Interview mit Helga Habekost, »Im Interesse Aller«

Naturschutzgebiet obere Allerniedererung bei CelleDer 7. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 27. September die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, die der BUND gegen den Planfeststellungsbeschluss des Mittelteils der Ostumgehung erhoben hatte. Dabei geht es um den Streckenteil mit der Allerquerung in Altencelle. D.h.: Der Ausgang des Rechtsstreits ist aus Sicht des OVG in der Hauptsache offen. Insbesondere geht es um Rechtsfragen, die europarechtlich geschützte Gemeinwohlbelange des Naturschutzes betreffen. Wir haben Helga Habekost, Vorstandsvorsitzende des Vereins »Im- Interesse-Aller« und langjährige engagierte Streiterin gegen die Ostumgehung um eine Einschätzung gebeten.

??: Wir waren – ehrlich gesagt – von dem OVG-Beschluss eher überrascht, äußerst freudig selbstverständlich. Die klagenden Seiten hatten sich ja immer schon optimistisch gezeigt. Wie ist Ihre Stimmung?

!!: Natürlich haben wir uns im Vereinsvorstand gefreut - und sicherlich nicht nur wir, sondern auch diejenigen Menschen, die von einem Bau der Ostumgehung (OU) in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung / Ihres Hauses betroffen wären, die die Artenvielfalt zu schätzen wissen und deren Naherholungsgebiete beeinträchtigt werden.

??: Was besagt der OVG-Beschluss bei genauer Betrachtung? Können Sie erläutern, um welchen Verfahrensschritt es sich handelt?

!!: Der sog. „Sofortvollzug“, der mit Flächen-Enteignungen verbunden wäre, ist ausgesetzt. Es dürfen nun also nicht sofort „vollendete Tatsachen“ geschaffen werden (Baumfällungen, Brückenbau usw.) so, wie wir es im ersten Bauabschnitt (1. BA) ohne Eigentumsregelungen erlebten.

??: Wie geht es jetzt weiter?

!!: Die Politik scheint die Bedeutung des europäischen Naturschutzes nicht anzuerkennen. Eine Umfahrungsstraße für Celle müsste die gutachterlichen Aussagen berücksichtigen, worin bereits 1988 (Retzko + Topp) festgestellt wurde, dass eine Ost-Umfahrung mit dem Naturschutz nicht vereinbar sei. Es erscheint mir fraglich, ob die gebotene Abwägung zum sog. „öffentlichen Interesse“ in vertretbarem Maße und Gewichtung erfolgte … nun muss das Gericht im Hauptsache-Verfahren entscheiden. - In seiner 13-seitigen Begründung weist das OVG darauf hin, dass mehrere Sachverhalte zu klären seien und dass bisherige Einwender noch bis Anfang Januar 2013 sich der Klägergemeinschaft anschließen könnten. Wenn die örtliche Politik in einer Sackgasse angekommen ist, so sollte sie umkehren. Der Baustopp sollte die Politiker motivieren, nach Alternativen zu suchen.

??: Im Kern geht es ja um Natura-2000-Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. Um welche Gebiete geht es und warum sind diese in besonderer Weise schützenswert?

!!: Im Allerquerungs-Abschnitt (3. BA) gibt es diverse Problem-Themen: „Habitatschutz“ (= Lebensraumschutz z.B. für Storch, Otter, grüne Keiljungfer (Libelle), Fledermäuse und div. Vögel); schädliche Stickstoff- Einträge und erhebliche Gebiets-Beeinträchtigungen – insbesondere sind die beiden FFH-Gebiete der Aller und Lachte betroffen; Lärm-Emissionen betreffend Mensch und Tier; Hochwasserschutz und Tsellis sind da Stichworte.

Aller??: Was meinen Sie, warum haben die Planer darüber einfach hinweggesehen – sie sind doch schon 1984 einmal, wenn auch an anderer Stelle – nämlich als sie eine Querung in Höhe der Lachte Einmündung wollten – gescheitert?

!!: Der BUND hatte sich seinerzeit schon mit der Klage im 1. BA gegen die „bauabschnittsweise“ Planungs- und Durchführungsart gewandt. Das OVG hatte in seiner damaligen Presseerklärung zum 1. BA-Urteil bereits auf die Naturschutz- / Aller- Problematik hingewiesen – aber es galt der politische Wille, eine Ost-Umfahrung zu zementieren.

??: Die Parteien vor Ort haben sich ja in vorhersehbarer Weise zum Beschluss geäußert, aber von den zivilgesellschaftlichen Initiativen hat sich niemand zu Wort gemeldet. Woran liegt’s?

!!: Das OVG Lüneburg ist dem BUND-Antrag seitens des Hamburger Rechtsanwaltes gefolgt – dem ist nichts hinzuzufügen. Nun muss das Hauptsache-Verfahren abgewartet werden.