Ausstellung – „Systemae Miraculorum“
Blüten, Schoten, Früchte, Samen, Käfer, Schlangen, Echsen in Gläsern: Eingelegt in Öl und gut verschlossen in Schaukästen, Stellagen und auf Regalen angeordnet, wie das Obst und Gemüse im „Einmachkeller“ meiner Kindheit. Aber auch Skelette, Schädel und ein mumifizierter Frosch, der auf einem Sockel unter einer Glasglocke hockt.
Zusammengehalten werden die Objekte durch die Farbe Himmel-/Türkisblau, sie gibt der Ausstellung einen formalen Rahmen: Wir betreten diesen Raum und befinden uns augenblicklich in einer der „Kunst- und Wunderkammern“, die im 14. Jahrhundert erstmals an Fürstenhöfen entstehen und deren Blütezeit im Barock und in der Renaissance liegt.
In diesen Sammlungen mit ihren Tierpräparaten, medizinischen und optischen Geräten, aber auch besonderem Schmuck, besonders geformter Steine, Spielautomaten, Himmels- und Erdgloben, soll ein Abbild der Welt dargestellt werden, an einem Ort, an dem Geschichte, Kunst, Natur und Wissenschaft zu einer Einheit zusammengeführt werden. So stellen sie gewissermaßen eine Frühform des des heutigen Museums dar.
Gibt es einen perfekteren Ausstellungsort dafür als die Gotische Halle? Nein.
Ausgangspunkt für die Künstlerin ist zunächst die Zeichnung. Schindlers Entwicklung führt dann über die Malerei zu Skulpturen und Reliefs, bis hin zu Rauminstallationen, die, wie hier in der Gotischen Halle, aus Arbeiten aus vorangegangenen Projekten neu arrangiert und zusammengefasst werden.
Eins von diesen Projekten ist das 2011 am „Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König“ gemeinsam mit zwei weiteren Künstlerinnen erarbeitete „Natura artis magistra“, bei dem einige der hier ausgestellten Zeichnungen, Skizzen und Schaukästen entstehen.
„Nascendo morimur MMXIV“/Installation 2014: Inspiriert durch das Gemälde des Niederländers Marten van Heemskerek (1540), das die Vergänglichkeit des Lebens in Gestalt eines kleinen Kindes darstellt, mit aschfahler Haut, lebt dieses Kind überhaupt noch? entsteht eine Arbeit, die den Ablauf des Lebens in mehreren Stufen zeigt: Von der Geburt an - symbolisiert durch Straußeneier - bis hin zum Tod, für den die Widder-Schädel im oberen Regalbrett stehen. (Solche Motive der Sterblichkeit dienen im Barock als bildliche Mahnung gegen das vergebliche Streben nach vergänglichen irdischen Gütern und sollen auch im glücklichsten Moment die Anwesenheit des Todes vor Augen führen).
„Nascendo morimur“, in etwa „geboren, um zu sterben“, begegnet uns als Motiv auch in der Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament: Die Drei Weisen aus dem Morgenland bringen zur Geburt Christi als Geschenke Weihrauch, Myrrhe und Gold, wobei die Myrrhe ein Bestandteil der Salbe ist, mit der Tote einbalsamiert werden, und so also ebenfalls die Anwesenheit des Todes im Moment der Geburt symbolisiert.
Mit ihrer Arbeit „Isola I“ (links) zeigt uns Anja Schindler einen Ausschnitt aus der Welt, in die sie sich während ihrer Reisen begibt, wie zuletzt im Januar 2016 nach Ägypten. So entsteht aus verschiedensten eingesammelten Dingen wie Wüstensand, einer eingelegten Schlange, eine eigens für diesen Ausstellungsort angefertigte Installation. Sie erschafft durch die Zusammenführung der Elemente Mensch, Natur und Kunst in dieser Wunderkammer einen Ort des Entdeckens, des Staunens.
Unsere Empfehlung: Unbedingt hingehen! Am besten mehrmals. Demnächst gibt es auch einen Ausstellungskatalog zu kaufen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 20. April 2016 in der Gotischen Halle des Schlosses. Der Eintritt ist frei.
Anja Schindler
1963 geboren in Bremen
1984-86 Studium der Kunstpädagogik an der Universität Bremen
1986-92 Studium an der Hochschule für Künste Bremen
1990 Auslandssemester an der Accademia di Belle Arti, Perugia/Italien
1992 Übersiedlung nach Mercatale di Cortona/Arrezzo, Italien
2006 Umzug nach Klotten/ Rheinl.-Pfalz
seit 2010 Künstlerische Leitung der JUKUSCH Jugendkunstschule Cochem-Zell