Mehr Regulierung – aber kein Verbot
Im Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetzespaket zum Fracking. Zwei Wochen vor der Bundestagsentscheidung hatten der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) und der Niedersächsischen Wirtschaftsministers Olaf Lies (SPD) mit der Aufkündigung des faktischen Fracking-Moratorium in Niedersachsen enormen Druck aufgebaut. Herausgekommen ist ein Gesetz, das die Umweltstandards beim Fracking in konventionellen Lagerstätten verbessert und im Prinzip ein Verbot des unkonventionellen Frackings, also der Förderung in Schiefergestein, verankert. Bei Zustimmung des betroffenen Bundeslandes werden aber bis zu vier sogenannte „Erprobungsmaßnahmen“ zugelassen. In fünf Jahren soll der Bundestag dann eine Bewertung der Angemessenheit dieses Verbots vornehmen. Zustimmung fand das Gesetz bei den Parteien der Regierungskoalition, CDU/CSU und SPD, abgelehnt wurde es von Bündnis '90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke.
Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden befand: „Die Industrie hat genau das Gesetz bekommen, das sie wollte.“ Christoph Löwer, Hauptgeschäftsführer des BVEG, war dann auch nicht gerade unglücklich: „Die traditionelle Erdgasförderung hat mit der Verabschiedung des Gesetzes wieder eine Perspektive in Deutschland.“ Selbstverständlich aber fand er: „Das Verbot der unkonventionellen Erdgasförderung und die Einschränkungen für Forschungsprojekte sind dagegen nicht nachvollziehbar. [...] Das ist ein schlechtes Signal für eine Industrienation wie Deutschland, die von Innovationen lebt.“
Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) dagegen kritisiert: „Die Große Koalition täuscht die Bevölkerung. Geradezu bühnenreif präsentiert sie das Stück ‚Gutes Fracking – schlechtes Fracking“. Dazu benutzt sie die Fantasiebegriffe ‚konventionelles Fracking‘ und ‚unkonventionelles Fracking‘. Doch die Technik, die zur Ausbeutung verschiedener Gesteinsschichten verwendet wird, ist immer die Gleiche. Und gleich sind auch die Umweltschäden wie Grundwasserkontaminationen oder Erdbeben sowie die Gesundheitsbeeinträchtigungen. Das Ziel von SPD und CDU/CSU ist, die juristischen Hürden für Fracking-Vorhaben in Tight-Gas-Reservoirs aus dem Weg zu räumen. Aufsuchungserlaubnisse und Betriebspläne sollen die Rechtssicherheit bekommen, die sie bisher nicht haben.“
Die Celler Wahlkreis-Abgeordneten, Henning Otte (CDU) und Kirsten Lühmann (SPD), stimmten dem Gesetz zu. Otte gab eine persönliche Erklärung zu Protokoll. Er erachte die gefundene Regelung trotz seiner Zustimmung kritisch, „weil die technische Fortentwicklung zur Gewinnung von Energie als auch zur Verbesserung der Umweltbedingungen mit lediglich vier Bohrungen als nicht ausreichend gesichert erscheint.“
Überschwängliches Lob erhielt zwischenzeitlich die Celler Ratsfraktion „Die Unabhängigen“ auf der Lobbyisten-Seite „Erdöl und Erdgas in Deutschland“ für eine von ihr durchgeführte Podiumsdiskussion am 14. Juni in der CongressUnion. „Die Unabhängigen“ hatten vorher schon eine Ratsresolution angeregt, in der ursprünglich die Zulassung jeglicher Form des Fracking gefordert wurde. (Die letztlich verabschiedete Fassung forderte den Bundestag nur noch auf, überhaupt zu gesetzlichen Regelungen zu kommen.) Mit auf dem Podium auch Michael Kosinowski von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Deren Gutachten „Schieferöl und Schiefergas in Deutschland - Potenziale und Umweltaspekte“ diente zur Begründung des ursprünglichen Resolutionsentwurfs. Anfang Juli kam heraus: Seit den 1980er Jahren wird die BGR von der Industrie gefördert, so z.B. bei einer Studie, die Zweifel an Gorleben als Endlager zerstreuen sollte.
In der Celler Öffentlichkeit wurde das Gesetzespaket trotz der enormen Bedeutung der Unternehmen der Erdöl- und Erdgas-Serviceindustrie kaum kommentiert. „Es ist eine Entscheidung in die richtige Richtung. Sicherlich wird es die heimische Industrie langfristig zum Teil positiv beeinflussen, aber sicherlich auch keinen Boom auslösen", meinte Wolfgang Genannt vom Celler Hightech-Netzwerk GeoEnergy gegenüber der CZ. Und weiter: „Einen Boom könnte es nur dann geben, wenn das Bohren im Schiefergas möglich sein würde.“ Daran werden die Fracking-Lobbyisten dann die nächsten fünf Jahre beharrlich arbeiten.