Dr. Jekyll and Mr Hyde... und alle schauen weg??

Alle? Nein! Auf der Internetseite »Indymedia - Plattform für unabhängige Berichterstattung« wurde kurz vor dem einjährigen Bestehen des Tattoo- Ladens in der Hannoverschen Straße ein Artikel mit dem Titel „Neonazi-Tattooshop in Celle“ veröffentlicht. Dort wird ausführlich auf die beiden Betreiber_innen des Ladens eingegangen. Daraufhin hat das Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus eine Presseerklärung dazu veröffentlicht und u.a. seine Sorge darüber geäußert, dass sich dieser Laden in unmittelbarer Nähe zum KAV-Gymnasium befindet. Aber sonst? In der CZ war erst etwas zu lesen, als die Betreiber des Ladens sich per Anwalt an das Forum wandten, um eine Unterlassungserklärung zu erwirken und die Angelegenheit so „spannend“ zu werden schien. Von Politik und Verwaltung war bisher auch noch nichts hörbar zu vernehmen. Der Verfassungsschutz ist „untergetaucht“ – zu einer Radioaufzeichnung zum Thema „Allein gegen Rechts“ am 20.09.2012 in Unterlüß war ein_e Vertreter_ in der Behörde eingeladen, hat aber abgesagt. So konnte man dort auch nicht nachbohren. Aus der Lehrer_ innen-Szene ist sogar zu hören, dass sie davon noch nichts gehört hätten. Lediglich die Polizei scheint durch ihre Jalousien hin und wieder zu ihren beinahe Nachbarn rüber zu linsen. „Die Celler Polizei teilte auf CZ-Anfrage mit, dass der Tattooshop beobachtet werde.“ (CZ, 20.09.2012)

Janice K. und "Düütsche Deerns“ auf Hof Nahtz, Foto: indymedia.orgJanice Kaufmann und die Düütschen Deerns

Am 3.9.2011 eröffneten Janice Kaufmann und Christian Heidel einen Tattoo-Shop in der Hannoverschen Straße. In Celle ist der Name Janice Kaufmann nicht unbekannt. Im November 2006 feierte sie in einer Kneipe in der Celler Innenstadt mit Gesinnungsgenossen ihren 25. Geburtstag. Mit 20-30 „Kameraden“ veranstaltete sie in der Nacht eine Hetzjagd auf Kurden, nachdem sie einen Streit anzettelte und einen Kurden als „Kanaken“ beschimpfte (sh. revista 39). Knapp einen Monat später nahm sie an der Nazidemo in Celle teil; sie lief direkt hinter dem Transparent der Celler Nazis „Nationaler Widerstand Celle“. Im Februar 2008 trug sie in Hildesheim das Transparent der „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ bei einer Nazidemo unter dem Motto „Gegen Repression und Polizeiwillkür“. Im Jahr 2008 trug sie bei der 1. Mai-Nazidemo in Hamburg das Transparent der „Düütschen Deerns“; am Rande dieses Naziaufmarsches beteiligte sich Dennis Bührig, der damalige Freund von Kaufmann, an Übergriffen auf Journalisten. Keine zwei Wochen vorher wurde Kaufmann wegen der Jagd auf Kurden in Celle zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt, Bührig wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Doch auch danach wurde sie bei Nazitreffen gesehen, so z.B. bei den Sonnwendfeiern auf Hof Nahtz 2011 und 2012.

Laut Recherche Nord handelt es sich „bei den »Düütschen Deerns« (…) um eine Gruppierung weiblicher Neonazis mit besten Verbindungen zur neonazistischen »Gemeinschaft Deutscher Frauen« (GDF).“ Die GDF wiederum „ist die älteste Organisation ihrer Art. Ihre Anhängerinnen zählen zum Inner Circle der elitären neonazistischen „Volksgemeinschaft“, einer angestrebten homogenen Gesellschaftsform, die an das „Dritte Reich“ angelehnt ist.“

Die heidnisch und rassistisch geprägte GDF agiert vor allem gegen Feminismus und Liberalismus. Aus den Reihen der Organisation wird vor „kulturfremden Menschen“ gewarnt. Kinderlose Frauen werden angeprangert, Frauenkameradschaft und eine so genannte biologische Verpflichtung zur Mutterschaft werden propagiert. Politische Arbeit im Vordergrund war für die GDF lange zweitrangig. Mit dem Eintritt jüngerer „Kameradinnen“ scheint sich eine Wandlung zu vollziehen.

Im Jahr 2008 entfalteten Mitglieder der „Düütschen Deerns“ neben einer regen Beteiligung an Aufmärschen im norddeutschen Raum vor allem Aktivitäten auf dem Anwesen des NPD Aktivisten Joachim Nahtz in Eschede. Auf völkisch-neonazistischen Veranstaltungen wie den „Erntedankfeste“ und „Sonnwendfeiern“ treten die „Düütschen Deerns“ als Mitorganisatoren in Erscheinung. Doch „Brauchtum“ ist nicht alles: Dieses Jahr haben sie mit eingeladen zu einem Treffen in Eschede am 6. April, bei dem nicht Brauchtum vorgeschoben wurde, sondern der Geburtstag von Joachim Nahtz. Der eigentliche Hintergrund jedoch war eine Solidaritätsveranstaltung für die am 13. März verhafteten 24 „Kameraden“ aus dem Umfeld des „Aktionsbüros Mittelrhein“. Für sie sollte in Eschede mit einer Versteigerung Geld gesammelt werden, also brachten fast alle „Kameraden“ Dinge wie Bücher, CDs oder Kleidung mit.

Ein Textbeitrag auf der Internetseite der „Düütschen Deerns“ zeigt sehr deutlich ihre Naziterminologie, indem z.B. die Einreise von Menschen mit einer „Naturkatastrophe“ gleichgesetzt wird; es wird Bezug genommen auf eine angebliche „Umerziehung“ der „Deutschen“ nach dem Zweiten Weltkrieg zu „Marionetten“ – nach Ansicht der Nazis durch Amerikaner oder wahlweise Israelis. Inhaltlich wird nicht argumentiert, sondern mit eben dieser Naziwortwahl an eine diffuse Angst vor „kriminellen Ausländern“ appelliert: „Eine wahre Kriminalitätsflut, von den östlichen Grenzgebieten ausgehend, rollt seit einigen Jahren auf uns zu und gleicht bald einer Tsunamiwelle. Doch die BRD-Marionetten fügen sich wo sie nur können um bloß nicht aufzufallen, in dem gewollt anerzogenen Einheitsbrei. Bei ihrer bestrebten Anpassungsfähigkeit an jegliche Umstände, merken sie nicht einmal, dass ihre lächerlichen Bemühungen, ein Lauf gegen Windmühlen ist.“

Damit beschäftigt sich also die Szene, der die „Geschäftsfrau“ Janice Kaufmann nahe steht.

Christian Heidel – „Dr. Hate“

Christian H. bei Blood & Honour Zusammenkunft, Foto: indymedia.orgIhr Geschäftspartner Christian Heidel stellt sich auf der Internetseite des Tattooladens als „Dr. Hate“ vor. Er gibt als Referenzen die Studios Last Resort (Hildesheim) oder Bulletproof (Munster) an. Die CZ schreibt dazu: „H. gehört seit langem zur Neonazi-Szene in Hildesheim und Munster. … H. hat ebenfalls an diversen Nazi- Aufmärschen teilgenommen.“ (CZ, 20.09.2012) Auf der Internetseite des Hildesheimer Bündnisses gegen Rechts ist dazu zu lesen: „Bereits seit 2007 wurde in mehreren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, in welchem Spektrum sich der Inhaber und die Mitarbeiter_innen des Hildesheimer Tattoo-Shops »Last Resort« bewegen. Darin wurden bereits die paramilitärischen Trainings und Scharfschützen-Übungen sowie die Verbindungen in die militante Neonazi-Szene thematisiert.“ Obwohl sich im Jahr 2009 der Inhaber von »Last Resort«, Johannes Knoch, bemühte, nach außen seine Distanz zu Neonazis zu beteuern, so war dennoch im Jahr 2010 in dem Artikel „Rocker rücken sich ins rechte Licht“ des Weserkuriers über die Verbindungen der Tattoo-Szene, der Hells Angels und der Neonaziszene u.a. folgendes zu lesen „Auch das Hildesheimer Studio »Last Resort« (»Letzte Zuflucht«) präsentiert sich bei den Rockern. Studiochef Johannes K. und »Bulletproof«-Manager Hannes F. kennen sich aus »Blood-and-Honour«-Tagen. (…) Bis heute machen sie offenbar gemeinsam Geschäfte, jedenfalls zeigen sie in ihren Läden in Munster und Hildesheim dieselben Tätowiermuster als »eigene Arbeiten«.“

Um zu erläutern, was »Blood & Honour« ist, zitieren wir aus der Veröffentlichung von „Indymedia - Plattform für unabhängige Berichterstattung“: „Blood & Honour (deutsch: Blut und Ehre) ist ein Netzwerk von neonazistischen Skinheads, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Nazi-Bands miteinander zu koordinieren und die nationalsozialistische Ideologie in die Skinhead- Bewegung zu tragen. Seit der Gründung von Blood & Honour sind Personen aus diesem Umfeld besonders aktiv bei der zumeist konspirativen Organisation von Konzerten und bei der Herstellung und Verbreitung von Tonträgern mit neonazistischen Inhalten. Das Netzwerk wurde in den 1980er Jahren unter maßgeblicher Beteiligung von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger der Rechtsrock-Band Skrewdriver gegründet. Blood and Honour hat einen ’bewaffneten Arm’ der sich »Combat 18« nennt und vor allem in England und Skandinavien aktiv war, aber auch in Deutschland Anhänger hat. Im Jahr 2000 wurde Blood & Honour in Deutschland verboten. Die nach dem Verbot gegründete Organisation Honour & Pride kann als ein Versuch betrachtet werden, alte Strukturen aufrecht zu erhalten.“

Tattoo Laden, Foto: www.cellerforum.de

Rechtsanwalt Marcus Bartscht, der die beiden „Geschäftleute“ Heidel und Kaufmann bei der Erwirkung der Unterlassungserklärung gegenüber dem Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus vertritt, wirft diesem u.a. vor, es werde zum Boykott des Tattooladens aufgerufen. So ist es nicht! Es heißt in der Pressemitteilung: „Wir bitten die Anwohner_innen und Besucher_ innen wachsam zu sein. Vor allem bitten wir die Schüler_innenvertretungen und Schulleitungen, mit den Schülern über Neonazis, deren Ansichten und Taktiken, zu sprechen, damit es nicht wieder heißt: „Wir haben ja gar nichts bemerkt“.“ Ein Boykottaufruf würde anders lauten – aber den wollen wir uns an dieser Stelle auch sparen …