Foto: Michaela Mügge / PubliXviewinG„E.ON verdient - Risiken und Kosten tragen wir“

Mit einem massiven Polizeieinsatz wurde am 24. September der Transport von acht MOX-Brenn-elementen ins AKW Grohnde durchgesetzt. Sie wurden aus dem britischen Atomkomplex Sellafield nach Nordenham verschifft, und dann per LKW über Straßen und Autobahnen quer durch Niedersachsen zum E.ONAtomkraftwerk Grohnde transportiert. Dieser erste von zwei angekündigten Transporten war von vielfältigen Protesten und Blockaden entlang der Strecke von Nordenham ins Weserbergland begleitet. Die Dauermahnwache am Zielort erhielt auch viel Sympathie und Unterstützung von Einwohner_innen aus Emmerthal und Grohnde. Der zweite Transport ist für November angekündigt.

Der gefährlichste Stoff auf Erden

Der Einsatz von plutoniumhaltigen Mischoxid- Brennelementen (MOX) macht Atomreaktoren komplizierter, gefährlicher und erhöht die Auswirkung von katastrophalen Unfällen, weil wesentlich mehr Plutonium freigesetzt werden könnte. Auch strahlen abgebrannte MOX-Brennelemente doppelt so stark im Vergleich zu normalen Uran-Brennelementen. Das bedeutet eine verstärkte Strahlenbelastung bei Personal und Anwohner_ innen, bei der Zwischenlagerung und der völlig ungeklärten Entsorgung.

Nach Informationen des AKW-Betreibers E.ON an die Anwohner_innen enthalten beide Lieferungen 400 Kilogramm Plutonium. Aus dem Material könnten rund 50 Atombomben gebaut werden. Sollte Plutonium bei einem Unfall frei werden, können schon kleinste Spuren davon Krebs auslösen. Plutonium ist ein Ultra- Umweltgift mit einer Halbwertzeit von 24.000 Jahren.

Völkerrecht vor Sicherheit?

E.ON rechtfertigt die Transporte aus Sellafield ins AKW Grohnde so: „Derartige Transporte sind erforderlich, weil die Betreiber kerntechnischer Anlagen in Deutschland verpflichtet sind, den bei der Wiederaufarbeitung von ausgedienten Brennelementen in Großbritannien und Frankreich gewonnenen Brennstoff zurückzunehmen. Dieser Verpflichtung liegen völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu Grunde." Und weiter: „Die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente war nach dem Atomgesetz bis zum Jahr 1994 der einzig zulässige Entsorgungsweg. Nach der Novellierung des Atomgesetzes im Jahr 2000 wurden aufgrund vertraglicher Verpflichtungen noch bis Mitte 2005 abgebrannte Brennelemente zu den Wiederaufarbeitungsanlagen transportiert [...] Seitdem werden die Brennelemente nach dem Einsatz im Kraftwerk in Zwischenlagern an den Standorten sicher aufbewahrt."

Nach Recherchen der Neuen Osnabrücker Zeitung stehen Deutschland noch an die 100 derartige Lieferungen ins Haus. Das sind nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz in Sellafield 21 Castoren mit Atommüll, die vermutlich ab 2015 nach Deutschland transportiert werden. Darüber hinaus fiel beim Wiederaufarbeitungsprozess aber auch Plutonium an, das in den neuen MOX-Brennelementen verwendet wird.

Abgesehen von der Fracht aus England steht bei E.ON noch die Lieferung von etwa 60 MOXBrennelementen aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague an.

E.ON hat nach eigenen Angaben in der Vergangenheit schon 33 MOX-Transporte aus Sellafield mit Ziel Landkreis Hameln-Pyrmont abgewickelt. Weitestgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit; aber das ist jetzt vorbei.

Mox-Brennelemente in Atomkraftwerken

Foto: Michaela Mügge / PubliXviewinGPlutonium kann in Form von MOX-Brennstoff in AKW eingesetzt und dort zur Energieerzeugung genutzt werden. Insgesamt enthielten Anfang des Jahres 2011 rund 30 AKW in Europa MOX, davon sieben in Deutschland, weitere 20 haben die Erlaubnis dazu, davon neun der noch zehn in Deutschland laufenden Reaktoren. In den Jahren 2000 bis 2004 wurden in Grohnde bereits 40,4 Tonnen MOX-Brennelemente eingesetzt.

Bereits 1992 lag eine Studie der GRS (Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit) GmbH vor, nach der die MOX-Technik nicht nur unsinnig, sondern auch leichtfertig sei. Der Spiegel berichtete in seiner Ausgabe vom 10.02.1992: „Der Thomas-Bericht (der GRS) belegt, daß die westdeutsche Atomindustrie seit mehr als zehn Jahren mit den gefährlichen Brennstäben hantiert, ohne die Risiken für Reaktoren und Umwelt je sorgsam geprüft zu haben. Weil die plutoniumhaltigen Brennstäbe im Reaktor weitaus ag- gressiver strahlen (“Spektrumsverhärtung”) und länger im Atommeiler bleiben (“höherer Abbrand”) als Uran- Elemente, erhöht sich auch die “Beanspruchung des Kernbrennstoffs und der Brennelemente-Werkstoffe” (Thomas) – mit gefährlichen Konsequenzen: Die “Außenkorrosion” der metallenen Brennelemente-Hüllrohre steigt – die etwa daumenstarken Schutzrohre, die den Brennstoff hermetisch vom Kühlwasser abschirmen sollen, verrotten also schneller als bei herkömmlichen Uran-Elementen. [...]. Schmilzt in einem mit MOX-Brennelementen bestückten Reaktor ein Teil des atomaren Inventars, droht auch nach einer erfolgreichen Notkühlung noch der Super-GAU – ein Katastrophen- Szenario, das bei der Analyse von Kernschmelzunfällen bislang nicht untersucht wurde.“

Geändert hat sich nichts. Die GRS teilte 2010 zu den Risiken u.a. mit: MOX-Brennstoff hätten in sicherheitstechnischer Hinsicht „einige ungünstigere Eigenschaften“ gegenüber „normalen“ Brennelementen wie z.B.: erhöhte Faktoren für Leistungsspitzen in den MOXBrennelementen, erhöhter Innendruck in den Brennstäben durch höhere Spaltgasfreisetzung und ein schnelleres Reagieren bei Änderungen des Reaktorzustands.

Gefahren beim Transport

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte eine Studie bezüglich der Transporte radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik Deutschland in Auftrag gegeben, die im Februar 2011 veröffentlich wurde. Darin wird einerseits darauf hingewiesen, dass der Transport von MOX-Brennelementen wegen des Plutoniuminventars in Typ-B-Behältern sowie mit speziellen Sicherheitsfahrzeugen durchgeführt werde, was das Gefahrenpotenzial nach Transportunfällen gegenüber Uran- Brennelementen eher verringere. Da aber MOXTransporte einen höheren Symbolwert als Urantransporte und durch das Plutoniuminventar im Falle eines terroristischen Angriffs auch deutlich größere radiologische Auswirkungen besäßen, müssten die Auswirkungen eines terroristischen Angriffs in die Bewertung des Gesamtgefahrenpotenzials einbezogen werden.

Katastrophenschutz – Fehlanzeige

Die MOX-Brennelemente aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield wurden auf der »Atlantic Osprey« in einen Privathafen nach Nordenham gebracht; die bremischen Häfen kamen nicht Frage, weil dort der Umschlag von Kernbrennstoffen verboten ist. In Nordenham verabschiedeten Kreis und Stadt mehrheitlich eine Resolution gegen den Transport über den Hafen von Nordenham. Nordenham dürfe keine Drehscheibe für internationale Atomtransporte werden, die Atomaufsicht solle die Genehmigung für den Umschlag der 16 MOX-Brennelemente über den Hafen von Nordenham zurücknehmen. Landrat Höbrink kritisierte, dass die zuständigen Katastrophenschutzbehörden „aus Geheimhaltungsgründen” nicht informiert worden seien. „Wir wissen nicht, wann die Elemente transportiert werden sollen, und auch nicht, auf welchem Weg", sagte der SPD-Landrat gegenüber dem NDR.

Erneuter Proteste im November

Foto: Michaela Mügge / PubliXviewinGDie Atomkraftgegner_innen der »Regionalkonferenz Grohnde Abschalten« wollen auch im November wieder eine Dauermahnwache organisieren. Aktuelle Infos gibt es dann über: http://grohnde.wordpress.com/mox-dauermahnwache

Am Samstag, dem 3. November 2012, gibt es eine Auftaktdemonstration in Emmerthal beim AKW Grohnde, Beginn: 13 Uhr
AKW-Gegner_innen aus Celle fahren mit dem Niedersachsen- Ticket um 10.47 Uhr ab Celle Hauptbahnhof.

Hintergrund: Einen informativen Bericht über „Das Vermächtnis von Sellafield. Die ungewisse Entsorgung von Plutonium“ von Andrea Rehmsmeier könnt ihr im Deutschlandfunk hören (oder das Manuskript lesen)