Ostumgehung – Oberverwaltungsgericht hat nur einen Einwand

Die Ostumgehung ist ein Projekt aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, als mit individueller Mobilisierung nur „Fortschritt“ und „Freiheit“ verbunden wurde. Zäh hält sich dieser Mobilitätswahn bis in die heutigen Tage. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist dafür genauso ein Beleg wie das im April ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (OVG) zum dritten Teil der Celler Ortsumgehung.

Zwar verkündete das OVG, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Mittelteil – also die Querung der Aller durch ein FFH-Gebiet – „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ ist. Leider ist die Begründung neo-salomonisch und gibt kaum Anlass, auf ein endgültiges Scheitern zu hoffen. Bemängelt wird nämlich einzig „ein Verstoß gegen den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)“. Es könne nicht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen werden, „dass das Risiko von betriebsbedingten Tötungen von im Wirkraum des Vorhabens vorkommenden Fledermausarten durch Kollisionen mit dem Straßenverkehr nicht in signifikanter Weise erhöht wird.“ Kurzum: Trotz der zwischenzeitlich aufwändigen Änderungen, die sogenannte Fledermausbrücken vorsehen, ist der Artenschutz nicht gewährleistet.

Alle anderen Einwände und Bedenken der Kläger*innen wies das OVG ab. Das wiederum lässt die Chefetagen von Rathaus und Kreisverwaltung ebenso jubeln wie die Abgeordneten von CDU/SPD/FDP. Wenn dort noch keine Sektkorken knallten, so deshalb, weil 1.) die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt und 2.) die Fachkompetenz der planenden Behörde trotz des bekannten Problems nicht ausreichte, in den vergangenen drei Jahren einen gerichtsfesten Lösungsweg hinzubekommen.
Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) allerdings gab sich sehr optimistisch: „Das Gericht hat die wesentlichen Teile des Planfeststellungsbeschlusses zur Ortsumgehung Celle bestätigt. Einziger gerügter Fehler ist eine zu gering bemessene Querungshilfe für Fledermäuse. Dies erfordert nach Einschätzung aller Fachleute kein ganz neues Planfeststellungsverfahren. Notwendig ist nur ein Ergänzungsverfahren, um das Problem zu lösen. Die Ortsumgehung ist für dieStadtentwicklung Celles von höchster Bedeutung. Wir sind zuversichtlich und werden mit Hochdruck daran arbeiten, dass wir bis zum Ende dieses Jahres für den Mittelteil der OU Celle Baurecht schaffen werden.“

Das OVG ließ keine Revision zu. Das heißt: Für wesentliche Aspekte der Kritik an der Ostumgehung ist der Rechtsweg an ein Ende gekommen.

Privatpersonen und der BUND Niedersachsen haben allerdings jetzt eine Stellungnahme zum Bundesverkehrswegeplan abgegeben, die eine „Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung“ anmahnt. Diese ist im Prinzip weitergehend als die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Planfeststellung, am Ende aber steht nur eine politische Entscheidung, die keine gerichtliche Überprüfung vorsieht.

Hier einige der vorgebrachten Einwände:

Die Zuwächse der Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr auf der Straße sind gegenüber der vorherigen Prognose 2007 stark reduziert (statt 80 Prozent Wachs­tum bis 2030 auf 40 Prozent). Der Rückgang der Verkehrsmengen in Celle wird im aktuellen BVWP nicht berücksichtigt. Die Ortsumfahrung ist überhaupt nur dann sinnvoll, wenn sie den Verkehr in der Stadt Celle zumindest halbiert. Das ist aber gar nicht der Fall, die Entlastungswirkung beträgt nicht ein­mal 20 Prozent und die ist dann mit verlängerten Wegstrecken und entsprechend mehr Emissionen jedweder Art verbunden.

Im Laufe der letzten 10 Jahre wurden mit der Biermannstraße und der Erweiterung der zentralen Allerbrücke zwei innerörtliche Projekte realisiert, die eine erhebliche Entlastung bewirken. Die vor dem Planfeststellungsbeschluss 2011 erhobenen Verkehrszählungen berücksichtigen diese Entlastung nicht entsprechend.

Wegen der hohen Umweltrisiken wurden für den dritten Abschnitt Ergän­zungen im Planfeststellungsverfahren mit einer erheblichen Verteuerung (von 36 Mio.€ auf 58 Mio.€) erforderlich. Deshalb ist die Nutzen-Kosten-Analyse nicht aktuell und nicht nachvollziehbar.

Mit dieser Neubautrasse wird den Zielen „Begrenzung des zusätzlichen Flächenverbrauchs“ und „Vermeidung von weiterem Verlust unzerschnittener Räume“ nicht entsprochen.

Weiter heißt es in einer der eingereichten Stellungnahme als Fazit zu dem Projekt Ostumgehung:

  • Es nimmt Flussauen in Anspruch, die als FFH-Gebiete ausgewiesen sind.
  • Die Durchfahrung im Trassenkorridor von mehreren Überschwemmungsgebieten ist nicht mit dem § 31 b WHG [Wasserhaushaltsgesetz] verein­bar.
  • Dem Klimaschutz wird durch die Zerschneidung und die Umwegigkeit nicht gedient, z.B. längere Fahrtstrecke und die Umwege innerhalb der Stadtteile z.B. von Lachtehausen nach Oster­loh.
  • Die Biodiversität nimmt Schaden durch die Verinselung des Oberallergebietes, wo der gene­tische Austausch nicht mehr gegeben ist.
  • Der wichtigste stadtnahe Naherholungsbereich Oberaller wird entwertet.
  • Die Ökosystemdienstleistungen (gesunde Böden, sauberes Wasser, intaktes Klima, unzerschnittene Erholungsräume) sind für uns Menschen überlebenswichtig, zu erhalten und sind daher zu honorieren.
  • Statt möglichst viele Straßen zu bauen, muss der Verkehr besser gelenkt und gemanagt, verlagert und vermieden werden. [...]

Leider haben diese Argumente und diese Sicht auf Zukunft im lokalpolitischen Raum so gut wie keinen Rückhalt. Die Bündnisgrünen haben sich mit der rot-grünen Regierungsbildung in Hannover vor drei Jahren als Gegner verabschiedet, so dass einzig Die Linke noch in Opposition zu dem Projekt steht (allerdings ohne dies zu einem Schwerpunkt ihrer politischen Agenda zu machen).
Der Widerstand wird weiter im Wesentlichen von der Kreisgruppe des BUND getragen werden müssen.

Das Schild "Naturschutzgebiet Obere Allerniederung" steht übrigens keine 100 Meter entfernt von der geplanten Trasse. So ist es um den Vorrang von Natur und Landschaft bestellt ...

 

Auszug aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg vom 22.04.2016

[…] Der Planfeststellungsbeschluss ist im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt. Es besteht unter verkehrlichen Gesichtspunkten ein Bedarf für die Ortsumgehung. Verstöße gegen europäisches Habitatschutzrecht liegen nicht vor. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass einzig der betriebsbedingte Eintrag von Stickstoffverbindungen in Waldbestände eines geschützten Lebensraumtyps zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets Nr. 90 führt. Für das danach grundsätzlich schutzgebietsunverträgliche Vorhaben sind die Voraussetzungen für eine Zulassung im Ausnahmewege erfüllt. Das Projekt ist aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig und es gibt keine zumutbaren Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen. [...] Weitere artenschutzrechtliche Verbotstatbestände sind nicht erfüllt. Insbesondere sind das artenschutzrechtliche Störungsverbot und das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot im Hinblick auf die im Wirkraum des Vorhabens vorkommenden europäischen Vogelarten nicht erfüllt. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie liegt nicht vor. Es ist nicht mit vorhabenbedingten Beeinträchtigungen der Oberflächenwasserkörper und Grundwasserkörper zu rechnen. Schließlich ist auch das fachplanerische Abwägungsgebot nicht verletzt. Die Betroffenheiten durch Lärm und Schadstoffe wurden erkannt und rechtsfehlerfrei abgearbeitet. Abwägungsfehlerfrei erweist sich insbesondere auch die Behandlung der Belange des Hochwasserschutzes, der Wegeverbindungen, des Denkmalschutzes und der Jagd. [...]