„Asse II: Rückholung organisieren statt aussitzen“ war das Motto der Pressekonferenz in Hannover am 3. Januar diesen Jahres. Geladen hatte der Asse II - Koordinationskreis und alle großen Vertreter_Innen von Rundfunk und Fernsehen kamen.
Klar wurde, dass die Rückholung des vom Einstürzen bedrohten Atommülllagers Asse II bei Wolfenbüttel für den Zusammenschluss der örtlichen Bürgerinitiativen und Vereine alternativlos ist. Doch die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) angekündigte Rückholung des schwach- und mittelradioaktiven Mülls aus dem maroden Bergwerk droht zu scheitern, ehe sie überhaupt begonnen hat.
2009 hatte das BfS die Bergung der Abfälle nach einem Optionen-Vergleich als einzige sichere Möglichkeit zur Schließung der Asse beurteilt. Das Bundesumweltministerium (BMU) unter Norbert Röttgen verordnete daraufhin Anfang 2010 eine so genannte „Faktenerhebung“, um die Machbarkeit der Bergung zu prüfen. Ein Verfahren, das die Organisation der Rückholung um weitere drei Jahre verzögern würde. Kurz vor Weihnachten gelangte dann ein interner Vermerk aus dem BfS an die Öffentlichkeit. Dort erklärte ein Abteilungsleiter der Behörde die Rückholung des Atommülls für unwahrscheinlich, da das Bergwerk schon in wenigen Jahren einzustürzen und voll Wasser zu laufen droht. Nieder sachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander erklärte das Vorhaben für gescheitert und sprach sich für eine Flutung der Asse aus.
„Die Flutungs-Befürworter befürchten doch letztlich die Bilder von zurückgeholtem Atommüll: damit würde das Scheitern der deutschen Endlager Strategie »aus den Augen aus dem Sinn« allzu offensichtlich.“ (Asse- Koordinationskreis)
Die Bürgerinitiativen kritisieren seit langem das zögerliche Herangehen an die Vorarbeiten für die Rückholung des Atommülls. Sie sind sicher: “Wer fordert, die Rückholung aufzugeben, muss auch sagen, was dann passieren würde: Der Atommüll in der Asse kann nach einem Verschluss des Schachtes dort nicht trocken verwahrt werden. Der Beton kann nur in die Mitte des Bergwerks gefüllt werden. Um diesen Betonkern herum lagert der Atommüll - mit verbleibenden Hohlräumen. Diese Hohlräume würden entweder von der eindringenden Salzlösung gefüllt oder sie müssten mit einer künstlich zugeführten Flüssigkeit gefüllt werden. Beides würde dazu führen, dass sich der Atommüll in der Flüssigkeit auflöst. Ein Brei aus Atommüll, chemotoxischen Abfällen, Behälterresten und Salz würden sich bilden.“
Dazu Dr. Ralf Erhard Krupp von der »Arbeitsgruppe Optionen-Vergleich«: „Nach einer Vollverfüllung der Asse bilden sich unweigerlich Gase, sobald die eingelagerten Metalle (Fässer) und organischen Substanzen mit der Salzlösung reagieren. Bereits nach wenigen Jahren können solch hohe Drücke entstehen, dass kontaminierte, giftige und nur wenig verdünnte Lösungen und Gase in die Biosphäre ausgepresst werden.“ Das Grundwasser in der Region bis hin zu Weser und Elbe kann bei Verschluss und Flutung der Asse kontaminiert werden.
„Deshalb ist jeder geborgene Kubikmeter Atommüll ein Sicherheitsgewinn“, so Heike Wiegel vom Koordinationskreis. Sie teilt nicht die Meinung des BMU, das zwar die Rückholung der Abfälle für die beste Lösung hält, jedoch nur, wenn ein Großteil des Atommülls geborgen werden kann.
Die Atomkraftgegner_innen sprechen schon lange nicht mehr von 126 000 einst eingelagerten Fässern. Die sind längst korrodiert und von Salz zerfressen. „Wer - wie das BMU - meint, Kammern sowie die darin befindlichen Gebinde im Rahmen der Faktenerhebung bewerten zu können, führt die Öffentlichkeit in die Irre. Das kann dazu dienen, die Flutung des Asse Schachtes zu legitimieren.“
Zwei der drei vorgesehenen Jahre der so genannten Faktenerhebung sind bereits verstrichen. In der Öffentlichkeit wird der falsche Eindruck erweckt, dadurch seien entscheidende Hinweise für die Rückholung gewonnen worden. Das ist laut Udo Dettmann vom Koordinationskreis Asse nicht der Fall: „Es drängst sich vielfach der Eindruck auf, dass die Faktenerhebung nicht der Rückholung dient, sondern die Behörden vielmehr das Scheitern der Rückholung planen. Das BUM hat nicht einmal seine Fachbehörde, das BfS, in den Stand versetzt, die Rückholung in einem vernünftigen und umfassend durchgeführten Projekt zu organisieren.“
Ein Projekt namens „Rückholung“ gibt es nicht.
Es gibt weder eine Projektorganisation noch gar einen Verantwortlichen dafür beim Bundesamt für Strahlenschutz.
Minister Röttgen als hauptverantwortlicher Bundesminister hat bislang weder das Bergwerk besucht, noch sich zur Rückholung bekannt. Zur Rückholung gehört die Beschaffung von Bergtechnik, der Aufbau von geeignetem Personal und die Erstellung eines Regelwerks passender Vorschriften- im Sinne einer lernenden Organisation. Auf allen drei Feldern verhalten sich das Niedersächsische Umweltministerium, das Bundesministerium für Umwelt und das Bundesamt für Strahlenschutz abwartend. „Abwarten ist aber aufgrund des Zustandes des Bergwerkes nicht zu verantworten“, so Andreas Riekeberg vom Koordinationskreis. Zur Erinnerung: täglich laufen 12.000 Liter Wasser in den Schacht.
„Die gegenwärtige organisierte Unverantwortlichkeit muss ein Ende haben. Zwingend notwendig ist ein abgestimmtes, zielorientiertes und von Verantwortung zur Rückholung getragenes System, das alle Beteiligten einbezieht, unter der Verantwortung des Bundesumweltministers. Die Rückholung des Atommülls muss organisiert werden, und zwar sofort“, fordert Udo Dettmann.
Am deutlichsten zeigte sich die Absurdität der deutschen Atompolitik am Ende der Pressekonferenz, als ein Pressevertreter den Asse II-Koordinationskreis fragte, wo der Atommüll aus der Asse denn hin soll. Die Atomkraftgegner_ innen antworteten treffend, dass es kein Entsorgungskonzept und damit auch kein geeignetes Lager für den deutschen Atommüll gibt.
Mehr Infos in dem Asse-Info DURCHBLICK unter http://www.asse2.de/download/Asse-Durchblicke-2.pdf