Ein erfreuliches Ende nahm im Juli ein Prozess gegen einen Tierbefreiungsaktivisten, gegen den der Landkreis Celle eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt hatte. Kurz zum Hintergrund: Am 23. Mai 2012 fand im Kreistagssaal eine Anhörung zum Neubau von zwei Hähnchen-Mastanlagen für 84.000 Tiere statt, die in Bockelskamp entstehen sollten. (Anfang diesen Jahres zog der antragstellende Landwirt Christoph Lichthardt seinen Antrag zurück.) Bei der Anhörung war es zu lautstarken Protesten gekommen und es wurden Transparente gegen industrielle Tierhaltung entrollt. Kreisdezernent Gerald Höhl sprach Hausverbote aus und ließ sie von der Polizei durchsetzen. Ergebnis: Strafbefehle wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und auch ein Strafbefehl wegen Hausfriedensbuch. Gegen letzteren legte der Tierbefreiungsaktivisten Karl-C. Widerspruch ein.
In der ersten Prozessrunde vor dem Amtsgericht Celle bestätigte Richterin Silja Precht den Strafbefehl und verurteilte Karl-C. zu 20 Tagessätzen. (Die Prozessbesucher*innen wurden übrigens einer doppelten Leibesvisitation unterzogen, woran sich im Gerichtssaal eine hochgradig ignorante Prozessführung durch die Vorsitzende anschloss.)
Gegen das Urteil von Precht legten sowohl Karl-C. wie auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. So wurde im Juli vor dem Landgericht in Lüneburg erneut verhandelt. Und hier kam es dann zu einem Freispruch.
Der Angeklagte und seine Laienverteidigerin forderten in einem juristischen Plädoyer einen Freispruch und trugen zusätzlich ein politisches Plädoyer für die Befreiung von Mensch und Tier und die damit einhergehende Abschaffung von Staat und Kapitalismus vor. Oberstaatsanwalt Vogel forderte u.a. mit der Begründung, dass die Interessen der Wirtschaft gewahrt werden müssten, eine Strafe von 40 Tagessätzen à zehn Euro.
Richter Bendtsen stimmte der juristischen Argumentation der Verteidigung zu, dass hier kein Hausfriedensbruch vorliege, und sprach den Angeklagten frei. Die juristische Begründung dieses Freispruchs stützte sich im Wesentlichen auf folgende Punkte:
- Lediglich das Halten von Transparenten stellt keine Störung von Veranstaltungen dar, sondern fällt unter den Schutz der Meinungsfreiheit.
- Es konnte nicht nachgewiesen werden, mit welchem Wortlaut und ob der Kreisdezernent dem Angeklagten das Hausverbot mitteilte.
- Die Zeugen sprachen zwar von "einer Gruppe von Störern", aus deren Reihen es auch zu dem Rufen von Parolen kam. Dass aber eine Gruppe, die sich von den anderen Teilnehmer*innen abgrenzte, existiert habe, konnte nicht nachgewiesen werden. Ebenso blieb unklar, ob der Beschuldigte sich an den Rufen der Parolen beteiligt hatte. Das Hausverbot hätte demzufolge jeder Person einzeln erteilt werden müssen.
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Am 12. Juli gelang es zehn Tierbefreiungs- und Umweltaktivist*innen, die Schlachtfabrik von Wiesenhof in Wietzen/Holte zu blockieren. Die besagte Schlachtfabrik soll bis 2014 ausgebaut werden, wodurch die Anzahl der getöteten Tiere pro Tag von 140.000 auf 250.000 gesteigert werden würde. Am Morgen begannen Aktivist*innen die Zufahrtswege zur Schlachtfabrik zu blockieren, indem vier Personen mit Transparenten die Straße versperrten und drei weitere die Dächer der Fleischtransporter erkletterten und diese so am Weiterfahren hinderten. Nachdem eine Räumung der Personen auf den Transportern durch eine Hebebühne der Polizei gescheitert war, wurden diese unter Amtshilfe der Feuerwehr von "Kletterpolizisten" geräumt.