In Selbstverliebtheit verfallen
Neues von Johannes Kneifel. Bekannt ist ja schon, dass er ein Buch im September 2012 veröffentlich hat. Aktuell strebt er ein Wiederaufnahmeverfahren an: Angeblich sollen die Ärzte, die Peter Deutschmann behandelt hatten, einen Fehler gemacht haben. Dazu soll sich nach der Fernsehsendung »Vom Mörder zum Pastor« im Januar 2012 ein Zeuge gemeldet haben. Gibt es diesen mysteriösen Zeugen, der behauptet, dass die Verletzungen Peter Deutschmanns nicht tödlich gewesen wären? Deutschmann sei demnach gestorben, weil er im Krankenhaus zu spät behandelt wurde. Seitdem klammert sich Johannes Kneifel an die Hoffnung, er sei vielleicht nicht allein für den dessen Tod verantwortlich.
Schon merkwürdig, dass die Bekanntgabe des angeblichen Zeugen und dass Johannes Kneifel eine Wiederaufnahme des Verfahrens anstrebt, exakt zusammenfällt mit der Veröffentlichung seines Buches »Vom Saulus zum Paulus«. Sollten hier PR-Gründe die tragende Rolle gespielt haben?
Was geschah am 9. August 1999? Peter Deutschmann hatte die Skinheads Johannes Kneifel und Marco Siedbürger wegen der ausländerfeindlichen Parolen kritisiert und wurde dafür umgebracht. Er war den ausländerfeindlichen Sprüchen stets verbal entgegengetreten, also gewaltfrei, und trug ein silberfarbenes Kreuz um den Hals.
Der Tathergang: Der damals 17-jährige Kneifel hat mit Marco Siedbürger in Eschede Peter Deutschmann überfallen. Die beiden Neonazis sind gewaltsam in die Wohnung eingedrungen, zerrten Peter Deutschmann aus dem Bett und schlugen ihn sofort nieder. Am Boden liegend trat Kneifel mit seinen stahlkappenbewehrten Springerstiefeln auf ihn ein und zertrümmerte Deutschmanns Kehlkopf. Sie traktierten ihr wehrloses Opfer weiter mit Glasscherben. „Das Blut war bis zu 1,80 Meter Höhe an die Wände gespritzt“, berichtete vor Gericht ein Polizeibeamter. Stark blutend und mit zertrümmertem Kehlkopf ließen sie ihr Opfer zurück und zerstörten das Telefon, um zu verhindern, dass er Hilfe holen konnte. Vor Gericht berichten sie, dass sie dann seelenruhig nach Hause gegangen sind und sich schlafen gelegt haben.
Durch Deutschmanns verzweifelte Hilferufe wurden Nachbarn aufmerksam und alarmierten die Polizei. „Der Mann ist jämmerlich gestorben, er hat 3 ½ Stunden lang bis zu seinem Koma in Todesangst nach Luft gerungen“, so Staatsanwältin Marianne Neuhaus-Kleinicke im Prozess. Peter Deutschmann erlag seinen schweren Verletzungen 24 Stunden später. Der Gerichtsmediziner zählte 22 Verletzungen.
Immer wieder geht es Johannes Kneifel darum, sich „rein zu waschen“ und in vielen Beiträgen wird von ihm stereotyp wiederholt „Ich habe eine zweite Chance erhalten. Jeder sollte eine zweite Chance haben“. “Wirklich jeder, wirklich jeder hat eine zweite Chance verdient“, so wie er. Dabei scheint er jedoch nicht zu realisieren, dass Peter Deutschmann keine zweite Chance hatte. Er ist tot. Und davon kann sich Kneifel nicht reinwaschen. Er trägt die Schuld daran.
In der TV-Sendung »Nachtcafé SWR« (21.09.2012) konnten wir das erste Mal, nachdem über dreizehn Jahre vergangen sind, feststellen, dass Johannes Kneifel Worte für das Opfer findet: „Er war eigentlich jemand der Zivilcourage hatte. Jemand, der meinen Kumpel angesprochen hat auf seine rechte Einstellung und ihn davon abbringen wollte, eigentlich also eine sehr positive Einstellung hatte“. Und auch in einem Beitrag der »Deutschen Welle« (September 2012) äußerte sich Johannes Kneifel zum Opfer: „Er war nunmal ein Mensch, der eigentlich eben nicht [sich] damit zufrieden gegeben hat, dass Jugendliche dort rechtsradikale Parolen verbreitet haben, und der sie darauf angesprochen hat.“ Die Aussagen von Johannes Kneifel erfolgen mit einer riesigen Distanz zum Opfer, als wenn er gar nicht der Täter sei.
Ein aufrichtiges Bereuen und eine aufrichtige Auseinandersetzung mit der Tat dürfte eher dazu führen, dass sich der Täter gegen das Vergessen von Opfern rechter Gewalt einsetzt und alle Einnahmen aus der Buchveröffentlichung, den Talk- Shows und Interviews etc. dafür zur Verfügung stellt-– an erster Stelle dabei sollte die Tötung von Peter Deutschmann stehen, für den schon seit Jahren ein Gedenkstein im öffentlichen Raum in Eschede gefordert wird.
In der Sendung »Nachtcafé« auf sein Buch angesprochen, reagiert er voller Stolz, und er macht auch sonst keinen Hehl daraus, „dass er sich von dem Verkauf gutes Geld erhofft. Es sei ja schließlich eine gute Geschichte“. (sueddeutsche.de, 21.09.2012)
So abscheulich, wie die Tat gewesen ist – mit Springerstiefeln auf Peter Deutschmann einzutreten –, so abscheulich ist es, mit dem Blut an den Händen Geld zu verdienen. Die Springerstiefel hat er immer noch nicht abgelegt und tritt so auf die Opfer rechter Gewalt weiterhin ein. Es kommt einer Verhöhnung der Opfer gleich.
Auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens ändert nichts, aber auch gar nichts an der Schuld von Johannes Kneifel. Er trägt die Schuld am Tod von Peter Deutschmann. Er hat die Tat begangen, er ist gewaltsam in das Haus von Peter Deutschmann eingedrungen, er kann sich von dieser abscheulichen Tat nicht reinwaschen. Dafür trägt er in Ewigkeit die Schuld. Kneifel sagt jedoch seit Auftauchen des mysteriösen Zeugen: „Nach derzeitigem Stand kann ich nicht mehr davon ausgehen, dass ich ein Menschenleben auf dem Gewissen habe.“ (Spiegel-online, 18.09.2012)
Auch seine Aussage in der Sendung »Nachtcafé« gibt zu denken: „[…] eigentlich erst, als die Situation wirklich aussichtslos war innerhalb des Justizsystems, als ja wirklich absehbar war, dass ich nicht nur meine Jugendstrafe absitzen müsse, sondern danach noch einige Jahre in Haft bleiben müsste, dann habe ich im Gottesdienst zum ersten mal gemerkt, dass nicht nur Menschen zu mir sprechen, nicht nur ein Pastor spricht, sondern durch die Worte des Pastors Gott zu mir gesprochen hat und das war so eine Sache“. Ist dieser Wandel vom „Saulus zum Paulus“ überzeugend? Es bleibt: Die Schuld ist für immer da – davon kann sich kein Mensch reinwaschen. Es ist ein Mensch gestorben. Johannes Kneifel ist und bleibt für den Tod von Peter Deutschmann verantwortlich.
Kann man nur hoffen, dass sich das Schäflein nicht als Schaf im Wolfspelz entpuppt.
Scooter