Keineswegs CO2-emissionsfrei und ein Bremsklotz für die Verkehrswende

Die in Deutschland für 2020 gesteckten Klimaschutzziele im Verkehrssektor sind nicht zu erreichen. Seit 1990 bewegt sich der CO2-Ausstoß hier auf einem gleichbleibenden Niveau – wo soll in den nächsten vier Jahren die angestrebte Reduktion um 80 % herkommen?

Der Automobilindustrie wäre es sowieso egal. Sie aber drückt ein anderer Schuh: Ab 2021 verschärfen sich in der EU die CO2-Vorgaben. Statt wie aktuell 130 Gramm CO2 je Kilometer auszustoßen, gelten von 2021 an 95 Gramm als Höchstwert – und zwar für den Durchschnitt der „PKW-Flotte“. Rechnerisch lässt sich das Problem wohl nur mit einem deutlichen Anstieg der Zulassungszahlen für Elektro-PKW „lösen“. Doch diesem Markt fehlt bisher jede Dynamik: Im Januar 2015 waren gerade einmal 18.948 Elektrofahrzeuge und 107.754 Fahrzeuge mit Hybridantrieb zugelassen, ganze 0,3 % der rund 44 Millionen Fahrzeuge auf „unseren“ Straßen.

R.I.P. meinen deshalb Spötter*innen und buchstabieren statt „Rest in peace“ die Probleme des E-Autos: Reichweite, Infrastruktur (bei den Ladesäulen) und Preis. Letzterer soll jetzt mit einer Prämie von 5.000 Euro gedrückt werden, von der Bundesregierung auch „Umweltbonus“ genannt. Unter Einbeziehung aller Faktoren verflüchtigt sich der tatsächliche CO2-Einspareffekt aber ins Nichts.

E-Autos können im direkten Einsatz zwar halbwegs „saubere“ Fahrzeuge sein – d.h., ohne Ausstoß von CO2-Emissionen. Aber nur dann, wenn regenerativer Strom „getankt“ wird. Am Strommix in Deutschland hatte dieser zwar 2015 einen Anteil von 30 %, aber im wesentlichen auf Kosten der Atomenergie. Braun- und Steinkohle lagen bei 42 %. Um den PKW-Verkehr mit regenerativen Energien zu bewerkstelligen, bedürfte es deshalb einer Verdoppelung der aktuellen Windenergiekapazität.

Aber nur weil im Betrieb kein CO2 ausgestoßen wird, heißt dies nicht, dass diese Fahrzeuge klimaneutral wären. Denn selbstverständlich muss der Herstellungsprozess des E-Autos einbezogen werden. Und der ist – insbesondere wegen der Batterieherstellung – CO2-intensiver als bei Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Für eine Kilowattstunde Batteriekapazität sind etwa 125 Kilogramm CO2-Emissionen anzusetzen. Bei einer Batterie mit 24 Kilowattstunden Speicherkapazität fallen also schon vor dem ersten gefahrenen Kilometer drei Tonnen CO2 an. Selbst ein E-Auto, das mit Regenerativen fährt, erreicht damit erst zwischen gefahrenen 20.000 bis 30.000 Kilometer einen Gleichstand mit den PKW mit Verbrennungsmotoren. Wird der Strommix zugrunde gelegt, ändert sich hinsichtlich CO2 nichts – im Gegenteil (siehe Kasten am Ende).

Eine Fixierung auf E-Autos führt auch insgesamt in eine Mobilitätssackgasse, meint der Präsident des Wuppertal-Instituts, Uwe Schneidewind: „Der Ressourcenverbrauch für den Autobau würde zunehmen, die Städte wären weiter durch Parkraum dominiert, und die Gefahren des Straßenverkehrs würden nicht vermindert. Wenn Elektromobilität nur heißt, heutige herkömmliche Zwei-Tonnen-Pkw durch elektrische Zwei-Tonnen-Pkw zu ersetzen, dann sind die dafür verarbeiteten Ressourcen das große Problem. Eine schlecht gemachte Umstellung auf Elektromobilität löst die ökologischen und gesellschaftlichen Probleme unseres Verkehrssystem nicht.“ Und weiter: „Elektromobilität ergibt nur Sinn, wenn sie mit veränderten Mobilitätskonzepten einhergeht. Für eine angepasste Mobilität in den Städten sind Elektro-Fahrräder und ausgebaute Fahrrad-Infrastrukturen sowie ein attraktives Bus- und Bahn-Angebot genauso wichtig. Nötig sind zudem eine verkehrsreduzierende Raum- und Stadtplanung, verbesserte Umsteigemöglichkeiten zwischen den Verkehrsmitteln und ein breites Car- und Bike-Sharing-Angebot.“ Der Verkehrsexperte Winfried Wolf warnt: „Die E-Autos werden als Alibi dafür herhalten, dass es nicht zu grundsätzlichen Veränderungen im Verkehrsbereich kommt.“

Selbst wenn die immanenten Probleme der Elektro-Mobilität gelöst werden könnten, sprechen nach Wolfs Auffassung fünf Systemfaktoren dagegen:

(1) Straßenfahrzeuge haben im Vergleich zu schienengebundenen Fahrzeugen eine weit höheren Rollwiderstand. Der Energieaufwand zur Beförderung einer Person oder einer Ware ist deutlich niedriger, wenn dafür Schienenfahrzeuge (oder Busse) eingesetzt werden.

(2) Es gibt im Pkw-Verkehr ein extrem ungünstiges Verhältnis zwischen Totlast und Gewicht der Beförderten: In den OECD-Staaten verkehren je Pkw im Durchschnitt 1,3 Personen mit einem Gewicht von ca. 90 kg in einem Gefährt mit durchschnittlich 1,2 Tonnen Leergewicht, womit die Totlast beim 13- bis 15-fachen des Gewichts des (der) beförderten Menschen liegt.

(3) Der Pkw-Verkehr beansprucht im Vergleich zu anderen Verkehrsarten eine vier- bis zehnmal größere Fläche (für die Fahrten und die Stellplätze). Daher gilt die Formel: Je mehr Pkw es je 1000 Einwohner in einer Stadt gibt, desto weniger Fläche bleibt für Kinder, Radfahrende, Fußgänger; für Freizeit und Kommunikation.

(4) Der Straßenverkehr ist mit einer enorm hohen Zahl von Verkehrstoten und Verletzten verbunden. Allein in den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland 36.778 Menschen im Straßenverkehr getötet.

(5) Der Pkw-Verkehr hat die groteske Eigenart, dass sich bei ihm die Durchschnittsgeschwindigkeit in dem Maß reduziert, wie die Pkw-Dichte zunimmt. In Los Angeles gibt es die höchste Pkw- und Highwaydichte; die durchschnittliche Geschwindigkeit bei Pkw-Fahrten ist auf die eines sportlichen Radfahrers gesunken (knapp 20 km/h).

Auch wenn es also gelänge, die CO2- und Umweltbilanz von E-Autos deutlich zu verbessern, spricht nichts dafür, die individuelle Massenmobilität auf Pkw-Basis weiter aufrechtzuerhalten. Elektromobilität existiert seit mehr als 100 Jahren als schienengebundener ÖPNV. Jede ernsthafte Verkehrswende muss hierauf aufbauen. E-Autos wären sinnvoll einsetzbar bei Kleinlieferwagen im Nahbereich, bei Rettungsdiensten und bei Taxen.

Die Verkehrswende muss eine radikale Reduzierung des Kfz-Verkehrs zum Ziel haben und auf den Vorrang von ÖPNV und nicht-motorisiertem Verkehr setzen. Beginnen muss das Ganze in den Städten. Nichts deutet darauf hin, dass sich dies gegen die Interessen der Automobilindustrie durchsetzen lässt.

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Studie: CO2-Zunahme durch E-Autos

Wenig Beachtung fand im vergangenen Jahr eine Studie des unabhängigen Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) mit dem Titel „Ökologische Folgen von Elektroautos - Ist die staatliche Förderung von Elektro- und Hybridautos sinnvoll?“. Kein Wunder - sind die Ergebnisse hinsichtlich der Klimaschutzfrage (und damit der Propaganda von Bundesregierung und Automobilindustrie) mehr als ernüchternd. Hier eine Zusammenfassung:

„Elektroautos sind entgegen einer weit verbreiteten Meinung nicht klimaneutral, sie verursachen als einzelnes Fahrzeug ungefähr gleich hohe CO2-Emissionen wie normale Benzin- oder Diesel-PKW. [...] [Die Studie legt - gut begründet - den Strommix zugrunde.]

Elektroautos haben außerdem folgende negative Nebenwirkungen, die in Ökobilanzen und CO2-Szenarienberechnungen über Elektromobilität bisher nicht berücksichtigt werden:
Da Elektroautos in der Flottengrenzwertregelung der EU trotz ihrer Emissionen juristisch als „Null-Emissionsfahrzeuge“ definiert sind, führen sie über eine Kompensation der Grenzwertüberschreitungen großer und schwerer PKW (z.B. SUV, Geländewagen) insgesamt zu einer Zunahme der CO2-Emissionen.

Da Elektroautos häufig als zusätzliche Zweit- oder Dritt-Wagen angeschafft werden, erhöhen sie die Anzahl der Autos. [...]

Vor der Einführung von Elektroautos müssen deshalb eine Reihe von Vorkehrungen getroffen werden, um diese negativen Nebeneffekte zu vermeiden oder zu minimieren. [...] Solange diese Voraussetzungen [...] nicht erfüllt sind, führt die Förderung oder Subventionierung von Elektroautos zur Zunahme der CO2-Emissionen und damit zum Gegenteil des Beabsichtigten."

Quelle: www.upi-institut.de/upi79_elektroautos.htm

Foto: R. Rohde