Sparen, sparen, sparen – die Bürger_innen kamen der Aufforderung der Stadt in größerem Umfang nach als noch vor zwei Jahren. Über hundert Vorschläge sammelten sich im Laufe der fünf Wochen auf der extra eingerichteten Website. Unterm Strich bleibt aber wieder nicht mehr als eine Potemkinsche Veranstaltung. Für ein derart unzulängliches Beteiligungsverfahren sollte sich die Stadt die Ausgaben sparen.
Was ist die Idee des Bürger- oder Beteiligungshaushalts? Die Stadtgesellschaft soll über Vorschläge und Bewertungen eingebunden werden in die Haushalts- Politik der Stadt. Dabei kann es im Kern nicht ums »Sparen« gehen, sondern um eine Verbesserung der Lebensqualität – das lässt sich in der Regel nicht mit Sparen schaffen, wohl aber mit Umschichtungen; also z.B.: Weniger für Straßenbau, mehr für Umwelt – oder Gewerbsteuer erhöhen, Kita-Gebühren senken.
Die Absicht war aber eine andere; in seiner Ansprache an die Bürger_innen fordert der Oberbürgermeister dazu auf, dass „wir gemeinsam Ideen und Lösungen entwickeln, um neue Sparmöglichkeiten und Einnahmequellen zu erschließen.“ Wobei mit neuen Einnahmequellen nicht die Erhöhung der Gewerbsteuer gemeint ist, sondern die Erhebung von Gebühren für dieses und jenes.
Es ist nicht verwunderlich, dass etliche Bürger_innen diesen neoliberalen Ansatz detailversessen und ressentimentgeladen aufgriffen. Deutlich wird dies in folgendem Vorschlag: „Durch alle Ämter weist die Stadt einen relativ hohen Krankenstand auf. Begünstigt durch die 3- Tage-Regel, d.h. bis 3 Tage meldet sich jeder nach Gutdünken krank, was auch scharmlos (sic!) durch alle Ämter ausgenutzt wird. Erst am 3. Tag wird der gelbe Schein benötigt. Abschaffung der Regel --> gelber Schein vom 1. Tag --> Einsparung bis zu ca. 15 Stellen und Gerechtigkeit gegenüber ehrlichen Mitarbeitern.“ Da lacht das Arbeitgeberherz, aber in Frage gestellt wird hier schlicht und einfach der § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes.
Auch ein Vorschlag zur Verschlechterung des ÖPNV ist von dieser Logik getragen: „Nach meiner Beobachtung sind die Busse der CeBus lediglich zu den Hauptverkehrszeiten an Schultagen tatsächlich ausgelastet. Außerhalb dieser Zeiten wird häufig viel »heiße Luft« durch die Stadt und den Landkreis gefahren. Zu Lasten des Haushalts UND der Umwelt. Im Zusammenwirken mit dem Landkreis sollte der ÖPNV im Stadtbereich Celle in den Ferienzeiten auf ein ausschließliches ALF-System (»Anruf-Linien- Fahrten«)[...] umgestellt werden.“ Aufgefordert zum »Sparen « bleibt kein Raum für Vorschläge zur Verbesserung des ÖPNV, sondern nur zu dessen faktischer Abschaffung. Eine Logik, die Landrat Wiswe gefallen dürfte.
Selbstverständlich gibt es auch einen Haufen sehr schöner Vorschläge. Etliche zielen auf Effektivierungen beim Energieverbrauch (Straßenlaternen, Ampelschaltungen, Dienstfahrzeuge etc.), und gelegentlich taucht auch mal eine qualitative Idee auf: „Nach Prüfung von geeigneten Standorten > Ersetzen von Zierbepflanzung durch Nutzpflanzen (Obst, Gemüse, Kräuter, etc.), die für alle Bürger zur Ernte freigegeben sind. Kosteneinsparung (Pflege, Anschaffung) auf Stadtseite und dankbare Menschen, die sich bestimmt gerne an den Früchten bedienen. Die Stadt Andernach macht’s vor. Befürchteter Vandalismus ist übrigens ausgeblieben.“ Da haben wir doch gleich dreimal mit 5 Punkten gevotet. Ebenso wie bei dem Vorschlag, „das gesamte Stadtgebiet von Celle zur 30 km/h Zone“ zu erklären.
Dass der Bürgerhaushalt von Gegner_innen der Großprojekte genutzt werden würde, war zu erwarten. So steht ganz oben auf der Streichliste das »Nordwall- Projekt«. Mehrere Vorschläge dazu erhielten gleichzeitig jeweils die deutlichste Zustimmung. Aber: Niemand in Rat und Verwaltung wird’s interessieren. Und – auf dieser Ebene – zu Recht. Das Internetportal zum Bürgerhaushalt ist vom Gebrauchswert her die 829 Euro nicht wert, die es gekostet hat. Warum? Zu jedem Vorschlag besteht die Möglichkeit, eine Bewertung abzugeben von „Finde ich sehr gut. - Bitte umsetzen“ über „Finde ich eine gute Idee“, „Finde ich interessant, aber nachrangig“, „Dabei habe ich Bedenken“ bis zu „Finde ich nicht gut. - Bitte nicht umsetzen“. Netter Ansatz, aber völlig wertlos, da jede_r beliebig oft eine Bewertung abgeben kann.
Fazit: So wird das nichts. Wer mehr will als eine Scheinveranstaltung, muss deutlich mehr an Zeit und leider auch an Geld investieren. Wer Partizipation will, muss neben einem Vorschlagsportal andere Instrumente einsetzen, z.B. eine repräsentative Umfrage zu Prioritäten der Haushaltsführung – und es gehört auch eine face-to-face-Kommunikation in Form eines Workshops dazu. Entsprechende Beispiele haben wir in der letzten revista vorgestellt.