CDU-Ratsfraktion fordert Fahrradstraßen und Fahrradexpresswege

Fahrradfahren attraktiver machen – darauf können sich seit Längerem eigentlich alle verständigen. Schwierig wird es, wenn dadurch der PKW-Verkehr seine Privilegien einbüßen soll. Und im Alltag ist es sowieso schnell vorbei mit gegenseitigem Respekt.

Nachdem die Fraktion Die Linke/BSG vor kurzem einen zügigem Umbau der Kreuzungsampeln für einen flüssigeren Fahrradverkehr gefordert hat – und die Verwaltung auf laufende Planungen bzw. erste Schritte hingewiesen hat (siehe revista 83), fordert jetzt die CDU-Ratsfraktion ein Konzept für Fahrradstraßen:

„1. Ausbau der vorhandenen Fahrradwege an Hauptstraßen zu Hauptverkehrsrouten (Schnellverbindung) zur besseren Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt.
2. Ausweisung von Fahrradstraßen als Teil von Routenverbindungen insbesondere zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Schulumfeld.
3. Prüfung der Möglichkeiten zum Bau von Fahrradexpresswegen abseits von Straßen insbesondre bei Neubauprojekten.“

In der Begründung geht die CDU auf E-Mobilität und Klimaschutz ein:

„Der Trend zum Elektrofahrrad ist ungebrochen. Schätzungen zufolge wurden letztes Jahr ungefähr 566.000 Elektrofahrräder verkauft, das sind 22 % mehr als im Vorjahr. Es ist unverkennbar, dass der Radverkehr in naher Zukunft höhere Verkehrsanteile als der KFZ-Verkehr aufweisen wird. Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur hält mit dieser Entwicklung allerdings nicht mit. Eine Folge davon ist der bundesweite Anstieg von Verkehrsunfällen mit E-Fahrrädern. Als mögliche Ursache wird u.a. in vielen Fällen auch eine unzureichende Fahrradinfrastruktur ausgemacht.

Um die Attraktivität des Radfahrens in Celle weiter zu steigern und Celle zu einer fahrradfreundlichen Stadt zu entwickeln, ist die Anpassung der Fahrradinfrastruktur an die gegenwärtigen und zukünftigen Erfordernisse mit den o.a. Schwerpunkten zwingende Voraussetzung.

Neben den positiven Auswirkungen für den Klimaschutz wird auch Celle als Wirtschaftsstandort gestärkt, denn Wirtschaftsbetriebe machen ihre Standortfrage auch zunehmend von umweltschonenden Mobilitätsvoraussetzungen abhängig. “

Abgesehen davon, dass der Umstieg aufs Elektrofahrrad nur dann einen CO2-reduzierenden Beitrag liefert, wenn er vom Auto erfolgt, aber eben nicht beim Umstieg vom Fahrrad aufs E-Bike, ist die Begründung genauso optimistisch wie im Kern richtig.

Aber: Was ist eigentlich eine Fahrradstraße, wie sie die CDU in Punkt 2 fordert?

Die in Fahrradstraßen geltenden Vorschriften sind in der StVO (siehe lfd. Nr. 23) geregelt. Danach beträgt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit 30 km/h.  Das nebeneinander Fahren mit Fahrrädern ist erlaubt. Auch dann, wenn Kraftfahrzeuge dadurch nicht überholen können. Kraftfahrzeugführer haben dann ihre Geschwindigkeit an den Radverkehr anzupassen.

Kraftfahrzeuge dürfen Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch ein Zusatzzeichen angezeigt. Sind Kraftfahrzeuge zulässig, so sind sie lediglich geduldet und haben sich an den Radverkehr anzupassen. Ein Überholen ist nur zulässig, wenn ein seitlicher Sicherheitsabstand von 1,50 m eingehalten werden kann.

Für Celle wäre es eine kleine Revolution, wenn wirklich ein relevanter Anteil der Straßen als „Fahrradstraße“ ausgewiesen würde. Ein schöner Anfang wäre, den gesamten Altstadtbereich als „Fahrradstraße“ auszuweisen – selbstverständlich zunächst unter Zulassung des KFZ-Verkehrs. (Dafür könnte vielleicht ja auch „Critical Mass“ mal wiederbelebt werden.)

Den „Fahrradexpressweg“, wie ihn die CDU unter Punkt 3 fordert, gibt es in dieser Begrifflichkeit in der Straßenverkehrsordnung gar nicht. Benutzt wird er nur in einigen wenigen Städten und Gemeinden, darunter Köln. Dort beschreibt eine Bürgerinitiative das Konzept so:

„Ziel des Projekts ist, das vorhandene innerstädtische Radwegenetz durch übergeordnete RadExpressWege zu ergänzen. RadExpressWege sind markierte und beleuchtete Schutzstreifen für Radfahrer, die so breit wie eine Autofahrspur sind. Sie sind mindestens fünf Kilometer lang, haben Vorfahrt an Kreuzungen und erste Priorität im Winterdienst. RadExpressWege sollen auf bereits bestehenden Autostraßen eingerichtet werden.“

Derart paradiesische Zustände kann die Celler CDU nicht meinen, also geht es ihr wahrscheinlich um „Radschnellwege“. Was in den Niederlanden und in Belgien tatsächlich schon zum Standard gehört, ist in Deutschland überwiegend erst im Planungsstadium. In Niedersachsen gibt es ein Pilotprojekt in Göttingen.

Konzeptionell sollen Radschnellverbindungen wenigstens fünf Kilometer lang sein und Geschwindigkeiten von mindestens 30 km/h erlauben. Die Breite bei Zweirichtungsradwegen sollte erlauben, dass zwei Fahrräder nebeneinander fahren und ohne Störung durch ein drittes Fahrrad überholt werden können bzw. Gegenverkehr möglich ist.

Angesichts der nicht unbeträchtlichen Baukosten wären in Celle sinnvollerweise andere Prioritäten abzuarbeiten – aber sich mal an eine Pilotplanung zu machen, die die Anbindung einer Landkreisgemeinde, z.B. Winsen oder Lachendorf ins Auge fasst, wäre spannend.

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Konflikt auf der Straße: Der Fahrradkrieg - Wem gehört die Stadt?

Die Initiative “Land in Sicht – Transition (LIST)“ zeigt am Donnerstag, den 20. April, um 19.30 Uhr, im Kino achteinhalb Ausschnitte aus der 45-minütigen SWR-Dokumentation „Fahrradkrieg“, um anschließend mit den Besucher*innen in eine Diskussion über Celles Zukunft als Fahrradstadt einzusteigen. Als Experten eingeladen sind Jörg Frohnert, Fahrradbeauftragter der Stadt Celle (angefragt), und Claus Stahl vom „Allgemeinen deutschen Fahrrad-Club“ (ADFC).

Die Dokumentation des SWR-Autors Claus Hanischdörfer behandelt die Frage: Wem gehört die Stadt? Radler*innen beklagen sich über rücksichtslose Autofahrer*innen. Fußgänger*innen und Autofahrer*innen empören sich über „Rambo-Radler“, die Sonderrechte für sich in Anspruch nehmen.

Einer der Protagonisten des Films ist Alban Manz aus der Autostadt Stuttgart. Er fordert die Umprogrammierung der Städte. Denn etwa in der Staumetropole und Feinstaubhochburg Stuttgart seien die Verkehrswege immer noch vor allem für die Belange der Autofahrer konzipiert. Das Argument, dass Stuttgart wegen Kessellage und Bergen für den Radverkehr ohnehin nicht tauge, lässt er nicht gelten. Denn mit Pedelecs und Elektrofahrräder seien auch steile Straßen mühelos zu bewältigen. Radlern müsse daher im Verkehr mehr Raum zugewiesen werden.

Tatsächlich fehlt in vielen Städten die passende Infrastruktur. Radwege brechen unvermittelt ab oder werden von Kraftfahrern nicht respektiert. Deshalb kämpft Alban Manz gegen parkende Autos auf Radwegen, initiiert Rad-Demos und träumt von einer Zukunft wie sie heute schon in Münster oder Amsterdam existiert. Dort sind mehr Räder als Autos in den Straßen unterwegs. Der Film zeigt, welche Form der Stadtentwicklung dies möglich macht und fördert.