Interview mit Peter Rosenbaum (BiBS-Fraktion im Braunschweiger Rat)

Water makes Money – in BraunschweigIm Dokumentarfilm „Water makes Money“ ist eins der Fallbeispiele die Stadt Braunschweig, die 2006 ihre Abwasserentsorgung privatisierte. Einer der Kritiker und Protagonisten in der Doku ist Peter Rosenbaum, Vorsitzender der Ratsfraktion „Bürgerinitiativen Braunschweig (BiBS)“. Er kommt am 11. April nach Celle, um im Anschluss an die Vorführung des Films im Kino achteinhalb die Besucher_innen über den Fall in unserer Nachbarstadt zu informieren und mit ihnen zu diskutieren. Wir haben vorab ein Interview mit ihm geführt.

??: Nachdem wir uns „Water Makes Money“ und kürzlich die Sendung von „Panorama 3“ angeschaut haben, wissen wir zwar, dass in Braunschweig eine Schweinerei in Sachen Privatisierung der Abwasserversorgung gelaufen ist, aber: Wir verstehen nicht ganz, wie das funktioniert. Lass’ uns die Sache mal aufdröseln. Wie hat das Ganze angefangen?

!!: Ziel im Rathaus war die Beschaffung von viel Geld, ohne Schulden zu machen, die im Stadthaushalt auftauchen. Dafür bedurfte es privater Partner, die zumindest formal auf ihren Namen bei den Banken die Kredite aufnahmen bzw. aufnehmen. Als private Partner fungierten dabei der Abwasser(zweck)verband einerseits und veolia mit einer eigens dafür gegründeten GmbH andererseits, die aber beide weder die nötigen finanziellen Potenzen, noch bank-übliche Sicherheiten bieten konnten. Die Banken haben sich daher von der Stadt Braunschweig Rückversicherungen unterschreiben lassen, sog. Forfaitierungen mit Einredeverzicht. Damit kommen die Banken immer an ihr Geld, auch wenn z.B. die veolia- Tochter zahlungsunfähig wäre. Für die Banken also ein risikoloses, einträgliches Geschäftsmodell, welches von teuren Beratergesellschaften ersonnen wurde.

??: Wie ist die Privatisierung dann finanziell gelaufen?

!!: Es wurden 248 Mio. € gleich zu Beginn der umfangreichen Verträge im Januar 2006 bei der Nord LB und der Dexia Bank beschafft. Dafür wurde formal ein sog. "Nutzungsrecht" an den Kanälen an den Abwasserverband verkauft. Dann noch einmal 25 Mio. € für den Verkauf des eigentlichen Betriebes Stadtentwässerung an die veolia-Tochter. Alles über forfaitierte Kredite zu Lasten der Stadt.

??: Wie macht Veolia jetzt über diese Konstruktion ihre Gewinne? Hat das Auswirkungen auf die Abwassergebühren? Was hat sich für die Beschäftigten verändert?

!!: Für den Betrieb erhält Stadtentwässerung/veolia Leistungsentgelte, wovon das Personal und Material etc. zu bezahlen ist, wie bei privaten Firmen eben üblich, natürlich auch mit Gewinn-Margen.

Zusätzlich ist StEB/veolia mit dem Abwasserbetrieb auch vertraglich für alle Neu-Investitionen in die Kanäle und Betriebsausstattungen zuständig. Diese Mittel für Neu-Investitionen werden wiederum über forfaitierte Kredite (jährlich ca. 15 Mio. €) beschafft. Daran verdient StEB/veolia noch einmal eine Pauschale von 14,5 %. Für Bürger_innen und Beschäftigten hat sich wenig verändert, da das Geschäftsmodell auf dreißig Jahre ausgelegt ist. Erst im Jahre 2025 werden die dann aufgetürmten Kreditverpflichtungen sichtbar und müssen von unseren Kindern bezahlt werden.

??: Welche Ratsfraktionen waren bei euch eigentlich dafür und welche dagegen? Kann die Stadt eigentlich aus dieser Privatisierung wieder rauskommen?

!!: Für die Abwasserprivatisierung haben Ende 2005 CDU, SPD und FDP gestimmt, Grüne und Linke dagegen. Die Privatisierung endet 2025, sofern die Stadt dann die Rückzahlungsansprüche der Banken in Höhe von ca. 350 Mio. € erfüllen kann. Wenn nicht, muss die Stadt dann ganz offiziell und auf eigene Rechnung um Neu-Kredite nachsuchen.

??: Welche Folgen hat das aus deiner Sicht für die Bürgerinnen und Bürger mittel- und langfristig?

!!: Bis zur Privatisierung war in den zu zahlenden Abwassergebühren alles - einschließlich der Neuinvestitionen enthalten. Seit 2006 nicht mehr, seither werden die Neuinvestitionen über Kredite bezahlt, wofür die Rechnung dann ab 2025 präsentiert wird.