Auto- und Innenstadtlobby fordert mehr Parkfläche

Seit gut zehn Jahren jeweils am dritten Freitag im September werden graue Parkflächen kurzfristig zum Leben erweckt. Zweck der Kunstaktion: Es wird aufgezeigt, wie Verkehrsflächen anders genutzt werden können. Und es wird damit auch die Frage gestellt, wie viel Fläche dem Autoverkehr eingeräumt werden soll.

In Celle ticken die Uhren anders. Hier wird gerade wieder der Schrei nach mehr Parkplätzen lauter – wenn auch nur aus bestimmten Kreisen.

„Die Innenstadt zu erreichen ist eine Chance für die Innenstadt“ – so überschrieb die FDP-Ratsfraktion im Juni einen Antrag. Darin forderte sie,

  • die „sofortige Beendigung des fortwährenden Abbaus von Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum der Altstadt“,
  • die „Schaffung von weiteren Stellplätzen im Bereich der Altstadt“ ,
  • 10 bis 15 Parkplätze am Weißen Wall und
  • „gebührenfreies Parken für Fahrzeuge mit E-Kennzeichen“.

In der Verwaltung dürfte dieser Antrag Kopfschütteln oder alternativ Lachanfälle ausgelöst haben, denn – so die Antwort:

„Nach derzeitigem Stand ist kein Abbau von Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum der Altstadt vorgesehen. […] [D]er öffentliche Stellplatzbedarf [ist] gedeckt [...]. Die Schaffung weiterer Stellplätze ist deshalb nicht erforderlich. [...] Zurzeit bestehen im Bereich Weißer Wall 6 Kfz-Stellplätze, 4 Taxi-Stellplätze und 10 Fahrradstellplätze. [...] Für einen Rückbau des Weißen Wall zum Parkplatz besteht keine Veranlassung. […] Elektrofahrzeuge sind nach geltender Parkgebührenordnung bereits von Parkgebühren befreit.“

Wohnen am Parkplatz

Tatsächlich umkämpft ist dagegen die Frage, wie viele kostenlose Parkplätze auf der Allerinsel verbleiben sollen. Nachdem in den ersten Planungen ein Parkhaus vorgesehen war, haben sich die Schützen mittlerweile „ihre Festwiese“ zurückerobert. Diese sollte ursprünglich in den Westen verlegt werden. Aber nachdem Conmetall dort jetzt doch nicht weichen will, war diese Idee sowieso passé. Aktuell sieht es jetzt so aus, dass am Eingang zur Allerinsel eine 20.000 qm große Fläche erhalten bleiben soll, auf der bis auf die paar Tage Schützenfest geparkt werden kann.

Planerisch ist das ein Witz und entwertet die Allerinsel enorm. Aus „Wohnen an der Aller“ wird „Wohnen am Parkplatz“. Im übrigen verringert sich die Anzahl der Wohneinheiten um etwa 250 auf ungefähr 500, was – nebenbei – auch negative Auswirkungen für den städtischen Haushalt hat, denn: Es können weniger Grundstücke verkauft werden und die Kosten für die Anlage und Pflege der Parkflächen bleiben bei der Stadt hängen.

Das Planungsbüro „Pesch Partner“ geht in der Anfang August vorgestellten neuen Rahmenplanung davon aus, dass von den bisher etwa 2000 kostenlosen Parkplätzen jetzt rund 700 erhalten bleiben. Das ist einzelnen Innenstadtakteuren wie auch der Ratsfraktion der „Unabhängigen“ zu wenig. Harald Ruttkowski („Pro Altstadt“) meint, diese würden allein schon durch den Berufsverkehr belegt, so dass für Kundinnen und Kunden der Altstadt kostenlose Parkmöglichkeiten verloren gehen. Dies wiederum, so sein Argument, würde die Innenstadt gegenüber Märkten wie Wallach oder dem Telefunkengelände weiter ins Hintertreffen bringen. Denn die verfügten über kostenlose Parkplätze. Die Kritik führte inzwischen schon dazu, dass Stadtbaurat Kinder in Aussicht stellte, dass vielleicht im Westen der Allerinsel zusätzliche 300 Parkplätze entstehen könnten: „Wohnen zwischen Parkplätzen“.

Planung deckt Bedarf

Nachhaltige Zukunft sieht eigentlich anders aus. Auch haben die Forderungen wenig mit der Realität zu tun. Im „Integrierten Parkraumkonzept“ der Stadt Celle aus dem Jahr 2014 ist zum Schützenplatz zu lesen, dass die stadtnahen Parkflächen (knapp 500 Stellplätze) auf der Allerinsel eine durchschnittliche Auslastung von 57 % bzw. 66 % haben. Für die weiter westlich liegenden Stellflächen (200 Stellplätze) betrug die durchschnittliche Auslastung nur noch 12 %. Auch wenn die dem zugrunde liegende Erhebung 20 Jahre alt ist, wird sie durch den alltäglichen Anschein bestätigt. Und das heißt: Die aktuelle Planung deckt den Bedarf.

Unpopulär ist sicherlich folgende Frage: Was rechtfertigt eigentlich die kostenlose Benutzung öffentlicher Flächen zu Parkzwecken? Schnell kommt das Argument, dass sich die „kleine“ Verkäuferin von ihrem Lohn nicht auch noch einen Platz in einem Parkhaus leisten könne. Aber ist das ein „Problem“ der Gesellschaft? Die „Großen“ wie Saturn oder Karstadt bieten ihren Beschäftigten kostenlose Parkflächen in ihren Parkhäusern. Warum sollen die „Kleinen“ davon befreit werden, für ihre Beschäftigten Parkflächen zu mieten?

Und Platz gibt es allemal. Das schon erwähnte „Integrierte Parkraumkonzept“ sieht zwar für das Parkhaus Südwall an Werktagen eine Auslastung von 94 Prozent, aber noch deutliche Kapazitäten im Parkhaus Nordwall mit einer Auslastung von 68 Prozent: Vor allem aber steht das Parkhaus Union mit einer Auslastung von 12 Prozent praktisch leer. Über die Belegung der zum Teil kostenfreien Parkpaletten am Langensalzaplatz und am Eingang der Blumlage finden sich im Gutachten keine Aussagen. Das Fazit der Freien Planungsgruppe Berlin liest sich so:

„Die Stellplatz-Analyse im Untersuchungsgebiet ergab einen Bestand [...], der sowohl den Bedarf an privaten wie auch an öffentlichen Stellplätzen deckt. Durch die Tiefgarage Congress Union besitzt die Stadt eine Sammelstellplatzanlage in Altstadtnähe mit freien Kapazitäten […] Die Entwicklung des Verkehrsaufkommens ist insgesamt rückläufig, während die Einpendlerzahlen weiter steigen. Statt der Nachfrage mit neuen Stellplätzen zu begegnen, sind die bestehenden Kapazitäten effektiv zu nutzen und nachhaltige Formen des Pendlerverkehrs zu etablieren. Bausteine dafür sind eine besondere Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Fahrradverkehrs oder etwa die technische Umsetzung von Pendlerportalen für die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten im Sinne einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung.“

Von letzterem ist in Celle bekanntlich nicht die Rede.

Aufenthaltsorte statt Parkplätze

In der Bevölkerung gibt es, wie eine repräsentative Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) zeigt, eine starke Tendenz für eine andere Aufteilung des öffentlichen Raumes. Nur zehn Prozent der Bürger*innen sprechen sich für mehr Parkplätze und Kfz-Fahrbahnen aus. Bei den weiblichen Befragten sinkt der Wert auf acht Prozent. 87 Prozent derjenigen, die den Straßenraum anders aufteilen möchten, wünschen sich mehr Platz für aktive Mobilität und attraktive Aufenthaltsorte. Gefragt, woher der gewünschte Platz genommen werden soll, antworten 49,8 Prozent „vom Autoverkehr“ (Frauen: 55,2 Prozent). Die Studie gibt es hier: https://www.adfc.de/files/2/38/GfK_Studie_Mehr_Platz_fuer_Begegnungen.pdf)

Den kostenlosen Parkplatz für Ratsmitglieder und (wie zu beobachten ist) ihre Angehörigen wird es nicht mehr lange geben. Die Stadt hat den Parkplatz und das danebenstehende Haus an einen Investor verkauft. Ein aus Sicht gemeiner Bürger*innen ärgerliches Privileg aus Zeiten, als Sitzungen noch im Alten Rathaus stattfanden, verschwindet damit endlich.