Interview mit Claus Stahl vom ADFC Celle – er fordert:

??: Du hast im April als Experte des ADFC bei einer Veranstaltung der Initiative LIST viele Fragen zum Fahrradverkehr in Celle beantwortet. Erzähle uns bitte zunächst einmal, was der ADFC ist und wie er seine Arbeit in Celle organisiert.

!!: Der ADFC ist die Interessenvertretung für Alltags- und Freizeitradler und wurde als gemeinnütziger Verein 1979 in Bremen gegründet. Heute haben wir 160.000 Mitglieder, 450 Kreisverbände und Geschäfts- und Beratungsstellen in 80 Städten. Die Bundesgeschäftsstelle ist in Berlin. - Die Kreisgruppe Celle hat etwa 230 Mitgliedern und rund 10 Aktive, die sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 19 Uhr in der Verbraucherzentrale in der Schuhstraße 40 treffen. Gäste sind stets willkommen. Unser Vorstand setzt sich zusammen aus der Vorsitzenden Ingrid Dollinger (adfc-celle(at)t-online.de), dem verkehrspolitischen Sprecher Wilhelm Eggers (radverkehr[at]adfc-celle.de), Volkmar Nehse und dem Kassenwart Detlev Meier.

??: Als ADFC seid ihr auch Mitglied in der „AG Fahr Rad“ der Stadt Celle. Was treibt diese AG?

!!: Sie kümmert sich um Umsetzung von Maßnahmen, die das Fahrradfahren in Celle attraktiver und sicherer machen. Dazu hat sie unter anderem einen „Fragebogen zur Verbesserung des Radverkehrs in Celle“ entwickelt, der im Internet verfügbar und dort auszufüllen ist. Zu der AG gehört neben uns noch die Polizei und die Fachverwaltung der Stadt.

??: Auf der Veranstaltung ist deutlich geworden, dass Radfahrer*innen ohne Ende Mängel im Celler Straßennetz aufzählen können. Was aber müsste sich aus deiner Sicht grundlegend ändern?

!!: Im Jahr 2015 ist die Stadt Celle der „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen“ beigetreten. Damit hat der Rat zum Ausdruck gebracht, dass Celle eine Fahrradstadt werden soll. Seitdem gibt es auch immer wieder gute Vorschläge aus den Reihen unterschiedlicher Fraktionen. Zum Beispiel hatte die CDU vor zwei Jahren 70.000 Euro zusätzlich für den Radverkehr gefordert.

??: Ja. Es gab eine fette Überschrift in der CZ. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass auch berichtet wurde, als dieser Vorschlag im Fachausschuss beerdigt wurde – mit berechtigen Argumenten.

!!: Aber es wäre schon ein Maßstab zu wissen, was die Stadt Celle eigentlich pro Jahr und Kopf für den Fahr-radverkehr ausgibt. Der Nationale Radverkehrsplan 2020 (NRVP) der Bundesregierung empfiehlt beispielsweise, in Städten zwischen 6 und 15 Euro pro Einwohner für den Bau und Unterhalt von Radverkehrsanlagen bereit zu stellen. In den Städten mit einer hohen Fahrradattraktivität wird einfach vergleichsweise mehr Geld dafür ausgegeben.

??: Und konkret?

!!: Zum Beispiel Radwegebenutzungspflicht dort aufheben, wo die Radwege nicht den Vorschriften entsprechen, da müssten nur die blauen Schilder mit Fahrradsymbol abgebaut werden. Die Dauer der Grünphasen an Ampeln müssen sich für Radfahrerinnen und Radfahrer deutlich erhöhen. Aber darüber habt ihr in einem der letzten Hefte berichtet. Es müssen weitere Tempo 30-Zonen eingerichtet werden. Es müssen mehr und sichere Abstellplätze, am besten überdacht, her – im Zentrum und am Bahnhof. Die Zahl der PKW-Parkplätze sollte reduziert und dafür Fahrradabstellplätze eingerichtet werden; 8 Fahrräder passen auf eine PKW-Parkplatz. Weitere Einbahnstraßen sollten für den Radverkehr geöffnet werden. Die Oberflächen an Straßeneinmündungen sollten grundsätzlich und einheitlich stufenfrei gestaltet werden.

??: Du hast auf eine Regel der Straßenverkehrsordnung aufmerksam gemacht, die vielen Verkehrsteilnehmer*innen nicht bekannt ist. Kraftfahrzeuge müssen beim Überholen von Fahrrädern mindestens einen Abstand von 1,5 Metern halten – und da, wo ein Kind auf dem Rad transportiert wird, ist sogar ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten. Was heißt das eigentlich z.B. bei manchen schmaleren Einbahnstraßen, nehmen wir die Hehlentorstraße oder auch den Südwall?

!!: Ja, das ist so. Fahrradfahrende in der Hehlentorstraße, Südwall, Schuhstraße, Bergstraße, Am Heiligen Kreuz, können und dürfen deswegen nicht überholt werden.

??: In der Veranstaltung gab es einen nicht ganz aufgelösten Widerspruch hinsichtlich dessen, was nun eine Fahrradstraße ist. Da die CDU-Fraktion im Stadtrad Fahrradstraßen fordert, wäre ja ganz interessant zu wissen, wie wir uns das vorstellen sollen?

!!: Fahrradstraßen sollen grundsätzlich die Attraktivität des Radverkehrs steigern und Vorteile gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr schaffen. Im Prinzip muss dazu nur am Anfang und Ende der Fahrradstraße ein Schild vorhanden sein. Dann ist im Radverkehr erlaubt, nebeneinander zu fahren, und Kraftfahrzeuge sind hier verboten. In der Regel wird es dem Anliegerverkehr mit einem Zusatzzeichen erlaubt. Aber KFZ müssen sich dem Radverkehr anpassen, d.h. Höchstgeschwindigkeit 30 km/h . Leider haben dabei, wenn es nicht speziell geregelt ist, von rechts einbiegende PKW sogar Vorfahrt.

??: Es gibt ja sicher auch etwas im Celler Straßennetz, dass das Herz von Radfahrer*innen beglückt. Was fällt dir dazu ein?

!!: Positiv ist die Öffnung von immer mehr Einbahnstraßen und Fußgängerzonen. Das Parkhaus am Bahnhof ist nach Korrektur sehr zu empfehlen. Es sollen dort weitere 100 Anlehnbügel aufgebaut werden - leider sind sie eckig und nicht rund, warum bloß? Der Radweg Hannoversche Heerstraße Richtung Adelheidsdorf wurde "geglättet", leider bisher nur in einer Fahrtrichtung.

??: Und eine letzte Frage: Es gibt ja kaum etwas Nervigeres, als wenn einem/einer das Rad geklaut wird. Gib' uns bitte mal ein paar Tipps, wie dieses Risiko zu minimieren ist.

!!: Die Kosten für das Schloss sollten mindestens zehn Prozent des Radwertes betragen. Du solltest möglichst zwei Schlösser verwenden und nicht nur abschließen, sondern auch anschließen an Metallgitter, Zaun, Schild, Radständer … Und es ist sinnvoll, das Rad codieren zu lassen – von der Polizei oder z.B. auch bei Jacobi oder Brand.