Rekommunalisierung nur auf dem Papier

Der weltweit größte private Energiekonzern, die E.ON AG wird auch künftig in Stadt und Landkreis Celle das Sagen haben. Den Weg dazu weist ein Beschluss des Kreistags vom 21. Juni. Eine Rekommunalisierung gibt es dabei nur auf dem Papier. Für eine lokale Energiewende ist die angestrebte Struktur ein schlechtes Ergebnis und kein Schritt hin, sondern eine Kehrtwende gegen Energiedemokratie.

Eigentlich hat der Landkreis mit der Vergabe der Konzessionsverträge gar nichts zu tun. Aber: Er ist bisher der größte kommunale Gesellschafter der SVO. Und in dieser Rolle hat Landrat Wiswe dergestalt die Strippen gezogen, dass die SVO der Stadt Celle und den Landkreisgemeinden ein Angebot macht, das scheinbar den kommunalen Einfluss stärkt. In der Kreistagssitzung erntete er für diesen Schachzug breite Zustimmung. Einzig Bündnisgrüne und die LINKE stimmten dagegen. Gerald Sommer brachte es für die Grünen auf den Punkt: „Das Angebot des Landkreises ist nicht der Fisch, sondern nur der Köder.“ Wolf Wallat (LINKE) sprach von einer »Mogelpackung«.

Die Konzeption ist im einzelnen sehr kompliziert; im Kern aber sind drei Punkte wichtig:

1.) Die Stromversorgung Osthannover (SVO), Tochter von E.ON/Avacon, bleibt Konzessionsnehmer für Strom und Gas.

2.) Dafür verzichtet E.ON/Avacon zwar auf die Mehrheit der Gesellschafteranteile, aber ...

3.) E.ON/Avacon sichert sich als Sonderrechte die Genehmigung des Wirtschaftsplans und die Bestellung der Geschäftsführer.

Konzession geht an die SVO

In allen Kommunen der Landkreise Celle und Uelzen sind die Stromkonzessionen zum Jahresende neu zu vergeben. In der Stadt Celle die Konzessionen für Strom und Gas. In Uelzen wurde bereits mit der SVO verlängert. Die Kommunen im Landkreis Celle haben sich zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts unter dem Namen »Energieversorgung Celle Land« (EVC) zusammengeschlossen und führen so Verhandlungen mit der SVO. Die EVC nennt als Vorraussetzung für den Abschluss von Konzessionsverträgen die Erhöhung der kommunalen Einflussnahme auf die Energieversorgung. Für die Stadt Celle ist die SVO wohl einer von drei Anbietern, eine Entscheidung soll noch vor der Kommunalwahl in der Ratssitzung am 26. August fallen. Voraussetzung aller folgenden Schritte ist, dass die SVO die Konzession erhält.

Kommunen als Mehrheitsgesellschafter

Bisher sind E.ON Avacon (64 %), die Landkreise Celle (18,8 %) und Uelzen (13,2 %) sowie der Wasserversorgungsverband (4 %) Gesellschafter der SVO. Um dem Wunsch der Kommunen nach einem stärkeren Einfluss gerecht zu werden, wollen der Landkreis Celle und E.ON den Weg frei machen zu einer Umschichtung.

Nach dieser Umstrukturierung sähe es mit den Gesellschafteranteilen so aus. Bei der SVO Holding GmbH: E.ON Avacon (48,1 %), Landkreis Celle (10,8 %), Landkreis Uelzen (13,2 %), WVC (4 %), EVC (10 %) und Stadt Celle (13,9 %). Bei der SVO Energie GmbH ist es etwas komplizierter. Unterm Strich hätte auch hier die E.ON Avacon »nur« 48,1 %. Die Mehrheitsverhältnisse lägen also bei den Kommunen. Das wird man den Bürger_innen als »Rekommunalisierung« verkaufen.

Sollte es zu einem Abschluss von Konzessionsverträgen zwischen der SVO und der Stadt Celle kommen – das ist die Voraussetzung -, hat sich die E.ON bereit erklärt, der Stadt Celle 13,9 %-Punkte ihrer Anteile abzutreten. Der Kaufpreis hierfür beträgt 30,58 Mio. EUR.

Der Landkreis Celle würde er 8 %-Punkte seiner Anteile an die EVC verkaufen. E.ON Avacon würde 2 %- Punkte abgeben. Insgesamt müsste die EVC dafür 17,6 Mio. EUR berappen.

Vorab wollen sich die derzeitigen Gesellschafter noch eine so genannte »Vorausabkehrung« aus dem SVOVermögen auszahlen – für den Landkreis Celle knapp 6 Mio. EUR. Die SVO hätte danach einen gutachtlich ermittelten Kaufpreis von rund 220 Mio. EUR.

Das Sagen hat E.ON

Trotzdem behält die E.ON Avacon das Sagen. Die scheinbare Rekommunalisierung gibt es laut Verhandlungsangebot der E.ON Avacon nur unter Beibehalt der Einflussrechte auf a.) die Genehmigung des Wirtschaftsplanes und b.) die Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Geschäftsführer der SVO Holding GmbH.

Wie soll das bei den geänderten Mehrheitsverhältnissen gehen? Diese Sonderrechte sollen entweder gewährleistet werden durch den „Abschluss eines Stimmbindungsvertrages zwischen der Stadt Celle und der E.ON Avacon AG“ oder durch »disquotale Mehrheitserfordernisse « in der Gesellschafterversammlung. Im ersten Fall ist auszuschließen, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt, und im zweiten heißt es schlicht: Bei wichtigen Fragen interessieren die Mehrheitsverhältnisse nicht.

Die SVO ist in den Verhandlungen unter Druck gekommen. Einen nicht unwichtigen Beitrag leistete der Zusammenschluss der Celler Landkreisgemeinden zur EVC. Und auch die Stadt Celle hatte deutlich werden lassen, dass es zu den alten Bedingungen nicht weitergehen soll. Aber gibt es außer E.ON andere »Gewinner«? Vielleicht die Landkreisgemeinden, die künftig einen größeren Teil vom Energiekuchen abbekommen. Aber was ist mit der Stadt Celle?

Gemeinsames Interesse von Oberbürgermeister und Fraktionen war, den kommunalen Einfluss zu vergrößern. Davon wird bei diesem Modell nichts bleiben außer Schein. Ob es sich wirtschaftlich für die Stadt auszahlt, kann seriös nicht beurteilt werden. Auch weil die Verwaltungsspitze das ganze Verfahren bisher in keiner Weise bürgertransparent gestaltet. Sie muss aus ihrem vorhandenen E.ON-Aktienpaket (oder anders) den Ankauf realisieren, also gut 30 Mio. EUR über den Tisch schieben. Denkbar, dass die Renditeerwartungen als SVO-Anteilseigner über den Dividendenerlösen der E.ON-Aktien liegen. (Was im übrigen dann seit 10 Jahren auf das Konto des ehemaligen OB Biermann und der großen Koalition aus CDU/SPD/FDP geht.) Aber was ist mit dem Gestaltungsinteresse?

Der Einfluss auf die Energiepolitik vergrößert sich um keinen Deut. E.ON will den Strom verkaufen, den es in den eigenen AKW und Kohlekraftwerken produziert – dazu kommt künftig im besten Fall die Offshore- Windenergie. Im schlimmsten Fall gehen die Kommunen diesen Weg aus wirtschaftlichen Erwägungen bereitwillig mit – was bedeuten könnte, dezentrale Wind-, Geothermie-, Wasser- und Sonnenenergieerzeugung in der Region auszubremsen statt zu fördern.

Dabei gibt es Alternativen

Unzweifelhaft ist eine wirkliche Rekommunalisierung in der derzeitigen Situation eine risikoreiche Angelegenheit. Die Verbraucher_innen wären nicht in Strömen von der SVO zu neu gegründeten Celler STADTWERKEN gewechselt, nur weil der Stadtrat dies gern hätte. Der Wechsel zu einem anderen Strom- und Gasanbieter ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit und erfolgt in der Regel nicht aus dem Grund, regionale Wertschöpfung stärken zu wollen. Aber es geht bei der Energiewende ja auch nicht um Geschäftemacherei, sondern um die Stärkung der Regenerativen, um Effizienz und Suffizienz (als Einsparung). An letzterem hat kein (privater) Energieversorger ein Interesse. Was hätte die Stadt also tun können?

Unser Vorschlag:

Die Umwandlung der bestehenden Stadtwerke zu einer Energiewende GmbH mit dem Auftrag:

1.) Investitionen in regionale regenerative Energien,

2.) Förderung von Effizienzkonzepten für Strom und Wärme in Betrieben und Haushalten,

3.) Umsetzung von Konzepten zur Einsparung von Energie auf breiter Ebene – d.h. vor allem Aufklärung,

4.) Umsetzung von Mobilitätskonzepten zur Verminderung des PKW-Individualverkehrs. Das alles lässt sich nicht mit der SVO machen, sondern nur gegen E.ON. Also wäre es vielleicht das Beste gewesen, die Konzession einfach an den Meistbietenden zu vergeben und eine eigene engagierte Energie- und Klimaschutzpolitik zu betreiben.

Damit ist für Stadt und Landkreis Celle nun in der nächsten Dekade wieder nicht zu rechnen. Um wenigsten in kleinen Schritten voranzukommen, muss jetzt die Forderung nach einer städtischen Klimaschutzagentur auf den Tisch, die – finanziert aus der Dividende der E.ON-Aktien – einen kleinen, aber vielleicht engagierten Beitrag zur lokalen Energiewende leistet. Und die Aktien sollen mittelfristig sowieso anders angelegt oder investiert werden.