„Spart Kosten, da das Ergebnis grundsätzlich absehbar ist.“

Es ist nur zu verständlich, wenn ein neuer Chef sich mit einigen Vertrauten umgeben will. Nur gibt es andererseits Regeln, die das auf der Ebene einer Stadtverwaltung nicht so einfach macht wie etwa in einem Ministerium. Kritisch beäugt, stolperte sich Celles neuer Oberbürgermeister dann noch vor seinem eigentlichen Amtsantritt über eine Personalfrage ins Amt.

Jörg Nigge wünschte sich als persönlichen Referenten Heiko Richter, bisher zuständig für „Wirtschaftsförderung“ und „Glücksspiel“ (das war so dem Internetauftritt der Stadt zu entnehmen). Verwaltungsintern gab es durchaus einige Mitarbeiter*innen, die gern Richters Schreibtisch übernommen hätten. Aber Nigge hatte einen externen Kandidaten im Auge; dabei handelt es sich um Lukas Nott, beschäftigt im Wahlkreisbüro des CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Adasch. Nott hatte, wie der CZ zu entnehmen war, während Nigges Wahlkampf auf Minijobbasis dessen Termine organisiert. Damit Nott überhaupt hätte zum Zuge kommen können, sollte die Stelle ausgeschrieben werden. Und da der Kandidat nicht unbedingt ein ausgewiesener Wirtschaftsförderungsexperte ist, wurde die Ausschreibung auf sein Profil zugeschnitten: „Idealerweise verfügen Sie über ein Hochschulstudium mit einem besonderen Schwerpunkt im Bereich der Kommunikation, so dass interne und externe Kommunikations- und Moderationsfähigkeit, begleitet durch Hintergrundwissen, zu Ihren herausragenden Eigenschaften zählt.“ Das nun wiederum schmeckte dem scheidenden Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende wegen des damit verbundenen „Geschmäckles“ gar nicht. Er stoppte die Schaltung der Anzeige.

Richtig problematisch wurde die Angelegenheit aber eigentlich erst, als sie ins Licht der Öffentlichkeit gezogen wurde und die Strippenzieher nicht gerade durch ihre Kommunikationsfähigkeit glänzten. Jörg Nigge äußerte gegenüber der CZ: „Insgesamt stimmt dieser amateurhaft konstruierte Zusammenhang sehr traurig: Es wird durch die Äußerung von Mende signalisiert, dass die von ihm geführte Verwaltung nicht in der Lage ist, Stellenausschreibungen selbst zu erstellen. Mit mir ist sie zumindest inhaltlich in keinster Weise abgestimmt worden.“ (CZ, 08.02.2017) Der Erste Stadtrat und zuständige Personalchef Thomas Bertram äußerte gegenüber der CZ einen Tag später: „Einen Ausschreibungstext habe ich im Übrigen nicht mit Dr. Nigge abgestimmt.“ (CZ, 09.02.2017)

Dumm nur, dass verwaltungsinterne Emails das Gegenteil belegen.

Der Fachdienstleiter Jockel Birkholz unterrichtete Mende am 24. Januar wie folgt: „Anfang letzte Woche erhielt ich von Herrn Bertram die Nachricht, dass für die Besetzung der Stelle WiFö (Nachfolge Richter) Herr Nott in Erwägung gezogen werde. Parallel dazu informierte mich Herr Röper darüber, dass er in einem Gespräch mit Dr. Nigge [...] erfahren habe, dass Herr Richter als persönlicher Referent vorgesehen sei und er für die nachfolge bereits einen Kandidaten habe, der sich auch auf eine Ausschreibung bewerben würde. Die Ausschreibung wurde daraufhin von mir in Kooperation mit Herrn Röper und Herrn F. erstellt und zwischen Herrn Dr. Nigge und Herrn Bertram abgestimmt.Vorgesehen war eine zeitnahe Ausschreibung, damit kurzfristig eine Einstellung erfolgen kann, um die Personalie Richter zu kompensieren. Insofern wurde auch die anonyme Ausschreibung verworfen.“

Ein Mailverkehr zwischen Birkholz und Bertram scheint dies zu bestätigen. Am 19. Januar schrieb um 15:19 Uhr zunächst Birkholz an Bertram: „Wir haben das Anforderungsprofil angepasst, so dass Verwaltungsfachleute nicht angesprochen werden. Intern sehen wir im Übrigen niemand. So verkaufe ich es auch dem Personalrat, zusätzlich mit dem Argument, dass es eine Neuausrichtung der WiFö geben soll. Ich schlage vor, es nur in der CZ und interamt und natürlich auf unserer homepage auszuschreiben. Spart kosten, da das Ergebnis grundsätzlich absehbar ist. Als Bewerbungsfrist sehe ich 3 Wochen als angemessen an. Kürzere Fristen erzeugen Argwohn. Sollte es die diskutierte Person werden, muss sich Dr. Nigge auf Fragen aus dem politischen Raum einstellen. [...] Bitte besprechen Sie es mit Herrn Dr. Nigge. Herr Mende sollte m.E. ebenfalls informiert werden.“ Bertram antwortete um 16:34 Uhr: „[...] ich habe den Text noch etwas modifiziert, und auf die Vorstellungen von Herrn Dr. Nigge etwas angepasst.“

The Return of the „Gutsherrenart“– und wie hat die CDU doch die Verwaltungs-, Führungs- und Wirtschaftskompetenz ihres neuen Strahlemanns im Wahlkampf angepriesen. Die Fassade hat weitere Risse bekommen. CDU-Fraktionschef Gevers versucht das Ganze als „skurriles Skandälchen“ herunterzukochen. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Arbeitgeber des Wunschkandidaten sah ein „politisches Schmierentheater“. Gunter Meinrenken aber kommentierte für die CZ drastisch und auf den Punkt: „[...] das Neue Rathaus als Selbstbedienungsladen der CDU. [...] Diese Vetternwirtschaft ist eine Beleidigung aller Wähler, insbesondere derjenigen, die Nigge ihre Stimme gegeben haben.“ (CZ, 08.02.2017) Wohl etwas zu hart, denn drei Tage später sah Chefredakteur Ralf Leineweber – wenn auch mit mahnendem Finger in Richtung Nigge – vor allem  „Grabenkämpfe“, die zum Wohle unserer Stadt beendet werden müssten.