Events nur noch für touristische »Best Ager«

Altstadtfest Celle?„In den bunten Strauß an Veranstaltungen, den wir zusammengestellt haben, würde gar kein Altstadtfest mehr hineinpassen", so die Chefin der Tourismus und Stadtmarketing Celle GmbH (TSC) Marianne Krohn im April gegenüber der CZ; und das soll auch für die Zukunft gelten. Zumindest die Ratsfraktion Die Linke/BSG will das nicht hinnehmen und regte einen »Runden Tisch« zum Thema an; auch die Celler Rockmusikinitiative wendet sich gegen eine Beerdigung des Altstadtfestes.

Schon zu ihrem Dienstantritt hatte Marianne Krohn ihren Linie klar definiert: „Mit einem werthaltigen und qualitätsorientierten Angebot im Kulturtourismus zielt unser Angebot in erster Linie auf die sogenannten »Best Agers«. Damit wird ein zahlungskräftiges, Kultur- und Genuss affines Publikum mittleren Alters adressiert, welches bereit ist, für besondere Erlebnisse auch einen etwas höheren Preis zu zahlen.“ (CZ, 08.10.2011)

Dergestalt sieht dann der „bunte Strauß an Veranstaltungen“ aus, in den kein Altstadtfest hineinpasst: ein Kunst- und Handwerkermarkt im Mai, Anfang Juli eine »Britische Woche« mit »Big Tattoo«, selbstverständlich der »Weinmarkt« und im August eine »Fête Française« mit Markt, Kulinarischem und Kleinkunst. Nun mag es durchaus ein vertretbares touristisches Konzept sein, die Pensionärspaare Niedersachsens nach Celle zu locken. Aber: Wenn die TSC sich so neu »ausrichtet« und für das Altstadtfest nicht mehr zuständig fühlt, sollten Politik und Verwaltung auf die entstehende Lücke reagieren.

Doch bisher hat einzig die Ratsfraktion Die Linke/ BSG reagiert.
Oliver Müller, BSG - Bündnis Soziale GerechtigkeitOliver Müller (BSG): „Es kann doch nicht ernsthaft argumentiert werden, ein Altstadtfest passe nicht zwischen Kunst- und Weinmärkte. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn die TSC GmbH sich für Celles Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zuständig fühlt, denn darum geht es beim Altstadtfest, dann ist das jetzt immerhin eine klare Ansage.“ Die Art und Weise, wie die TSC-Chefin eine beliebte Traditionsveranstaltung wie das Altstadtfest schlecht rede, könne er nicht nachvollziehen: „Aber das ist wahrscheinlich die Konsequenz eines Konzepts, dass auf ’Klasse statt Masse’ setzt.“ Die Ratsfraktion Die Linke/BSG hat deshalb angeregt, dass die Stadt als Moderator jetzt Kulturveranstalter und andere wichtige Akteure an einen Tisch holen soll, um spätestens im nächsten Jahr eine Neuauflage des Altstadtfestes zu etablieren. Oliver Müller: „Es gibt inzwischen sowieso eine Szene, die mehr Ahnung davon hat, was die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt gern haben und die dabei nicht nur auf touristische Effekte schielen.“ Aber auch die Stadt sieht er in der Pflicht: „Dabei geht es in erster Linie um die Gewährleistung einiger technischer Voraussetzungen. Vielleicht spielt Geld gar nicht eine so große Rolle, wenn rechtzeitig mit Sponsoren gesprochen wird. Und es muss für ein Stadtfest auch nicht unbedingt sein, irgendwelche Pop- Acts zu engagieren. Das erforderliche Flair kommt mit Sicherheit auch oder mehr noch durch regionale Bands.“

Bernd Zobel, Bündnis 90/Die GrünenBernd Zobel (Grüne), Aufsichtsratsvorsitzender der TSC, bezichtigte Müller der „Unwissenheit“ und des „Populismus“. Dieser habe ein „verklärtes Bild" vom Altstadtfest: „Wenn es denn so eine beliebte Traditionsveranstaltung gewesen sein soll, dann stellt sich doch die Frage, warum sie absolut defizitär gewesen ist und viele Besucher nicht bereit waren, sie durch einen kleinen Obolus zu unterstützen. Es gab und gibt augenblicklich kein solides Finanzierungskonzept für ein Altstadtfest.“ (CZ, 28.04.2012)

Die Frage der Finanzierbarkeit stellt sich zu Recht, aber selbstverständlich gibt es keinerlei Zusammenhang zwischen Beliebtheit und der nachvollziehbaren Weigerung, für ein Altstadtfest einen »Eintritt« zu bezahlen.

Bei den Altstadtfesten der letzten Jahre ist ein unangemessen hoher Aufwand betrieben worden; das betraf zum einen die Bühnentechnik, zum anderen aber auch die Gagen für »Zugpferde«, die niemand braucht (während die lokalen Bands teilweise mit Mikro-Gagen abgespeist wurden). So gesehen war es auch ein Stück »Größenwahn «, der die Kosten aus dem Ruder laufen ließen.

Mit den Einnahmen aus Getränkekonzessionen lässt sich in jedem Fall ein spannendes und auch kulturell hochwertiges Altstadtfest durchführen. Genau das will auch die Celler Rockmusik-Initiative; sie macht sich für ein „kleines sympathisches und auch finanzierbares Fest" stark, ohne strittigen Eintritt und vor allem mit regionalen Bands. Jetzt geht es darum, die Akteure zusammenzubringen, die für 2013 wieder ein Altstadtfest auf die Beine stellen. Das Potenzial ist vorhanden. Das Publikum auch: Bei einer – nicht repräsentativen – Umfrage der CZ wollten 81 % der Teilnehmer_innen, dass es 2012 „in Celle auf jeden Fall ein Stadtfest geben“ soll.