Nigge und Wiswe täuschen die Öffentlichkeit bei Einsparpotenzialen

In der Ratssitzung am 31. Januar soll die Entscheidung fallen, ob die Stadt den Bereich Jugendhilfe an den Landkreis abgibt. Über die fachlichen Probleme berichteten wir in der letzten Ausgabe. Die Diskussion ist inzwischen um einen gewichtigen Aspekt ergänzt: Unterm Strich dürfte der Bereich durch eine Rückübertragung nicht Kosten sparen, sondern zusätzliche Kosten hervorrufen.
In seiner Rede zum Haushalt der Stadt Celle enthüllte Oliver Müller, Vorsitzender der Ratsfraktion Die Linke/BSG, den Taschenspielertrick, mit dem der Öffentlichkeit ein Spareffekt in Höhe von 2,8 Millionen vorgegaukelt wurden:

„Niemand erklärt den Bürgerinnen und Bürgern verständlich, wieso die Stadt 2,8 Millionen „sparen“ könnte. […] Dabei geht es ums Prinzip und das ist einfach: Die Stadt wollte bisher Träger der Jugendhilfe sein. Und dafür hat sie eine sogenannte Interessensquote in Höhe von 20 % der Gesamtkosten übernommen. Das ist auch der Kern der gültigen Finanzvereinbarung. Anders gesagt: Der Landkreis erstattet für Leistungen, für die er eigentlich zuständig ist, nur 80 Prozent der Kosten. Und wenn die Stadt die Aufgaben zurückgibt, muss er 100 Prozent zahlen. Ich finde, dass diese einfache Geschichte in der Öffentlichkeit völlig verschleiert wird. Denn was heißt das? Im wesentlichen doch Folgendes: Nichts wird billiger. […] Warum verzichtet der Landkreis nicht einfach auf die Interessensquote und zahlt die 2,8 Millionen an die Stadt, die er im anderen Fall ja aus dem eigenen Haushalt demnächst sowieso finanzieren muss? Rechtlich spricht nichts dagegen.“

Auf eine Anfrage der Gruppe Grüne/WG/Partei räumte die Verwaltung diesen schlichen Zusammenhang ein. Im vergangenen Jahr sei eine neue Jugendhilfevereinbarung zwischen Landkreis und Stadt abgeschlossen worden, bei der zwar eine Erhöhung der jährlichen Zuschusszahlungen erreicht wurde, aber: „Eine vollauskömmliche Erstattung konnte nicht vereinbart werden.“

Die Gruppe Grüne/WG/Partei beantragte daraufhin: „Der Landkreis muss die städtische Jugendhilfe nicht übernehmen und zahlt dafür im Rahmen der bestehenden Jugendhilfevereinbarung mit der Stadt Celle mindestens die Hälfte der veranschlagten Mehrbelastung für den Landkreis bzw. die Hälfte der entsprechenden Einsparsumme für die Stadt, somit mindestens 1,4 Mio. Euro (von insgesamt 2,8 Mio. Euro).“ In der Begründung verwies sie u.a. darauf, dass die Stadt Lüneburg „ihre Jugendhilfeausgaben zu 100 % und damit vollständig vom Landkreis vergütet“ bekäme und die Kommunen in der Region Hannover immerhin noch 80 % erhielten.

Dass jetzt nicht eine vollständige Erstattung gefordert wird, hat mit der harten Position der Landkreisverwaltung zu tun. In einer ratsinternen Informationsveranstaltung soll der Erste Kreisrat Michael Cordioli deutlich gemacht haben, sich nicht vorstellen zu können, 100 % zu erstatten, wo er nicht auch zu 100 % das Sagen habe.

Die Fraktion Die Linke/BSG wies im Januar in einer Pressemitteilung auf ein „Problem“ hin, dass die Kostenfrage gänzlich absurd werden lässt. Wenn der Landkreis die Jugendhilfe wieder übernimmt, muss er für die übernommenen Mitarbeiter*innen Arbeitsplätze schaffen. Blieben sie im städtischen Sozialamt, wäre also zusätzlich eine Miete an die Stadt fällig. Da ja aber soviel Gewese um mögliche Synergieeffekte gemacht wird, müssten die Mitarbeiter*innen im Bereich Jugendhilfe des Landkreises und der Stadt unter einem Dach zusammengeführt werden. Wo? Zu welchen Kosten? Muss dafür gebaut werden? Antworten auf diese Fragen erhält die Öffentlichkeit nicht. In jedem Fall kann sie sich darauf verlassen, dass für die Steuerzahler*innen insgesamt der Bereich Jugendhilfe teurer wird.

Was also soll das Ganze? Vielleicht geht''s schlicht darum, dass der Landkreis seinen Einflussbereich ausdehnen will. Die Stadt ist angesichts ihrer defizitären Haushaltssituation nur ein Opfer, jedenfalls solange Stadt und Rat sich nicht vom Verwalten verabschieden und endlich mal wieder anfangen, Politik zu machen. Den neu gewonnenen Einfluss wird der Landkreis nutzen, um den Rotstift auch bei Maßnahmen anzusetzen, für die es im Stadtrat immer noch genügen Unterstützung gäbe.

Ein Letztes: Für eine Zustimmung im Rat braucht Oberbürgermeister Nigge nicht nur die Stimmen von CDU, FDP und Unabhängigen – erneut würde es die AfD-Fraktion sein, die ihm eine Mehrheit verschafft.