Celle: neoliberaler Haushalt 2013Drohen Privatisierungen?

Volldampf für Personalabbau und Privatisierung? Alles sieht danach aus, dass der städtische Haushalt 2013 mit diesem Fahrplan am 14. Februar verabschiedet wird. Auf der Kommandobrücke: CDU, SPD, Bündnisgrüne, FDP und WG. Die ganz ganz große Koalition also. An den Zahlen wird zwar wohl gegenüber dem bestehenden Entwurf nichts geändert; aber es soll eine ergänzende Erklärung geben, die in allgemeiner Form Punkt für Punkt dem Kurs der CDU entspricht.

Was war und ist die Ausgangssituation? Die Stadt Celle hat einen Schuldenberg von rund 250 Millionen Euro. In den nächsten drei Jahren soll die investive Verschuldung um noch einmal um mindestens 26 Millionen Euro wachsen, womit die jährliche Zinslast um weitere 1,24 Millionen Euro steigt. Die Chancen zum Abbau der Schulden stehen schlecht. Denn seit 1999 weisen die Haushalte der Stadt Celle – mit Ausnahme der Jahre 2002 und 2008 – strukturelle Defizite aus. Das heißt: Es wird mehr ausgegeben, als eingenommen: Die Stadt steckt „Knietief im Dispo“, um mal einen Titel der Band Fehlfarben zu bemühen.

Zur Lösung dieser Misere gibt es drei Wege:

1.) Einnahmen verbessern,
2.) Ausgaben senken,
3.) Verzicht auf Investitionen (und damit Zinszahlungen).

Die CDU-Ratsfraktion hatte sich schon im Dezember auf einen scharfen neoliberalen Kurs festgelegt, festgeschrieben in einen so genannten »4-Punkte-Plan«:

„1.) Erhöhung der Erträge aus Beteiligungen;
2.) Verringerung der lfd. Aufwendungen für Personal, Sachleistungen, Dienstleistungen, auch durch Betriebsausgliederungen;
3.) Fokussierung der Investitionen;
4.) Schuldenabbau durch Verkäufe und Betriebsausgliederungen.“
Zugespitzt bedeutet das nichts anderes als Privatisierung öffentlicher Leistungen, Personalabbau, Erhöhung der Mieten bei den Wohnungen der WBG und bei Wasser/Abwasser.

Hinter den Kulissen wurde schon während der Haushaltsberatungen im Dezember zwischen SPD, CDU und OB Mende eine gemeinsame Erklärung diskutiert, um die Zustimmung der CDU zum Haushalt zu sichern. Aber eine vergleichsweise seichte Erklärung, die nichtsdestotrotz klare Absichten zu Privatisierung und Stellenabbau erkennen ließ, wurde von der CDU kurz vor der Ratssitzung mit einigen konkreteren Eckdaten versehen, die für OB Mende zu weit gingen. Insbesondere schloss die CDU auch die Erhöhung der Gewerbesteuer aus. Der schöne Traum von einer großen Koalition war erst einmal zerplatzt. Und um mögliche Alternativen hatten sich weder die SPD noch Mende bemüht. (Aber dazu später.)

Was will eigentlich die SPD? Sie will zum einen eine Einnahmeverbesserung über die Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer. Zum andern aber hat sie ebenfalls Türen für Privatisierung und Stellenabbau geöffnet. Dies manifestiert sich in einigen Anträgen, die sie während der Haushaltsberatungen gestellt hat, z.B.: Die Verwaltung soll den Aufgabenbereich „Klärwerk und Kanalbetrieb“ dahingehend prüfen, „ob private Investoren im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung einbezogen werden können.“ Ein Investor aber will eine Rendite. Die lässt sich erzielen, indem entweder die Leistungen reduziert werden, Personal abgebaut wird – oder die Gebühren erhöht werden. Am besten alles zusammen. Da nutzt dann auch die Beschränkung auf eine Minderheitsbeteiligung wenig.

Und dass die SPD beim Stellenabbau nicht so zimperlich ist, wie sie tut, wurde in der Ratssitzung deutlich, als ihr Fraktionsvorsitzender Jürgen Rentsch mal eben die Streichung von zwei Stellen im Bomann- Museum forderte. (Im Übrigen ohne zu erklären, welche Arbeitsbereiche damit stillgelegt werden sollen.) Weiter wurde beantragt zu prüfen, ob im Bereich der freiwilligen Leistungen im Kultursektor 10 Prozent eingespart werden könnten. Und auch das bedeutet unterm Strich nichts anderes, als Arbeitsplätze „einzusparen“.

Werfen wir einen Blick auf die kleineren Fraktionen. Der FDP geht’s um den Schutz ihrer Klientel, d.h. vor allem: keine Gewerbsteuererhöhung. Und wer die Einnahmen nicht verbessern will, muss beim Personal „sparen“. Die Unabhängigen sind offen für Privatisierungen, aber ihr Ziel liegt eher bei Einsparungen im investiven Bereich. Der Ausbau der Allerinsel ist ihnen ein Dorn im Auge; sie kämpfen gegen den Wegfall der kostenlosen Parkplätze und die Verlegung der Einrichtungen der Schützen. Immerhin: Sie sind auch nicht gefangen vom Ring-Mystizismus; ein Verzicht auf Nordwall und Neumarkt-Kreisel würde sie nicht zu Tränen rühren.

Und „links“ von der CDU? Die Wählergemeinschaft hat vor allem dadurch überrascht, dass sie der Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer zugestimmt hat, also pragmatisch die Notwendigkeit von Einnahmeverbesserungen. Ihr war es zudem ein Anliegen, dass der Haushalt von außen unter die Lupe genommen wird. Das soll die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) in Köln machen, ein von den Kommunen gemeinsam getragenes „Entwicklungszentrum des kommunalen Managements“. Das ist nicht vergleichbar mit Unternehmensberatungen á la Roland Berger oder Kienbaum, aber ums Personal geht’s auch da. – Bündnis ’90/Die Grünen haben sich in den Haushaltsberatungen sehr zurückgehalten. Aber sie haben gegen den Appell ihrer Landtagskandidatin die Kita- Gebühren erhöht, die Gewerbsteuererhöhung mitgetragen und den Anstoß gegeben für die Erhöhung der Vergnügungssteuer. Ihnen war zentral daran gelegen, die Einnahmesituation zu verbessern – und modellhaft für Land und Bund rot-grüne Einigkeit zu demonstrieren.

Bei der Fraktion Die Linke/BSG wird’s dann spannend – denn hier kommen wir zu der Alternative: Sie hatte SPD, Bündnisgrünen, der WG und OB Mende (also jenen, die nichts gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer hatten) vier Wochen vor der Dezember- Ratssitzung zum Haushalt ein Angebot vorgelegt: Die Linke/BSG würde zustimmen, wenn erstens das Investitionsprojekt Nordwall/Neumarkt gestrichen wird, zweitens ein beschlussfähiges Konzept für eine Klimaschutzagentur erarbeitet wird und drittens der Gewerbesteuerhebesatz bis 2015 um 30 Prozentpunkte auf 420 erhöht wird. Ergebnis: Keine Reaktion. Nachdem allerdings ihr Deal mit der CDU gescheitert war, beantragte die SPD in der Ratssitzung dann aber genau jene Erhöhung der Gewerbesteuer, die Die Linke/BSG vorgeschlagen hatte: Und siehe da, es fand sich eine Mehrheit aus SPD, Bündnisgrünen, WG und Die Linke/BSG.

Nachdem im Dezember kein Haushalt zustande gekommen war, machte Die Linke/BSG erneut einen Vorschlag: Sie würde sich enthalten – und so SPD, Bündnisgrünen und WG eine Mehrheitsoption eröffnen, wenn im Haushalt noch Mittel für ein Symposium, also eine Fachkonferenz zum Thema Nordwall/Neumarkt mit Verkehrs- und Stadtentwicklungsexpert_innen, eingestellt würden und so öffentlich die Sinnfrage für dieses unsinnige Projekt gestellt wird. Und auch für die Klimaschutzagentur sollte weiter ein Konzept her.

Daraufhin fanden Gespräche statt und die SPD signalisierte eine ernsthafte Prüfung und Interesse. Auch die WG soll, wie wir hörten, grundsätzliche gegenüber einer solchen Haushalts-„Koalition“ offen gewesen sein. Einzig Bernd Zobel von Bündnis ’90/Die Grünen soll sich „erpresst“ gefühlt und sich gegen den Vorschlag von Die Linke/BSG gestellt haben.

Die CDU war zwischenzeitlich auch nicht untätig geblieben. An der beschlossenen Gewerbesteuererhöhung konnte sie nichts mehr ändern. Um „im Spiel“ zu bleiben, legte sie Mitte Januar den anderen Ratsfraktionen eine in den Formulierungen weichgespülte Version der in der ersten Runde von Mende abgelehnten Erklärung vor, die nichtsdestotrotz an Privatisierung, Stellenabbau und Gewinnabschöpfung aus den städtischen Unternehmen festhält. Und sie setzte sich anscheinend mit allen ihren Vorstellungen durch; in der uns bekannten Version von Mitte Januar heißt es:

„Der Rat sieht vier Gebiete, auf denen schrittweise die erforderlichen Ergebnisverbesserungsmaßnahmen realisiert werden können:
a.) Erhöhung der Erträge aus Tochter- und Beteiligungsgesellschaften
b.) Verringerung der laufenden Aufwendungen u.a. durch
- Strikte Stellenbewirtschaftung
- Einsparungen bei bezogenen Sach- und Dienstleistungen, Transfer- und sonstigen Aufwendungen
- Ausgliederung von selbst erbrachten Leistungen, Teilbetrieben oder Betrieben an private Betreiber
c.) Nachträgliche Fokussierung der bislang für 2013 bis 2016 geplanten Investitionen auf 70 bis 80 Mio. Euro
d.) Maßgeblicher Abbau der Verschuldung durch Verkäufe von Sach- und Finanzanlagevermögen sowie aus der Ausgliederung von Eigenleistungen und –betrieben.“

Dass die SPD hier durchaus nicht etwas aufs Auge gedrückt bekommt, sondern sie in genau diese Richtung will, zeigt sich an einem Papier, mit dem eine Auftragsbeschreibung an die KGSt konkretisiert werden soll. Darin ist zu lesen:

„Die KGST soll im Rahmen der Untersuchung auch prüfen, in wie weit bislang von der Stadt erbrachte Leistungen, Teilbetriebe oder Betriebe an private Anbieter vergeben bzw. ausgegliedert werden können.“

Die Ratssitzung am 14. Februar 2013 könnte mit der Verabschiedung des Haushalts 2013 so zum Auftakt eines neoliberalen Privatisierungskurses werden, wie ihn die Stadt Celle unter alten CDU-Mehrheiten noch nicht erlebt hat. Dieses Mal mit fester Unterstützung durch Rot-Grün. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: Es hätte eine Alternative gegeben im von der Fraktion Die Linke/BSG vorgeschlagenen Kurs, der mit der Streichung des Projekts Nordwall/Neumarkt einen wichtigen ersten Schritt gegen weitere Neuverschuldung bedeutet hätte.