Mit Munitionsfabriken in Saudi-Arabien und Italien werden Exportrichtlinien unterlaufen
Im vergangenen September kritisierte Rheinmetall-Chef Armin Papperger bei einem Vortrag in Berlin die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung als zu rigide. Die Rüstungsunternehmen würden einen beträchtlichen Teil ihrer Umsätze über Exporte machten und könnten noch viel mehr verdienen, wenn da nicht die vergleichsweise restriktiven deutschen Exportrichtlinien wären. Dadurch blieben deutsche Rüstungsfirmen bei der Auftragsvergabe regelmäßig außen vor. Dass Rheinmetall keine Probleme hat, Auswege jenseits der Exportrichtlinien zu finden, zeigen zwei Enthüllungen aus jüngerer Zeit.
Munitionsfabrik in Saudi-Arabien
Rheinmetall betreibt mit einem staatlichen südafrikanischen Partnerunternehmen eine neue Munitionsfabrik in Saudi-Arabien. Öffentlich bekannt wurde dieses Geschäft, als Südafrikas Präsident Jacob Zuma das Projekt zusammen mit dem saudischen Kronprinzen und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman al-Saud während eines Besuchs in der Golf-Monarchie Ende März besichtigte. (Foto)
Die Fabrik wurde von der staatlich saudischen Military Industries Corporation südlich von Riad in Al-Kharj gebaut, jedoch von Rheinmetall Denel Munition betrieben. An dem Joint Venture mit der südafrikanischen Rüstungsschmiede Denel hält Rheinmetall einen Mehrheitsanteil von 51 Prozent. Laut eigener Darstellung gehören zum Produktfolio von Rheinmetall Denel Munition etwa Munition für Artillerie, Mörser, Flugzeugbomben sowie Flugkörper-Subsysteme. In Saudi-Arabien laufen unter anderem Artilleriemunition und Bomben vom Band – der IS dürfte ein fester Abnehmer der Artilleriemunition werden.
Da Saudi-Arabien derzeit im Jemen Krieg führt und dafür unter scharfer internationaler Kritik steht, bezeichnet der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Die Linke) das Projekt als „absoluten Wahnsinn“. Außerdem fordert er die Bundesregierung auf, den Fall genau zu prüfen. Sollte es nämlich zum Technologietransfer zwischen Rheinmetall und den Saudis gekommen sein, wäre der Deal genehmigungspflichtig, auch wenn er offiziell über Kapstadt läuft. „Rheinmetall bereichert sich gerade an den Toten im Jemen“, sagte der Linke-Politiker. Sogar der Schweizer Börsenbrief „the investor“ bezeichnet das Geschäft als „ethisch bedenklich“.
Rheinmetall hatte Denel Munition im Jahr 2008 von der südafrikanischen Staatsholding Denel Ltd. übernommen. Die Düsseldorfer begründeten die Übernahme damals mit der Erschließung neuer Märkte in Afrika, dem Mittleren Osten und Südamerika.
Die Kunden: Befreundete Staaten
Im März berichtete der Bayerische Rundfunk über den Einsatz von Bomben beim Krieg Saudi-Arabiens gegen Jemen, die über einen kleinen Umweg die Kassen von Rheinmetall füllen. Ein Sprecher von Human Rights Watch berichtete, dass bei den Angriffen Saudi-Arabiens auf Wohngebiete, Schulen und Krankenhäuser (siehe Foto unten) auch die Bombe MK83 eingesetzt worden sei. Hersteller: RWM Italia, ebenfalls eine Tochter der deutschen Rheinmetall AG.
Auf der Internetpräsenz von Rheinmetall ist zu lesen: „RWM Italia S.p.A. ist auf die Entwicklung und Produktion von Systemen zur Seeminenbekämpfung, mittel- und großkalibriger Munition sowie Gefechtsköpfe spezialisiert. Das Unternehmen verfügt über eine herausragende Gesamtkompetenz im Bereich Explosivstoffe und Munition. Neben den Beschaffungsbehörden Italiens zählen bereits seit Jahrzehnten zahlreiche NATO-Länder sowie befreundete Staaten zu den Kunden der RWM Italia. Neben dem Firmensitz in Ghedi, Norditalien, verfügt das Unternehmen über eine Fertigungsstätte in Domusnovas, Sardinien.“
Für das Rüstungsexportgeschäft über die Bande Italien interessierten sich deutsche Medien weder vor noch nach der „Report“-Sendung. International wurde der Deal bereits seit Juni 2015 aufgedeckt. Investigativ unterwegs war dabei „Reported.ly“, ein Nachrichtenservice, der zu „First Look Media“ gehört, einem Journalismus-Unternehmen, das von Ebay-Gründer Pierre Omidyar finanziert wird.
Bausätze für Bomben
Die Recherche dokumentiert die Herstellung und Verschiffung von Bombenteilen aus der Europäischen Union in die Vereinigten Arabischen Emirate. „Reported.ly“ waren von einer Gruppe Unterlagen zugespielt worden, die sich „Yemen Cyber Army“ nennt und nach eigener Aussage im Mai 2015 das saudi-arabische Außenministerium gehackt hatte. In einer deutschen Übersetzung der Reportage von Malachy Browne durch „Krautrepor-
ter.de“ liest sich die Kurzfassung so:
„Dokumente [...] belegen, dass vor Kurzem Bomben-Teile von Genua aus über Saudi-Arabien zum Hafen von Jebel Ali in Dubai verschifft wurden. Auf dem Landweg gelangten sie dann zur Endfertigung nach Abu Dhabi. Hersteller der Bomben-Komponenten ist die RWM Italia S.p.A. auf Sardinien, ein Tochterunternehmen der deutschen Rüstungsfirma Rheinmetall AG. Die Unterlagen zeigen, wie europäische Waffen in einen Krieg gelangen können, der tausende Kilometer weit weg Menschen tötet. Bei den Bombenkomponenten handelt sich um „Bausätze“ für MK82- und MK84-Modelle. Der Zusammenbau der Bomben erfolgt durch die Rüstungsfirma Burkan Munitions Systems (Teil der Tawazun Holding, Vereinigte Arabische Emirate) für die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate, die sich zusammen mit mehreren anderen arabischen Streitkräften unter Führung Saudi-Arabiens seit März an Bombardierungen der Huthi-Rebellen in Jemen beteiligen.“
Weiter heißt es dort:
„Reported.ly konnte Export-Lizenzen im Wert von mehr als 100 Millionen Euro einsehen, die RWM Italia seit 2012 für Exporte von MK82/83/84-Bomben und anderen Waffen und Munition erteilt wurden. Waffen im Wert von Millionen von Euro wurden allein 2012 nach Australien und Saudi-Arabien geliefert. Die jetzt Reported.ly vorliegenden Dokumente belegen Exporte auch in die Vereinigten Arabischen Emirate: Italien hat in den Jahren 2013 und 2014 Export-Lizenzen für große Mengen an MK83-Bomben-Komponenten erteilt – diese Bomben wurden von Human Rights Watch in Jemen gefunden – darunter ein Vertrag zur Lieferung über 62 Millionen Euro für 3.650 Bomben. Allerdings führen die für 2013 und 2014 von Italien erteilten Lizenzen kein Bestimmungsland auf. Bis 2012 gehörte Burkan Munitions Systems zur Rheinmetall-Gruppe, aber auch nach deren Ausstieg bleibt Burkan „abhängig von europäischer Technologie“ zur Herstellung von Bomben, meint Pieter Wezeman vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).“
3.000 Tote im Jemen
Human Rights Watch hat den Einsatz dieser Bomben mit Geo-Tag-Fotos während der Invasion Saudi-Arabiens und Katars im Jemen bestätigt. Über 2,5 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben seit Beginn der Militärintervention bis Dezember 2015 zum Verlassen ihrer Häuser als Binnenflüchtlinge gezwungen worden; über 3.000 Menschen wurden getötet – auch mit deutschen Waffen.
Armin Papperger mag sich bisher zu den beiden Geschäften nicht äußern, auch die Bundesregierung schweigt, bis auf Jan van Aken gibt es keine Kommentare von Politiker*innen – aber die Medien fragen bisher auch nicht wirklich.
Quellen: Malachy Browne: In Europa produziert, im Jemen explodiert – welchen Weg Bomben hiesiger Rüstungshersteller nehmen - https://krautreporter.de/787--in-europa-produziert-im-jemen-explodiert-welchen-weg-bomben-hiesiger-rustungshersteller-nehmen
Karl Hoffmann: Bombengeschäfte mit Saudi-Arabien. Die widersprüchliche EU-Rüstungsexportpolitik - http://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/ruestungsexporte-saudi-arabien100.html
***
"Verbessertes Makroumfeld"
Im Geschäftsjahr 2015 hat der Rheinmetall-Konzern einen Umsatz von 5.183 Mio. EUR erzielt und den Konzernumsatz um 11% auf erstmals über fünf Milliarden EUR gesteigert. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag mit 287 Mio. EUR signifikant über dem des Vorjahrs. Der Unternehmensbereich Defence hat dabei - wie es in der Pressemitteilung heißt - „den Turnaround geschafft und beim Umsatz erheblich zugelegt. Der Bereich erzielte im vergangenen Geschäftsjahr Erlöse von 2.591 Mio. EUR, was einem Wachstum von 16% entspricht (2014: 2.240 Mio. EUR).“ Deshalb gab's pro Aktie in diesem Jahr eine Dividende von 1,10 Euro (im Vorjahr "nur" 0,30 EUR). Armin Papperger, der Vorstandsvorsitzende der Rheinmetall AG: „Auf der Defence-Seite verbessert sich das Makroumfeld – speziell auf unseren Heimmärkten. Die internationale Konfliktlage veranlasst viele Staaten, wieder mehr für ihre Streitkräfte auszugeben.“