Entgegen der kapitalistischen Logik

Umsonstladen - Entgegen der kapitalistischen LogikSeit kurzem ist Celle um einen nicht kommerziellen Anlaufpunkt reicher. Wo sich bis vor ein paar Monaten noch die Fahrradwerkstatt des Bunten Hauses befand, wurde im April der Umsonstladen (U-Laden) eröffnet. Dort können Kleidung, Schuhe, Haushaltswaren, Spielzeug, CDs, Werkzeug oder kleine Elektrogeräte abgegeben werden, die sich jede_r dann kostenlos abholen kann. Für große Sachen ist kein Platz. Revista sprach mit einer der vier Betreiber_innen.

??: In Celle gibt es ja inzwischen mindestens fünf Läden, die Gebrauchtwaren annehmen und für wenig Geld weitergeben. Warum also noch einen Umsonstladen? Steht ihr da nicht in Konkurrenz zu z. B. Neufundland?

!!: Die Frage kam jetzt schon öfter. Wenn sich aber ein Konzern wie H&M ankündigt oder noch ein Sportgeschäft in der Innenstadt eröffnet werden soll, fragt kaum jemand, ob wir die brauchen oder ob sie gar mit anderen Läden konkurrieren. Solange diese Geschäfte noch den Großteil der Konsumwünsche der Celler_innen abdecken, sollten wir uns über jeden Laden freuen, der nicht kommerziell agiert und keine Neuware anbietet. Es gibt in der Innenstadt ein riesiges Angebot an Bekleidung. Und zu jeder neuen Saison wechselt das gesamte Sortiment. Es ist schon verrückt genug, dass offenbar etliche Menschen denken, sie müssen die T-Shirts, Jacken, Schuhe usw. des letzten Jahres durch neue TShirts, Jacken, Schuhe usw. ersetzen. Ohne dieses unkritische Konsumverhalten wären Konzerne wie H&M und New Yorker unrentabel. Schließlich landet ein guter Teil, der keine Käufer_innen überzeugen konnte, am Ende einfach im Müll. Aber im U-Laden sollen sich nicht die Armen den Abfall der Reichen abholen.

??: Aber ohne diesen Überfluss, den sich ja nicht bloß die Reichen leisten können, gäbe es gar keine U-Läden, oder?

!!: Menschen haben in verschiedenen Lebenssituationen unterschiedliche Bedürfnisse. Kinderkleidung und Spielzeug werden nur relativ kurz gebraucht und können dann weitergegeben werden, aber auch Werkzeug, Musik( instrumente), Geschirr usw. Umsonstläden bieten die Möglichkeit, diese ungenutzten Dinge wieder der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Daran verdienen die großen Konzerne nichts - und das ist auch gut so. Beispielsweise unsere Jeans werden in Ländern produziert, in denen Arbeits- und Umweltschutz kaum eine Rolle spielen, in denen immer wieder Menschen durch fehlende Sicherheitsmaßnahmen verletzt werden oder sterben und in denen man die hochgiftigen Abwässer einfach so in die Flüsse leitet und diese in tote, stinkende Brühe verwandelt. Solange wir kein Bewusstsein für unsere Verschwendung entwickeln sind Umsonstläden, freie Bücherschränke oder Give Boxes eine Möglichkeit, einen Teil dieses Überflusses neu zu verteilen. Leider ist in unserer reichen Gesellschaft keine Solidarität vorhanden mit den Arbeiter_innen, die für uns für Hungerlöhne produzieren - auch in der Linken nicht, da sind die Adidas-Turnschuhe doch noch wichtiger als die viel zitierte "internationale Solidarität".

??: Wie soll denn diese andere Gesellschaft funktionieren?

!!: Weiß ich auch nicht genau. Es gibt ja bisher kein Vorbild. Auf alle Fälle dürfen wir nicht weiter so unsere endlichen Rohstoffe für Dinge wie Plastiktüten, ständig neue Handys, Fernseher, PCs oder Wegwerfgeschirr verschwenden. Wir müssen uns darüber klar sein, dass alle Produktionsprozesse Spuren hinterlassen: giftige Abwässer, verseuchte Erde, kranke Menschen und Tiere und am Ende Müll. Wenn wir aufhören würden, unsere unerfüllten Bedürfnisse nach Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Liebe mit Autos und Klamotten zu kompensieren, würden wir uns vielleicht endlich wesentliche Fragen für unser Zusammenleben stellen, z.B.: Wollen wir uns weiter von Konzernen und ihren Werbeagenturen diktieren lassen, wie wir zu leben haben und was wir dafür benötigen? Wäre unser gesellschaftlicher und individueller Reichtum nicht viel größer, wenn alle Produktionsmittel und die Erzeugnisse nicht bloß einigen Reichen gehören würden, sondern vergesellschaftet sind? Und nicht zuletzt: Wie können wir verhindern, dass unser Tun zu einer globalen Klimakatastrophe führt?

??: Ihr wollt also mit dem Umsonstladen die Revolution anzetteln und die Kapitalisten zum Teufel jagen?

!!: Sicher, wir haben ja erst angefangen, das wird schon noch ... Na ja, es ist für einige Nutzer_innen des ULadens anfangs schon befremdlich gewesen, alles was sie gebrauchen können, einfach mitzunehmen. Da ist die Revolution noch nicht in Sicht. Aber wir haben für alle, die sich (erstmal) nur informieren wollen eine kleine Leseecke mit linker Literatur eingerichtet. Im Übrigen würden wir uns über Unterstützung freuen, da wir zurzeit den Laden nur zu viert an zwei Tagen offen halten.

 

Flyer Umsonstladen Celle