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Selbstverständlich ist die Abscheu über Terroranschläge wie den in Berlin normal, und selbstverständlich ist es normal, sich über Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe (egal wo und egal, welcher Herkunft der Täter ist) zu empören. Weniger normal ist, wenn die 5.022 Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind, kaum Empathie finden. Und gar nicht normal ist, dass die sogenannte Ausländerkriminalität mehr Aufmerksamkeit findet als die mindestens 921 Attacken auf Flüchtlingswohnheime.

Der AfD und ihren rassistischen Fußtruppen ist eine Umkehr der öffentlichen Diskussion gelungen. Fragen der Integration treten in den Hintergrund, der Ruf nach Abschiebung ganzer Gruppen tritt in den Vordergrund – auch im lokalen Raum.

Die CSU hat die Losung ausgegeben: „Das Jahr 2017 muss im Zeichen der Rückführungen stehen.“ Nun gibt es in Deutschland immer noch rechtsstaatliche Verfahrensregeln, auch wenn diese inzwischen bis auf ihren Kern zerstört sind. Wer diese Wege geht, bekam im Januar von der CZ vorgehalten: „Abgelehnte Asylbewerber tricksen bis zuletzt.“ (07.01.2017)
Worin sollen diese Tricks bestehen? Zum Beispiel darin, dass die sogenannten Ausreisepflichtigen krank sind – was zu der Vermutung führt, „sie besorgten sich Atteste, um der Abschiebung zu entgehen.“ Bundesinnenminister de Maizière beklagte im Herbst: „Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden.“ Die Zahl hatte er sich schlicht ausgedacht. Wie sein Ministerium einräumen musste, gibt es dazu keine Statistik. Postfaktische Zeiten halt.

Und die CZ griff eine weitere Äußerung de Maizière vom letzten Sommer auf. Ohne jeden Beleg fabulierte er von einer „besonders dreisten Masche“: Flüchtlinge – so jetzt auch die CZ – „begingen kurz vor dem Abflug-Termin Straftaten und ließen sich dabei vorsätzlich erwischen – in dem Wissen, dass ihre Abschiebung dann zunächst vom Tisch sei. Schließlich müssten die Täter erst einmal in Deutschland bestraft werden, bevor man an eine Repatriierung denken könne.“

Von einer „Masche“ weiß auch der städtische Pressesprecher Wolfgang Fischer zu berichten. Flüchtlinge würden zum Christentum konvertieren. Und weil ihnen dann im Herkunftsland Verfolgung drohe, würden sie nicht abgeschoben werden: „Die Masche ist nicht nur bei Afghanen bekannt. Auf Anhieb fällt mir Iran ein. Wenn die Taufe nachgewiesen wird, funktioniert das schon.“

Als weiteren Trick nennt Fischer, dass alleinstehende Asylbewerberinnen Kinder bekämen, „wo auf einmal ein deutscher angeblicher Vater auftaucht oder ein Ausländer mit Aufenthaltsrecht.“ Kaum zu glauben diese Hilfsbereitschaft, die immerhin mit der Zahlung von Alimenten in nicht unerheblicher Höhe verbunden ist.

Dass selbst die Einschaltung der „Härtefallkommission“ hier als Trick aufgeführt wird – also eine rechtlich in Niedersachsen mögliche Überprüfung – muss einen da  fast nicht mehr verwundern.

Es ist skandalös, wie ohne jegliche Form von Belegen, gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht wird. Aber da der Bundesinnenminister an der Spitze dieser Kampagne steht, ist haltlosen Verdächtigungen Tür und Tor geöffnet.
Neben Geflüchteten aus den sogenannten „sicheren“ Balkanstaaten, wird von Fischer auch die Abschiebung von Menschen aus Afghanistan erörtert: Unklar sei, wie es mit ihnen in Celle weitergehe. In der Tat sank die bereinigte Schutzquote von 77,6 % im Jahr 2015 auf 52,9 % im 1. Halbjahr 2016. Was aber längst nicht heißt, dass abgelehnte Asylbewerber*innen abgeschoben werden könnten, was auch Fischer einräumt: „Das Verwaltungsgericht Lüneburg ist wohl noch anderer Auffassung und erkennt noch einen vorübergehenden Abschiebungsschutz an.“ Was aber soll das zweimalige „noch“?

Auf jeden Fall führt es bei Betroffenen zu massiver Verunsicherung und auch (Ausbildungs-)betriebe werden bei Bewerber*innen aus Afghanistan ins Zweifeln kommen. In Deutschland wird wieder das gemacht, was man schon immer gut beherrschte: Menschen nach ihrer Herkunft sortieren.