Bündnis '90/Die Grünen und Die Linke/BSG dagegen
„Ich habe die Hoffnung, dass ich noch vor Weihnachten mit der Spitzhacke auf ein Haus einschlagen darf - als Symbol dafür, dass der Abriss auch wirklich beginnt.“ So äußerte sich Oberbürgermeister Jörg Nigge, nachdem der Stadtrat am 27. September gegen die Stimmen von Bündnis '90/Die Grünen und Die Linke/BSG den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan zum Nordwall beschlossen hatte.
Wie können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es wirklich nur noch um ein SYMBOL geht. Was war das Ziel der Planungen des Äußeren Rings? Die bessere Erreichbarkeit der Innenstadt und die städtebauliche Entwicklung des nördlichen Nordwalls. Die Ursprungsplanung ist inzwischen ja 15 Jahre alt. Gäbe es heute noch ein Planungsbüro, das der seit damals herbeigesehnte Gegenläufigkeit den Stempel des Zeitgemäßen geben würde? Nein. Alles Diskussionen laufen darauf hinaus, den individualisierten Motorverkehr aus den Innenstädten rauszuschmeißen. Was hier passiert, ist aber im Ernst doch, eine zusätzliche Möglichkeit nach Braunschweig aufzumachen – Mitten durch die Altstadt. Autos raus aus der Innenstadt – das gilt nicht nur für Groß- und Megastädte, es ist auch die Zukunft von Städten wie Celle (das vorbildliche Beispiel ist die Stadt Hasselt in Belgien, genauso groß wie Celle). Und das nicht nur hinsichtlich der Mobilitätswende. Es gilt genauso für die Aufenthaltsqualität in der Altstadt und damit – unterm Strich – auch für die Rettung der Altstadt als Konsumzentrum.
Durch das Festhalten an dem falschen Verkehrskonzept ist am nördlichen Nordwall jetzt über ein Jahrzehnt nichts passiert, systematisch ist also der ja vorhandene Bestand an Wohnungen heruntergekommen. Zumindest in der Fläche und Anzahl wird die Neubauplanung hinter dem Bestand, in den Nigge die Spitzhacke schlagen will zurückbleiben.
Was wird jetzt versprochen? „... ein lebendiges städtisches Flair mit Handel, Gastronomie, Kultur […] Gleichzeitig soll Wohnen in der Altstadt attraktiver werden.“ All das war ja vorhanden gewesen, aber wurde systematisch plattgemacht - bei einer anderen Perspektive hätte längst in die Abrissgebäude investiert werden können, die MTV-Halle modernisiert und Kunst & Bühne belebt werden können - und neben dem Rio's wäre bei einer anderen Perspektive noch Platz gewesen für eine weitere Gastro-Nutzung im Nordwall. Das alles steht jetzt eigentlich nur in den Sternen.
Denn erst einmal – und das zeigen die Gutachten deutlich – wird es lauter. Es gibt ein fettes Lärmproblem, das das ganze Stadtteilaufhübschungsgelaber ad absurdum führt (über das aber niemand spricht). Von den Empfehlungen der Gutachter wird praktisch nur eine einzige Maßnahme übernommen wird, und zwar: reflexionsarme Fassadengestaltung. Was aber in der öffentlichen Diskussion niemand erwähnt: Die Grenzwerte lassen sich nur dann einhalten, wenn neben dem Bau mit lärmarmem Asphalt auch Tempo 30 eingeführt wird.
SPD und Bündnisgrüne meinen, mit der Gegenläufigkeit des Nordwalls könne die Schuhstraße wieder zur Fußgängerzone werden. Stadtbaurat Kinder hat in der Ratssitzung dafür Offenheit signalisiert. Dass man damit das Ursprungskonzept von Innerem und Äußerem Ring aufgibt (und wovor seinerzeit immer gewarnt wurde), ist ja egal. Aber? Den Bürger*innen wird wieder etwas vorgemacht. Wer sich die Planung etwas genauer anschaut, wird feststellen, dass es keine Möglichkeit mehr geben wird, vom Nordwall in die Hehlentorstraße abzubiegen. D.h.: Bei einer Sperrung der Schuhstraße müsste ein Verkehr, der vom Nordwall dahin will, den Umweg über den Kreisel machen. Egal, der soll ja allein dadurch, dass aus dem Norden kommend direkt in den Nordwall gefahren werden kann, wieder funktional werden: auch für Fußgänger*innen.
Was Oliver Müller in der Ratssitzung zu Recht kritisch anmerkte: Seit Jahren stehen im Haushalt die gleichen Zahlen, egal wie sich die Planungen ändern, egal ob Baukosten steigen. Hier könnte es noch ein ungemütliches Erwachen geben. Für Kreisel und Tiefbauarbeiten sind ja schon 12 Millionen geflossen – jetzt soll's noch 5,9 Millionen kosten.
Die Ratsfraktion von Bündnis '90/Die Grünen ist jetzt gegen die Planung. Immer noch nicht wegen der Gegenläufigkeit, sondern weil die Verwaltung jetzt Abriss und Straßenbau betreibt, ohne wirklich einen Plan für die Bebauung des nördlichen Nordwalls zu haben.