Mal wieder rinks und lechts?
Am 16. Februar führten einige Kameradschaftsnazis auf dem Brandplatz einen Stand zu ihrem geschichtsrevisionistischen Lieblingsthema „Dresden“ durch. Mit einer eigentlich sehr gelungenen Aktion unter dem Motto »Nazis abschirmen« protestierten Antifaschist_innen gegen diese Opfermythen-Bildung. Im Zentrum der Berichterstattung der Celleschen Zeitung stand leider eine Auseinandersetzung, bei der ein Antifaschist ein Tierabwehrspray gegen die Neonazis eingesetzt haben soll. Daraufhin schlugen sich auf den Leserbriefspalten einige „Ewiggestrige“ auf die Seite der Neonazis; insbesondere Hanno Graf von Kielmannsegg, der immer mal wieder in dieser Richtung „auffällig“ wird.
Klaus Jordan vom Netzwerk Südheide antwortete in einem Leserbrief, den wir mit seiner Zustimmung hier vollständig veröffentlichen:
Da ist es wieder: das Gleichsetzungsgetöse von linken und rechten Extremisten.
Nach der reißerischen Aufmachung in der CZ über die Auseinandersetzung um einen Infotisch der „Freien Kräfte Celle“ ist viel geschrieben worden, aber wenig berichtet.
Ein paar Fakten:
Seit Jahren mobilisieren Neonazis für eine Demonstration zum Gedenken an die Bombenopfer in Dresden. Ihr „Gedenkmarsch“ soll die „alliierten Angriffskriege gegen die um Freiheit ringenden Völker“ anprangern und die historischen Verantwortlichkeiten umdrehen. Mit dieser (und ähnlichen Aktionen, z.B. in Bad Nenndorf) versuchen Nazis eine deutsche „Opfertradition“ zu installieren und von den eigentlich Schuldigen abzulenken.
Seit Jahren mobilisieren auch in Celle deren einheimische „Nazigrößen“ um Dennis Bührig für diese Dresdner Nazishow, unterstützt von Kräften aus dem Umfeld der (mittlerweile) verbotenen Gruppierung „Besseres Hannover“.
Gegen diese Machenschaften gab es eine breite Protestbewegung, die an den letzten zwei Samstagen mit vielen und unterschiedlichsten Beteiligten in der Innenstadt auf den Beinen war.
Infoflyer wurden verteilt, Diskussionen mit den Passanten geführt, der Handlungsspielraum der Nazis eingeschränkt und deren Propagandaaktion gestört. Das bedeutete für alle, die sich daran aktiv beteiligten: stundenlange Präsenz, großer Diskussionsbedarf, engagierte Auseinandersetzung, vielfältig bis hin zu einer Samba- Trommelgruppe.
Einem von uns war das zu wenig! Trotz Absprache (keine tätlichen Angriffe) attackierte er den Infotisch der Nazis und verletzte mehrere Personen mit Pfefferspray. Ein Verfahren wegen „Körperverletzung“ wird die Folge sein. So weit, so schlecht und eigentlich unnötig.
Trotzdem mutierte diese Einzelaktion zur Headline auf Seite 1 der CZ und zu einem Leserbrief, der ein paar sehr bedenkliche Statements absondert.
Werter Herr Hanno Graf von Kielmannsegg!
Woher wollen Sie wissen, wie die „linke Szene“ mit Andersdenkenden umgeht. Wer ist das überhaupt?
Sie reden von Nazis, „deren Auffassungen man ablehnen kann“, wo aber „nicht alles von vornherein verdammenswert“ ist. Sie sehen diese Personen als Opfer, die wie „Aussätzige und Untermenschen“ behandelt werden, denen gegenüber „Gewalt, Diffamierung, Häme und öffentliche Ausgrenzung“ erlaubt seien und fordern sachliche gleichberechtigte Auseinandersetzung.
Werter Herr Graf!
Haben Sie eigentlich schon mal was von dem NSU gehört oder vielleicht mal an die über 180 Todesopfer nachgedacht, die seit 1990 auf das Konto von Rechtsradikalen gehen? Oder über deren Ausländerhass, Judenfeindlichkeit, das arische Herrenmenschengetöse? Was wissen Sie eigentlich über deren Drohgebärden und heimlichen Tätlichkeiten? Haben Sie überhaupt schon mal den Schmutz auf den einschlägigen Webseiten verfolgt oder die Hetzkampagnen gegen Missliebige?
Sie reden viel, aber wissen gar nichts.
Und was die „sinnlose Vernichtung“ Dresdens betrifft. Diesen Krieg, der so sinnlos ist, wie (fast) alle Kriege, haben die Deutschen angezettelt und weitgehend tatenlos weitergeführt, als das Ende schon längst ab zu sehen war. Eingedenk der Zustimmung zu Goebbels‘ »Wollt Ihr den totalen Krieg?« haben hunderttausende von Opfern auf allen Seiten noch ihr Leben lassen müssen, weil Militär- und Reichsführung lieber ihrem völkischen Überlegenheitswahn oder einem pervertierten Treueeid folgten wollten, als an irgendwelche Opfer zu denken. Die Angriffe der Alliierten waren eine Antwort darauf – schmerzhaft und von präziser Tödlichkeit.
Und, werter Herr Graf, mit den selbsternannten Nachfolgern dieser Verbrechereliten wollen Sie auf Augenhöhe über Recht und Unrecht diskutieren?
Das sehen wir vom »Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus« ebenso wie alle „Linken, deren Sympathisanten und linksextremen Gewalttätern“ ganz anders und fordern weiterhin, allen Naziaktivitäten einen Riegel vorzuschieben, öffentlich und streitbar.
Niederohe, den 22.02.13
Klaus Jordan "Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus"
Kleine Ergänzung von revista:
Wie uns zu Ohren kam, fand während des „Tumults“, der in das Zentrum der Berichterstattung gestellt wurde, ein weiterer Reizgasangriff statt. Eine Polizistin soll versucht haben, die Demonstrant_innen damit in „Schach“ zu halten. Ist das auch schwere Körperverletzung? Ach ne, das ist ja was ganz anderes! Es ist ja übliche Praxis der Polizei und viele von uns haben damit schon ihre Erfahrungen gemacht – nicht nur in Gorleben.
Nachdem die Nazis ihren Stand eingepackt hatten, haben sich etliche Antifaschist_innen noch entschlossen eine Spontandemo durchzuführen. „Entschlossen und kraftvoll bewegte sich der antifaschistische Schirmblock lautstark durch die Celler Altstadt und dann unbehelligt von der Polizei auf Hauptstraßen in Richtung Jägerstraße. Beim Neonazitattooshop »Dr. Jerkyll & Mr. Hyde« in der Hannoverschen Straße wurde angehalten um einen Redebeitrag abzuspielen. Das Auftreten der Antifaschist_innen sollte den Betreiber_innen des Ladens klar gemacht haben, dass Neonazis in Celle niemals ungestört ihren Geschäften werden nachgehen können.“ Danach ging es dann zur Polizeiwache in der Jägerstraße, wo der Spray-Aktivist abgeholt werden sollte. Der war zum Glück schon wieder draußen. Aber es kam dann noch ein Beamter zu den Demostrant_innen und bedankte sich für den friedlichen Verlauf.
Die Nazis waren in erster Linie aus dem Umfeld von „Besseres Hannover“: Bührig, Demuth und Subke waren bereits am 01.05.2012 bei der Störung der DGB-Kundgebung in Celle dabei, ebenso wie der Kamerad zwischen Bührig und Subke.