Bild: Mona Caron, www.monacaron.comViva la velorution!

So sieht Benjamin Reuters Fazit in der WirtschaftsWoche Green zum Thema Mobilität aus. In den USA stoppte das Wachstum von zurückgelegten Meilen pro Auto schon im Jahr 2004. Seit 2007 sinkt der Wert. In Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan sinken die Werte der Autokilometer pro Person bereits seit 1990. Die Zeiten, in denen der Autoverkehr in der westlichen Welt immer mehr zunimmt, sind vorbei. Experten sprechen daher vom Peak-Car, angelehnt an den Peak Oil, mit dem das Maximum der weltweiten Ölfördermenge gemeint ist. Die Auswirkungen des Peak Car auf die Mobilität der Zukunft hat das Berliner Think-Tanks f/21 untersucht. Demnach gehen seit dem Jahr 2000 in Deutschland die Neuzulassungen von Autos zurück (Ausnahme das Abwrackprämienjahr 2009). Wer also sein Auto stehen lässt und für den Weg zur Arbeit, zum Sport oder in den Urlaub z.B. das Fahrrad nutzt, liegt voll im Trend?

Besonders Jüngere (unter 24) nutzen häufiger öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad. Gründe für Alternativen zum Auto sieht die Studie zum einen darin, das PKWs in Städten mit hohem Verkehrsaufkommen und begrenzten Parkmöglichkeiten mensch selten schneller und bequemer von A nach B bringt als andere Verkehrsmittel. So liegt in Berlin die Durchschnittsgeschwindigkeit des Autoverkehrs bei 24 km/h. Fahrräder sind da fast ebenso schnell und können kostenlos und überall parken.

Als weiteren Punkt für den Autoverdruss werden die steigenden Kosten für Haltung und Nutzung genannt. Und, kaum zu glauben: das Auto soll als Statussymbol ausgedient haben. So kann sich fast ein Drittel der Deutschen ein Leben ohne eigenen PKW vorstellen. (Doch: „Was nutzt die Liebe in Gedanken“).

Da scheint Günter Jauchs Frage in einer Wer wird Millionär Sendung an einen Kandidaten: „Haben sie ein Auto, sind sie mobil?“ nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu liegen. In Städten wie Lüneburg wird der Wunsch nach mehr Raum für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer_ innen bereits teilweise umgesetzt. Es gibt breitere Radfahr“schnellspuren“, Einbahnstraßen können beidseitig befahren werden, die Ampeln sind nicht ausschließlich zu Gunsten von PKWs geschaltet. Der Selbstverständlichkeit, mit der Autofahrer_innen den (Stadt)verkehr dominieren und ihnen ganz nach dem Recht des Stärkeren in der Vergangenheit mehr und mehr öffentlicher Raum verfügbar gemacht wurde, muss deutlich energischer entgegen getreten werden. Was in der Studie auffällt ist, dass den Menschen hierzulande der Aspekt des verheerenden Klimawandels weltweit keinen nennenswerten Grund liefert, auf ihr Auto zu verzichten. Ebenso bleibt unerwähnt, dass Autos entgegen dem Marketing-Versprechen der Automobilindustrie weder Freiheit noch Sicherheit bedeuten. So nennt der Verkehrssicherheitsrat deutliche Zahlen: Im Jahr 2011 sind täglich 11 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen, weitere 1075 Menschen wurden pro Tag verletzt. Sicherheit geht anders. Und welche Freiheit durch das Auto ist gemeint? Die, auf Autobahnen stundenlang im Stau zu stehen? Oder die, zur rush-hour die Innenstädte in stinkende, abgasverseuchte, Krebs und Atemwegserkrankungen auslösende NO GOZonen für nichtmotorisierte Städter_innen zu machen?

Krebs durch Dieselruß

Im vergangenen Jahr kam es zu einer Neubewertung von Dieselabgasen durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Hinsicht auf das Krebspotential stufte die WHO Dieselemissionen ebenso krebserregend ein wie Asbest, Arsen oder Senfgas. Ehemals als potentiell krebserregend, wird der Treibstoff nun ursächlich für Lungenkrebs genannt und eine Verbindung zu Blasenkrebs hergestellt. Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass das Einatmen von Dieselabgasen zu Atemwegserkrankungen führen und einen Herzinfarkt auslösen kann. Im British Medical Journal sehen Wissenschaftler_ innen den Beginn des Herzinfarkts bei 79.288 Menschen aus verschiedenen Regionen Englands und Wales in direkter Abhängigkeit von den dort jeweils gemessenen Werten zur Luftqualität.

critical mass

Inwieweit das Ergebnis der WHO dazu führt, per Gesetz Lebewesen vor Dieselabgasen zu schützen und damit sind nicht bloß halbherzige Maßnahmen wie Rußpartikelfilter gemeint, die gerade die gefährlichen Rußteilchen im Nano Bereich nicht zurückhalten können, bleibt abzuwarten. Doch im Hinblick darauf, dass bereits Mitte der 198oer Jahre im Umweltbundesamt das Wissen um die gesundheitlichen Auswirkungen von Dieselemissionen bekannt waren, ist anzunehmen, dass auch aktuell der Ball flach gehalten wird, um die Profite der Automobil- und Erdölbranche nicht zu gefährden.

Und die Verbraucher_innen? Selbstverständlich würde heute niemand mehr Asbest wissentlich z.B. in Häusern verbauen, beim Kauf eines Dieselfahrzeugs regen sich jedoch kaum Bedenken. Und wer schon einen Diesel fährt, macht sich in der Regel auch keine Gedanken mehr darüber, was er und sie ihrer Umwelt antun, wenn sie mit dem Auto zum Einkaufen oder in den Kindergarten fahren.

Ein Umschwenken von fossilen Energieträgern auf sogenannten Agro-Sprit also Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen ist mit Blick auf die Welternährung keine Alternative. Fruchtbare Erde sollte und muss weltweit der Nahrungsmittelherstellung vorbehalten sein.

Zudem haben im Jahr 2006 Wissenschaftler_innen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig in Laborversuchen nachgewiesen, dass Rapsölabgase zehnmal stärker das Erbgut von Mikroorganismen verändern als Dieselabgase.

Klimakiller Dieselruß

Rußpartikel aus Dieselmotoren von Fahrzeugen, Schiffen und Baumaschinen absorbieren das Sonnenlicht und tragen damit zur Erwärmung der unmittelbaren Umgebung bei. „Rußpartikel sorgen dafür, dass die Arktis und die Gletscher der Erde massiv abnehmen“, so die Forscher des NASA Goddard Institute for Space Studies. Umweltwissenschaftler Axel Friedrich erklärt dazu ergänzend im pressetext Interview: „Rußpartikel lagern sich auf den weißen Eisflächen ab und reduzieren die Reflexion des Sonnenlichts um bis zu 40 Prozent. Das führt zur noch schnelleren Erwärmung des Eises und zum beschleunigten Abschmelzen der Gletscher.“

Zum Picknick auf die Allerbrücke?

Rund 644.000 km sind in Deutschland mit Autobahnen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen bebaut. In Wikipedia finden wir unter Straßennetz: … entsteht aus dem Bedürfnis, Transportaufgaben zu bewältigen. Transportiert werden demnach Menschen(vom Wohnort zum Arbeitsplatz) und Konsumgüter. Folgerichtig brauchen wir diese Straßen nur so lange, wie wir bereit sind, Arbeit aufzunehmen, die nicht in der Nähe unseres Lebensmittelpunktes liegt und wir hauptsächlich Nahrung und andere Waren konsumieren, die nicht in unserer Region erzeugt wurden. Würde sich diese Gesellschaft nun nach ökologischen und sozialen Kriterien neu organisieren, bräuchten wir einen Großteil dieser 644.000 Beton und Asphalt Kilometer nicht mehr. Was würden wir Celler_innen machen mit z.B. dem Wilhelm- Heinichen- Ring, dem Thaerplatz oder der Kreuzung am Neumarkt? Wir hätten Plätze, frei von Fahrzeugabgasen und Lärm, die wir bisher bereitwillig dem Auto- und LKW-Verkehr überlassen haben.

Eine Technologie, die gravierende Umweltschäden anrichtet, die krank macht, die täglich Menschen und unzählige Tiere verletzt und tötet und die die Reichen der Welt noch reicher macht, gehört nicht nur zurück gedrängt, sondern abgeschafft! Viva la velorution!