in unseren Augen Aufgabe der politischen Gremien. Wir haben unsere Unterstützung dabei angeboten, bisher wurde diese jedoch nicht angenommen. Teil eines solchen Konzeptes muss ein sinnvoll durchdachter Ausbau des ÖPNVs sein. Dabei sollte es nicht darum gehen, dass überall ein Gelenkbus fahren muss, z.B. weil in der XY-Straße schon immer eine Haltestelle war, obwohl da heute eigentlich keiner mehr mitfährt. Aber es muss neben der Untersuchung, wo Linien nicht genutzt werden, auch untersucht werden, wo es neue Bedarfe geben könnte. Insbesondere im ländlichen Raum ist ja nicht alles, was die Menschen brauchen, mal eben um die Ecke. Im bundesweiten Vergleich steht Celle mit einem festen Takt tatsächlich (noch) ganz gut da. Dies kann jedoch keineswegs beruhigen, da wir ja schon gesehen haben, dass es beim Nahverkehrskonzept v.a. um Einsparungen geht. Tatsächlich unterscheidet sich der ÖPNV nicht von vielen anderen öffentlichen Dienstleistungen, die durch die öffentliche Hand bezuschusst werden müssten. Man versucht, dies wettbewerblich zu regeln, und die Zeche zahlen die Beschäftigten und die Bürger_innen. An dieser Stelle müssten wir über die öffentlichen Haushalte sprechen und die haben ja bekanntlich kein Ausgaben- sondern ein Einnahmenproblem. Aber die Notwendigkeit einer gerechten und sinnvollen Steuerpolitik ist dann wohl schon ein weiteres Thema.