Bündnis Umfairteilen - bundesweiter Aktionstag am 29. September

Foto: Jakob Huber/Campact

Eine stärkere Besteuerung großer Vermögen zur Finanzierung des Sozialstaats und notwendiger Reformen fordert das Bündnis „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“, zu dem sich Bündnis, dem sich neben attac, Gewerkschaften und Sozialverbänden auch Migrantenverbände, Jugend- und Studierendenorganisationen, die Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe, die NaturFreunde sowie weitere zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen haben. Erstmalig manifestiert sich damit eine breite gesellschaftliche Bewegung für eine Politik der Umverteilung in Deutschland. Das Bündnis warnt vor Kahlschlagkürzungen zu Lasten des Gemeinwesens und ruft zu einem bundesweiten Aktionstag am 29. September 2012 auf. (Die Eigentumsfrage »als solche« wird nicht gestellt, was aber bei den das Bündnis repräsentierenden Organisationen nicht verwundert.)

Auf der Pressekonferenz des Bündnisses sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes:

„Die Finanznot der öffentlichen Haushalte stellt mittlerweile nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch eine echte Bedrohung unseres Sozialstaates dar. In den Kommunen besteht ein Investitionsrückstand von rund 100 Milliarden Euro. Schulen, Sporthallen und Spielplätze sind vielerorts in marodem Zustand. Schwimmbäder, Büchereien und Theater werden geschlossen. Jugendzentren und Projekte in so genannten sozialen Brennpunkten sind genauso Opfer dieser Entwicklung wie Seniorentreffs oder familienunterstützende Dienste – Einrichtungen, die für die Lebensqualität in einer Kommune von zentraler Bedeutung sind. Echte Armutsregionen sind in Deutschland mittlerweile entstanden. Von gleichwertigen Lebensbedingungen, wie sie das Grundgesetz fordert, kann keine Rede sein.

Mit der Schuldenbremse wird sich die Situation dramatisch verschärfen. Alleine der Bund muss in den nächsten drei Jahren ein Defizit von 20 Mrd. Euro beseitigen. Auch in vielen Bundesländern sind die Aussichten düster: In Nordrhein- Westfalen beträgt das Defizit fünf Milliarden Euro, insgesamt 10 Prozent des gesamten Haushaltes. In Bremen sind es 27 Prozent und im Saarland sogar 32 Prozent des Haushaltes. In ihren Konsolidierungsbemühungen hat die Bundesregierung bisher fatalerweise fast ausschließlich auf Ausgabenkürzungen gesetzt. Verlierer dieser Politik waren vor allem Langzeitarbeitslose, arme Familien, Wohngeldbezieher und andere Hilfebedürftige. Die Konsolidierung des Haushalts wurde mit der immer tieferen Spaltung der Gesellschaft und der immer weiteren Ausgrenzung ohnehin benachteiligter Gruppen erkauft. Sollte dieser Weg so weiter gegangen werden, wird mittelfristig der gesamte Sozialstaat aufs Spiel gesetzt.

Fakt ist: Für die Umsetzung einer Pflegereform, die den Namen auch verdient, brauchen wir rund acht Milliarden Euro jährlich. Für die Einführung einer Zuschussrente zur notwendigen Vermeidung von Altersarmut geht selbst das Bundesarbeitsministerium mittelfristig von jährlichen Kosten in Höhe von 3,4 Milliarden Euro aus. Für eine verfassungsgemäße Ausgestaltung von Hartz IV, die nach wie vor aussteht, sind weitere fünf Milliarden Euro erforderlich. Dabei haben wir noch kein Wort verloren über die von allen erwarteten aber noch nicht bezifferten Mehrkosten beim Ausbau der Kindertagesbetreuung und noch keinen Cent mehr in Schulen oder Universitäten investiert.

Es geht um die Zukunft dieses Sozialstaates. Deutschland steht vor einer grundsätzlichen Richtungsentscheidung. Wenn wir nicht tatenlos zusehen wollen, wie die Spaltung in dieser Gesellschaft immer mehr Opfer fordert und der Sozialstaat vor die Hunde geht, hilft nur noch die Flucht nach vorne.

Wer diesen Sozialstaat weiter will, muss sich auch zu den damit verbundenen Mehrkosten bekennen. Und er muss sich schließlich auch für eine neue Verteilungspolitik aussprechen. Alles andere wäre die Quadratur des Kreises. Unseren Enkeln einen schuldenfreien Staatshaushalt zu hinterlassen, ist sicherlich ein anerkennenswertes Ziel. Ihnen aber gleichzeitig renovierungsbedürftige Schulen ohne Lehrer, geschlossene Schwimmbäder und kulturfreie Kommunen zu hinterlassen, kann nicht die Lösung sein. So unangenehm es ist und auch wenn es keiner hören will: Wir müssen die Verteilungsfrage jetzt und neu stellen.

Geld ist da. Deutschland ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt nach wie vor das viertreichste Land der Erde. Wir kommen angesichts der sozialen und demografischen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, nicht darum herum, sehr Vermögende zur Finanzierung der Lasten stärker als bisher heranzuziehen. Das heißt konkret: Große Vermögen, Erbschaften sowie hohe Einkommen müssen stärker besteuert werden als es derzeit der Fall ist. Es geht dabei nicht um Neid, sondern um soziale Gerechtigkeit. Es geht nicht um Klassenkampf, sondern um Vernunft.

Deutschland ist nicht nur Wirtschaftsstandort sondern vor allem Lebensstandort. Vom Teilen profitieren letztlich alle, auch die, die abgeben. Teilen ist nichts Unanständiges, sondern die Basis eines solidarischen Miteinanders. Wir alle leben besser und glücklicher in einer sozial gerechteren Gesellschaft. Hierüber aufzuklären und für eine neue Solidarität in Deutschland zu werben, ist Ziel des Bündnisses Umfairteilen.“