"Masters of War" zu Gast bei Henning Otte

Henning Otte, CDUWer wissen will, was Rüstungslobbyismus ist, muss sich nur den Programmflyer zur Neuauflage des »Celler Trialog 2013« anschauen. Als Sponsoren werden aufgeführt: Rheinmetall, Cassidian, Diehl, Eurocopter, Krauss Maffei Wegmann, MBDA, Raytheon, Rohde & Schwarz. Dazu kommen die Lobbyistenverbände Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe (IDLw e.V.), Förderkreis Deutsches Heer (FKH), Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. (DWT), Deutscher BundeswehrVerband (DBwV).

Das ist die Runde, der sich »unser« Wahlkreis-MdB Henning Otte bedient hat, um am 22./23. Mai - gewissermaßen als Privatveranstaltung - den Celler Trialog 2013 durchzuführen. Sein einziger Kooperationspartner ist die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. und ihre Studiengesellschaft. Aber da Otte gut vernetzt ist, hat er das hinbekommen, was er selbst „hochkarätige Runde“ nennt; in Celle waren u.a.: Thomas de Maizière (Bundesminister der Verteidigung), General Volker Wieker (Generalinspekteur der Bundeswehr), Hans Heinrich Driftmann (Ehrenpräsident des DIHK), Armin Papperger (Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG), Simon McDonald (britischer Botschafter).

Kooperation mit der Wirtschaft

Otte verkündete im Vorfeld eine thematische Neuausrichtung mit „Schwerpunktsetzung auf die Kooperation mit der Wirtschaft“. Und er rühmte seinen Wahlkreis: „Der Standort Celle ist mehr als nur symbolhaft für den industriepolitisch interessanten und zukunftssicheren norddeutschen Raum.“ Besonders konkret hinsichtlich der Inhalte wurde Otte nicht: „Unter dem Aspekt "Politik- Bundeswehr-Wirtschaft. Kooperation oder Konkurrenz?" soll der Celler Trialog zu einem unmittelbaren Gedankenaustausch über Ideen und Konzepte für die Gewinnung und den Austausch von Führungs- und Fähigkeitskompetenzen gereichen.“ Im Programmflyer findet sich dann auch kein konkretes Thema. Aber wahrscheinlich war das auch nur ein Nebenaspekt. Während das eigentliche Programm rund fünf Stunden umfasste, waren zehn Stunden für Gespräche am Rande und beim Essen vorgesehen. „Bilaterale Gespräche“ heißt dies im Flyer, was nicht anderes bedeutet als face-to-face-Kommunikation zwischen Kriegswaffenproduzenten und ihren Auftraggebern und Abnehmern.

Henning Otte mit BMVgDas Thema »Vernetzte Sicherheit«, das die ersten drei Runden des Celler Trialog prägte, wird ganz offensichtlich abgelöst durch ein kaum vermänteltes Lobbyisten- Treffen. Es geht um Geschäfte, Geschäfte mit dem Tod. Denn die Rüstungskonzerne brauchen eine willfährige Politik, die ihnen die Türen für ihre profitablen Exporte öffnet.

Waffenschmieden als Sponsoren

Die CDU/FDP-Bundesregierung hat - wie Anfang Mai bekannt wurde - dem Export von 164 deutschen Panzern nach Indonesien zugestimmt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Rheinmetall hat vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat eine Ausfuhrgenehmigung für 104 "Leopard"-Kampfpanzer, vier Berge- und jeweils drei Brückenlege- und Pionierpanzer nach Indonesien erhalten. Daneben darf der Rüstungskonzern weitere 50 Schützenpanzer vom Typ Marder 1A2 liefern. Weiter wurde ein milliardenschweres Rüstungsgeschäft von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) über die Lieferung von 62 Leopard-2-Panzern und 24 Panzerhaubitzen 2000 mit Katar bestätigt.

Beides bekanntlich Staaten, die - ironisch gesprochen - höchsten Wert auf Minderheiten und die Entfaltungsmöglichkeiten politischer Opposition legen.

Schon 2011 hat die Bundesregierung die Genehmigung für den Export von 270 Leopard-2 A7+-Panzern nach Saudi-Arabien erteilt. Die Firmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall sind die Profiteure dieses mörderischen Geschäfts. Rheinmetall rühmt sich: "Der Leopard 2 ist der leistungsfähigste Kampfpanzer der Welt und zugleich das Waffensystem mit der größten internationalen Verbreitung".

Waffenmesse Leo 2In Saudi-Arabien werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Oppositionelle werden unterdrückt. 2011 hat Saudi-Arabien mit Panzern geholfen, die Demokratiebewegung im Nachbarland Bahrain zu zerschlagen. Der Leopard 2 A7+-Panzer ist speziell ausgerüstet für den Einsatz gegen Aufständische in städtischen Gebieten. Er eignet sich damit zur inneren Repression. Zugleich soll er evtl. in einem Krieg gegen Iran zum Einsatz kommen. Diese Panzer-Exporte sind durch nichts zu rechtfertigen - außer den Geschäftsinteressen deutscher Waffenschmieden und deutscher geopolitischer Interessenabsicherung. Und so dürfte es nicht die pure Großherzigkeit sein, die Rheinmetall und Kraus-Maffei zu Sponsoren des "CELLER TRIALOG" macht, sondern reinster Lobbyismus - in dessen Fängen (oder besser Reihen) sich "unser" Wahlkreisabgeordnete Henning Otte an scheinend sehr wohl fühlt.

Otte im Aufwind?

Auch für Otte selbst dürfte der »Trialog« mehr sein als eine bloße Wahlkampfveranstaltung. Er will hoch hinaus. Derart vernetzt sollte ein Staatssekretärsposten in der nächsten Bundesregierung drin sein, und wenn de Maizière demnächst abtreten muss, ist sogar der Stuhl des Ministers eine Option. Sollte das alles nicht klappen - die Rüstungsindustrie wird für einen derart engagierten »Mitarbeiter« sicher ein warmes Plätzchen in irgendeinem Vorstand oder Aufsichtsrat finden.

Proteste – eher ein laues Lüftchen

Die Proteste gegen den »Trialog« fielen eher verhalten aus. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Konferenz erst vierzehn Tage vor ihrer Durchführung öffentlich bekannt wurde. Zum anderen aber ist es leider auch so, dass Antimilitarismus in unserer Stadt keine Strukturen hat, die Protest organisieren könnten. So blieb es bei vereinzelten Aktionen (siehe Fotos).

Protest vor der Congress Union gegen den Celler TrialogErfreulich war, dass sich die DGB-Vorsitzenden von Celle, Paul Stern, und vom Heidekreis, Charly Braun, in einer gemeinsamen Erklärung gegen den "Trialog" aussprachen; hier im Wortlaut:

„Die bevorstehende abgespeckte Neuauflage des "Celler Trialogs" ist mehr als nur eine Wahlkampfshow des CDU-Bundestagsabgeordneten Otte. Hier soll abgeschirmt von der Öffentlichkeit wieder einmal der Schulterschluss von Politik, Militär und Rüstungsindustrie vollzogen werden. Wir empfinden es als Provokation, dass nach der jüngsten Entscheidung über die Lieferung von Panzern nach Indonesien, dem Beharren auf eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen und dem Bekenntnis zur weiteren Stationierung von KSK und Bundeswehr in Afghanistan diese illustre Männerrunde in kommunalen Gebäuden tagen soll. Das Motto des Militär-Trialogs "Zukunft denken - Gegenwart gestalten" bedeutet für uns als Gewerkschafter allerdings: Weitere Abrüstungsschritte, ein sofortiges Verbot von Rüstungsexporten und die Förderung konsequenter Friedenserziehung in unseren Schulen. Mit der Umstrukturierung der Bundeswehr für internationale Einsätze werden vor Ort Arbeitsplätze vernichtet. Die Politik sollte sich besser um Arbeit und Soziales kümmern, statt gemeinsam mit Militär und Rüstungslobby Pläne auszuhecken, wie die Akzeptanz der Bevölkerung für mehr internationale Militäreinsätze und Rüstungsexporte gesteigert werden kann.“

Die Linke/BSG befand in ihrem Fraktionsblog:

„Wir finden ja, dass Celle eine halbwegs schöne Stadt ist. Wäre dem nicht so, wären wir längst weg. Wir kön nen deshalb auch verstehen, dass viele Menschen mal für ein, zwei Tage zum Fassadengucken vorbeischauen. Gäste halt, deren Interesse wir nachvollziehen können. Manchmal gibt's aber auch Gäste, die wir nicht so gern hier haben. Und dies vor allem, weil wir den Zweck ihre Aufenthalts in den Mauern unserer Stadt nun überhaupt nicht teilen. Der CELLER TRIALOG gehört dazu.

Wir waren ja eigentlich guter Hoffnung, dass dieses Treffen von »Sicherheits«-Politikern, Militärstrategen und Rüstungsindustrie vor vier Jahren ihr unrühmliches Ende gefunden hätte. In gewisser Weise ist es ja auch so, denn von den ursprünglichen Veranstaltern - nämlich Commerzbank, Bundeswehr und Landesregierung - ist niemand mehr dabei. Überflüssigerweise musste jetzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte in die Bresche springen und gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. und ihrer Studiengesellschaft eine Wiederauflage des »CELLER TRIALOG« ins Leben rufen.

Wir hoffen - ehrlich gesagt - darauf, dass keine Traditionsveranstaltung daraus wird. Bis heute findet sich der Name unserer Stadt überregional am häufigsten im Zusammenhang mit dem Wort »LOCH«, womit bekannt lich nicht der Wohnwert gemeint ist, sondern eine üble Verfassungsschutzaktion am Celler Knast. Würde dies jetzt abgelöst durch »TRIALOG«, wäre dies noch eine Drehung übler.

Warum? Bob Dylan hat einen wichtigen Song über die Motive jener Herren geschrieben, wie sie sich jetzt in Celle treffen. Er nannte sie »Masters of War«. Hört man nur die erste Strophe, weiß man in etwa, was mit dem Begriff "militärisch-industrieller Komplex" gemeint ist:

Come you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs
You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks. [...]

Die mit „Kein Grußwort“ überschriebene Erklärung endet so: „Kurzum - Wir sagen nicht: Auf Wiedersehen, sondern wir grüßen - ganz im Sinne von Dylans letzter Strophe - mit einem TSCHÜSS - AUF NIMMERWIEDERSEHEN! Und im Übrigen wusste schon Edwin Starr: War / What is it good for / Absolutely nothing”

Dem ist von unserer Seite nichts hinzuzufügen.

»Aktionistisch« wurden die »Kriegsherren« mit einem Transparent »Celler Trialog beenden – Für eine Welt ohne Krieg« begrüßt. In der Nacht zuvor war u.a. die Union mit einigen Parolen besprüht worden; die Polizei stellte die Personalien von drei Personen fest – eine Anzeige dürfte folgen.

Auf ihrem abendlichen Weg von der Union zum Schloss demonstrierten in der »Hochsicherheitszone« (so die Polizei) am Eingang der Westcellertorstraße ein Dutzend Antimilitarist_innen mit Transparenten und Sprechchören. Immerhin ein kleines Zeichen. Die »Zivilgesellschaft « hatte sich hinterm warmen Ofen verkrochen und die ach-so-friedliebende Jugend anscheinend gar nicht mehr mitbekommt, dass sich in ihrer Stadt die »Masters of War« versammeln.

Ach so: Die überregionale Berichterstattung fiel, sicher nicht zu Ottes Wohlgefallen, sehr dünn aus.

Bannmeile vor der Congress Union Celler Trialog 2013