Oberbürgermeisterwahl mit knappem Ausgang

Wer hat bei der Oberbürgermeisterwahl in Celle die meisten Stimmen bekommen? Der Amtsinhaber Dirk-Ulrich Mende. Er erhielt im ersten Wahlgang 14.379 Stimmen. In der Stichwahl reichten dem CDU-Kandidaten Jörg Nigge 14.134 Stimmen, um dann im Februar 2017 den Chefsessel im Rathaus besetzen zu können.

Jeweils gerade mal ein Viertel der Wahlberechtigten sah sich aufgefordert, einem der beiden Kandidaten die Stimme zu geben. Alle anderen mochten zur Stichwahl nicht erneut ins Wahllokal gehen. Damit haben wir eins der gravierenden Probleme repräsentativen Demokratieformen: Drei Viertel der Wahlberechtigten halten nichts vom neuen Oberbürgermeister – oder es ist ihnen schlicht egal, wer den Job macht.

Als die CDU ihren Kandidaten im vergangenen Januar aus dem Hut zauberte, war die Hoffnung von CDU-Fraktionschef Heiko Gevers durchaus nachvollziehbar: „Wenn wir mit dem die Wahl nicht gewinnen, brauchen wir gar nicht mehr anzutreten.“ Nach dem Plagiatsskandal aber stand da ein nackter Herausforderer, ohne eigene Ideen und mit dem einzig identifizierbaren Wunsch, Karriere und Kohle zu machen (ein Pony fürs Töchterchen). Die CDU und zahlungskräftige Unterstützer*innen aus der Wirtschaft hielten dennoch an ihrem Kandidaten fest. Warum auch nicht? Nach diesem Wahlkampf kann ist es mit der Unabhängigkeit des Oberbürgermeisters nicht mehr weit her, erst einmal gilt es Verpflichtungen zu befriedigen.

Interessant ist eine Analyse der jeweiligen Hochburgen der Kandidaten, auch weil es zumindest einen eindeutigen Indikator gibt: Mende liegt vorn in Wahlbezirken mit hohem Anteil von Mietwohnungen, Nigge in Wahlbezirken mit Eigenheimen. D.h. gleichzeitig: Je weiter entfernt vom Stadtkern das Wahllokal liegt, desto besser werden Nigges Ergebnisse.

Warum hat Mende in der Stichwahl verloren? Im ersten Wahlgang hatte er ja sogar über 2.000 Stimmen mehr als vor sieben Jahren. Auch ihm hat also die deutlich höhere Wahlbeteiligung zunächst genutzt. Dann aber hat die SPD es nicht geschafft, in ihren guten Bezirken die Wahlbeteiligung hoch zu halten. Mal zum Vergleich: In den für Nigge fünf besten Bezirken lag die Wahlbeteiligung zwischen 44 – 51 %; in den fünf besten Bezirken Mendes zwischen 24 – 29 %. Das zeigt eine eklatante Mobilisierungsschwäche der SPD, im ersten Wahlgang waren es dort 32 – 38 %. Der Rückgang der Wahlbeteiligung liegt hier um rund 2 %-Punkte höher als im Durchschnitt.

Mende hat seinen Wahlkampf im Nachhinein betrachtet zu defensiv und präsidial angelegt. Zukunft kam ziemlich schnell nicht mehr vor, sondern in den Fokus war einzig die Bilanz seiner bisherigen Arbeit. Klar: Bei der miserablen Haushaltslage lassen sich seriöserweise kaum Versprechen machen. Gravierender dürfte aber gewesen sei, dass er auf die negative Stimmung hinsichtlich der 10-jährigen Amtsdauer nicht reagiert hat. Ein Statement, dass in fünf Jahren für ihn Schluss sei, hätte zwar nicht unbedingt ihm mehr Stimmen gebracht, aber Nigge welche gekostet.

Warum hat ein Viertel der Bevölkerung sein Kreuz bei Nigge gemacht? Selbstverständlich gibt es viele Wähler*innen, die selbstbewusst darauf setzen, dass ein CDU-Oberbürgermeister ihre Interessen besser vertritt (also z.B. keine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer). Dann gibt es dieses nicht zu unterschätzende Potenzial weißer alter Männer, deren Ressentiment bei Tempo-30-Zonen beginnt und sich gegen jede – und sei es nur symbolische – „Gleichmacherei“ richtet. Die wählen gern auch AfD, aber vor allem hassen sie technokratische Modernisierer, wozu für sie der „Typ Mende“ gehört. Und schließlich hat die von den Medien unterstützte Kampagne unter dem Motto „Neu Besen kehren gut“ wohl bei vielen Wähler*innen gefruchtet, die sich nicht wirklich mit Kommunalpolitik befassen.