Sisyphus wäre heute bei der Müllabfuhr

541 Kilo Hausmüll pro Erwachsenem haben die Celler_ innen allein im Jahr 2009 entsorgen lassen. Sorglos Müll entsorgen? Kein Problem. Keine Bilder wie in Neapel, wo sich zeitweise der Müll an den Straßenrändern auftürmt und zum Himmel stinkt. Der Zweckverband Abfallwirtschaft (ZVA) macht seine Arbeit. Das hat seinen Preis. Allein im Jahr 2009 entstanden dadurch den Stadt- und Landkreis-Celler_innen Gesamtkosten von gut 17 Mio. Euro. Das Geschäft mit der Abfallbeseitigung scheint gut zu laufen. Doch der Preis für unseren hemmungslosen Konsum ist weitaus höher.


Wir müssen uns bewusst machen: Jedes Mal, wenn wir uns ein neues T-Shirt oder eine neue Gartenmöbelgarnitur kaufen, „verschönern“ wir unser Leben auf Kosten der Arbeiter_innen in Entwicklungsländern und der Natur. Der Bereich Urlaub und Konsum ist für 38 % unseres CO2-Ausstoßes verantwortlich - ganze 3,7 Tonnen pro Mensch und Jahr. "Laut einer Studie der Europäischen Union ist der Schaden, der jährlich der Weltwirtschaft z.B. durch die weltweite Entwaldung entsteht um ein vielfaches größer, als die Verluste der letzten Bankenkrise." (aus: The Story of Stuff, s.u.) Täglich werden Wälder von einer Fläche zweimal so groß wie Paris vernichtet. Nach Angaben des Rainforest Aktion Network sterben dadurch jährlich 50.000 Tier- und Pflanzenarten aus. Wälder werden zu Möbeln, Zeitungen und Verpackungsmaterialien, die nach kurzer Zeit wieder im Müll landen.

Und was passiert mit unserem Müll?

In Niedersachsen wurden im Jahr 2009 1.192.494 Tonnen Restmüll verbrannt. Der ZVA Celle beliefert die Müllverbrennungsanlagen in Hannover Lahe (E.ON Energy from Waste Hannover), und Buschhaus im LK Helmstedt.

Zurzeit gibt es in Deutschland 73 Müllverbrennungsanlagen, 28 weitere sind in Planung, hauptsächlich in Ostdeutschland. Olaf Tschimke, Präsident des NABU, kritisiert, dass Deutschland heute bereits zwei Millionen Tonnen Abfall importiert. „Werden die geplanten Anlagen gebaut, droht Deutschland zum Hauptmüllimportland, um nicht zu sagen zur Müllverbrennungsanlage Mitteleuropas zu werden.“ Der Energiegehalt von Restabfall entspricht laut E.ON dem von Braunkohle. Das sagt allerdings nichts über den realen Wirkungsgrad aus, da Wärmeverluste, Energieverlust für den Eigenbedarf der Anlage und andere Faktoren dabei nicht berücksichtigt werden. Die Belastung für die Umwelt ist dagegen erheblich. Da die Zusammensetzung des Mülls variiert, ist die genaue Schadstoffzusammensetzung der Rauchgase und der Asche auch verschieden. Es entstehen jedoch in unterschiedlichen Konzentrationen Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeloxide, Stickoxide, Salzsäure, Fluorwasserstoff und schwermetallhaltige Stäube. In geringen Mengen entstehen auch hochgiftige Stoffe wie polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane. 2005 teilte das Bundesumweltministerium mit, das 1990 ein Drittel aller Dioxinemissionen aus Müllverbrennungsanlagen stammten, im Jahr 2000 jedoch weniger als 1 %.

Die Aschen und Schlacken, die bei der Abfallverbrennung entstehen, werden deponiert, zum Auffüllen von stillgelegten Minen benutzt oder als Baumaterial für Dämme und Straßen verwendet. Filterstäube werden deponiert oder in geschlossenen Bergwerken „entsorgt“.

Speedshopping?

Ein wirklich schlechtes Bild gibt unser vermutlich zweitliebstes Kleidungsstück ab: das T-Shirt. Wie auch die Nummer eins, die Jeans, wird es i.d.R. aus Baumwolle hergestellt. Die weltweite Jahresproduktion an Baumwolle liegt bei 25 Millionen Tonnen. Baumwolle ist eine der am meisten bewässerten Pflanzen der Welt und führt in den Hauptanbaugebieten wie China, Indien, USA, Australien, Usbekistan und kleinen afrikanischen Ländern zu erheblicher Verknappung der so wichtigen Ressource Wasser. In Usbekistan ging das Wasservolumen des Aralsees, des ehemals viertgrößten Binnensees der Welt, zwischen den Jahren 1960 und 2000 um 80 % zurück. Fruchtbares Gebiet wurde quasi zur Wüste. Als Ursache waren die staatlichen Baumwollfarmen auszumachen, die die Flüsse trockenlegten, die ursprünglich den Aralsee speisten.

Hinzu kommt, dass Baumwolle im hohen Maße mit Pestiziden behandelt wird, manche davon sind so giftig, dass sie ehemals als Kampfstoffe im Krieg eingesetzt wurden. Doch damit nicht genug: der Stoff für unsere T-Shirts wird erst gebleicht - oft mit Chlor - und anschließend mit Farben koloriert, die Benzole, Schwermetalle, Formaldehyd und viele andere Chemikalien enthalten, die anschließend im Abwasser landen.

Die meisten Produkte werden in Entwicklungsländern ohne Arbeitsschutz, ohne soziale Standards und mit minimalen oder gänzlich ohne Auflagen zum Umweltschutz produziert. Als Nebenprodukt haben wir dann noch das klimaschädliche CO2 zu verbuchen, das bei der Gewinnung der Rohstoffe, der Weiterverarbeitung zum Endprodukt und den nicht unerheblichen Transportwegen anfällt. Die Summe aller dieser Faktoren sollte uns klar machen, dass unser bisheriges Konsumverhalten keine Zukunft hat. Bis wir gelernt haben, unseren Bedarf aus regionaler und 100 % recyclebarer Erzeugung zu decken, können wir vermutlich guten Gewissens nur auf Gebrauchtes zurückgreifen.

Second Hand statt Shopping - Mall?

Im Celler Stadtgebiet gibt es neben Flohmärkten und dem ein oder anderen kleinen Second-Hand-Shop auch in verschiedenen gemeinnützigen Läden die Möglichkeit, umweltbewusster einzukaufen:

Neufundland - Neustadt 63:

Im Sortiment sind Herren- und Damenbekleidung, Schuhe, Kleinmöbel und eine Vielzahl an Haushaltswaren zu sehr günstigen Preisen. Der Erlös geht an soziale Projekte. Kinderkleidung gibt’s im Kinderschutzbund nebenan.

Öffnungszeiten: Mo.-Do. 14.30 h bis 17.30, Sa. 10.00 bis 13.00 h.

Kaufladen - Blumlage 88:

Hier gibt es ein ähnliches Sortiment wie im Neufundland, zusätzlich wird auch alles rund ums Kind angeboten.

Öffnungszeiten: Di.-Do. 10.00-13.00 + 15.00-18.00, Fr. 15.00-18.00, Sa. 10.00-13.00 h

Fairkaufcenter - Marienwerder Allee 2:

Im Angebot sind vor allem Möbel, Hausrat, Spielsachen, CDs, DVDs. - Ableger gibt es noch in Bergen und Wathlingen.

Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 10.00 bis 18.00 h, Sa. 10.00 bis 14.30 h.

Sicher wird die eine oder der andere beim Lesen denken: Warum sollen die Armen vom Müll der Reichen leben? Längerfristig geht es natürlich vor allem darum, dass der gesellschaftliche Reichtum so gerecht verteilt ist, dass alle gleichermaßen dazu in der Lage sind, ihren Bedarf an Konsumgütern aus nachhaltiger und fairer Erzeugung zu decken. Da das ein Ziel ist, das vermutlich nicht von heute auf morgen realisiert wird, sollten wir jetzt mit dem Machbaren beginnen: die sofortige Reduzierung unseres hausgemachten CO2 Ausstoßes und unseres ganz privaten Müllbergs.

Ein Buchtipp für diejenigen unter Euch, die sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten: "The Story of Stuff - wie wir unsere Erde zumüllen" von Annie Leonard, bei ECON erschienen für 18.00 Euro. Wer Müll vermeiden möchte, holt es sich in der Stadtbibliothek!

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Die Gruppe Regionale Energie- und Konsumwende- TransitionTown trifft sich
jeden 1. und 3. Dienstag im Monat um 18.30 h im Bunten Haus.
Kontakt: Tel: Tina (0 51 41)
9 93 34 81.