Der belastete Garten in den Hospitalwiesen wurde im Frühjahr 2013 von zwei Mitgliedern der ehemaligen Transition-Town-Gruppe Celle angepachtet. Gemeinsam mit sieben Personen bearbeiteten sie die rund 500 qm große Fläche, bis die Beprobung auf Schwermetalle und die Folgen das Projekt beendete. Wir sprachen mit Conny (C) und Tina (T).
??: Erzählt mal, wie und warum ihr euer Projekt in den Hospitalwiesen angegangen seid.
C: Wir haben zwar kleine Hausgärten, wollten aber mehr Gemüse anbauen. In der Kleingartenkolonie Hospitalwiesen haben wir schnell eine geeignete Fläche gefunden. Dann haben wir einige Leute angesprochen, die wir z.B. aus dem Tauschring kennen, und hatten ziemlich schnell eine Gruppe von neun Leuten zusammen - drei Männer und sechs Frauen.
T: Wir haben im Losverfahren Flächen untereinander aufgeteilt und mit viel Enthusiasmus angefangen. Das hat auch alles wunderbar geklappt und uns viel Freude gemacht.
??: Wieso habt ihr eine Bodenprobe genommen?
T: Im Mai gab es ja das Hochwasser und unser Garten stand völlig unter Wasser. Das war zwar kein Allerhochwasser, aber es drückte von unten hoch und nichts, was zusätzlich von oben herunterkam, verschwand im Boden. Und auf dem, was sich da als See gebildet hat, schwammen Enten. [siehe Foto]
C: Uns war bekannt, dass die Aller Schwermetalle führt. Und so war ich dann ein bisschen besorgt, ob und wie sich diese Situation auf die Bodenbelastung auswirkt.
??: Ihr habt dann eine Bodenprobe in Auftrag gegeben.
C: Genau. Bei einem Internet-Anbieter haben wir eine Analyse machen lassen und das Ergebnis war hinsichtlich Blei und Cadmium katastrophal. Bei Blei - so war es dann im Analyseergebnis zu lesen - überschritt der Wert mit 101 mg/kg den Grenzwert der Klärschlammversordnung knapp und beim Cadmium mit 2,57 mg/kg erheblich. Da ist der Grenzwert 1,5 mg/kg. Benzo(a)pyren haben wir nicht prüfen lassen.
T: Und das Institut teilte auch mit, was das bedeutet. Ich zitiere mal: "Blei - bzw. dann auch Cadmium - ist ein toxisches Schwermetall. Es blockiert die Enzyme in den Pflanzen (auch bei Mensch und Tier) und führt so durch Stoffwechselstörungen zu Schadwirkungen."
??: Was habt ihr dann gemacht?
T: Wir haben bei der Stadt die für den Bodenschutz zuständige Abteilung informiert wie auch die Vorsitzende des KGV Hospitalwiese, Ursula Kißling.
C: Wir sind nicht gleich an die Öffentlichkeit gegangen, weil das auf Grundlage des einen Prüfergebnisses nur hysterisch gewirkt hätte.
??: Was ist weiter passiert?
C: Der Fachbereich Bodenschutz der Stadt hat daraufhin den zuständigen Abfallzweckverband eingeschaltet, und der hat dann eine weitere Probe in unserem Garten genommen.
??: Wieso der Abfallzweckverband?
C: Das ist mir bis heute nicht ganz klar. Die Stadt hat die gesamte Fläche an den Kleingartenverein abgegeben. Der muss, so sagte man mir, auch keine Pacht an die Stadt zahlen, weil es Altlastenprobleme auf der Fläche gäbe. Und weil auf den Flächen eben auch Altablagerungen vorhanden sind, gibt es diese Zuständigkeit des Abfallzweckverbands. So in etwa jedenfalls.
??: Was ist bei der offiziellen Probe herausgekommen?
T: Diese Probe wurde in dem so genannten Ammonium-Nitrat-Verfahren gemacht. Und angesichts der Werte teilte das Institut dann mit, ich zitiere: "Das Erreichen bzw. Überschreiten der Prüfwerte löst einen Handlungsbedarf hinsichtlich einer fachlichen Prüfung der vorliegenden Verhältnisse (hier Kleingartennutzung auf Altablagerung) aus."
C: Ich muss hier mal sagen, dass es etliche Telefonate nötig gemacht hat, bis ich diese Ergebnisse bekommen habe. Immerhin lernt man so, dass es eine Umweltinformationsrichtlinie gibt und die Behörden verpflichtet sind, Umweltinformationen herauszugeben.
??: Was ergeben sich daraus jetzt für Konsequenzen?
T: Wir beide haben unsere Konsequenzen gezogen und den Garten aufgegeben. Vier andere aus unserer Gruppe wollten weitermachen, was die Vorsitzende aber abgelehnt hat, nachdem der ganze Skandal öffentlich geworden ist.
C: Dazu will ich noch erzählen, dass Frau Kißling mir nach der Probe, die wir genommen hatten, satzungswidriges Verhalten vorwarf. Ich hätte kein Recht gehabt, eine solche Probe zu nehmen.
T: Ansonsten ist zu den Konsequenzen zu sagen, dass es rechtlich einen klaren Handlungsbedarf gibt. Und das ja nicht zum ersten Mal. Bereits 2000 gab es bei einer Beprobung erhöhte Benzo(a)pyrenwerte und da hatte der Kleingartenvorstand Anbauempfehlungen erhalten. Das ist das mindeste, was jetzt wieder passieren muss. Aus meiner Sicht ist es aber erforderlich, die gesamte Fläche zu untersuchen. Wenn sich herausstellen sollte, dass Gemüseanbau praktisch ausgeschlossen ist, sollte die Stadt schnellstens eine neue, halbwegs zentrale Fläche als Ersatzfläche für Kleingärtnerei zur Verfügung stellen.
??: Der eigentliche Skandal ist ja, dass nämlich Pächter wie ihr nicht über die alten Anbauempfehlungen informiert wurdet.
T: Wir hätten den Garten ja nie gepachtet, wenn man uns die Anbauempfehlungen gegeben hätte.
??: Mal nachgefragt - worum handelt es sich bei den Anbauempfehlungen?
C: Einfach gesagt, geht es darum, dass Kräuter, Gemüse, Beeren und Obst in unterschiedlicher Weise Schwermetalle aufnehmen. Also Kräuter gehen gar nicht, Salate gehen gar nicht, Möhren, Schwarzwurzeln, Porree und Sellerie ebenso nicht. Dagegen werden Buschbohnen, Gurken, Tomaten, Paprika, Kartoffeln eher gering belastet. Von Erdbeeren z.B. lässt sich das Blei nicht abwaschen. Kern - und Steinobst dagegen ist fast unproblematisch. In der Konsequenz heißt das dann, entweder nur noch ganz eingeschränkt anzubauen oder aber Hochbeete mit unbelasteter Erde einzurichten.
??: Anfang Oktober ist das Thema dann ja von der Celleschen Zeitung aufgegriffen worden. Wie kam es dazu?
C: Der Auslöser war ein Leserinnenbrief von mir. Die CZ hatte einen kleinen Bericht über den KGV Hospitalwiesen gebracht, wo sich die Vorsitzende total positiv äußerte und anmerkte, dass man von neuen Pächtern eine Selbstauskunft verlangt. Da ist mir dann - wie man so sagt - die Hutschnur geplatzt. Sie verlangt eine "Selbstauskunft", aber informiert neue Pächter nicht über die Schmermetall-Problematik. Den Leserbrief hat die CZ dann nicht gedruckt, aber Gunther Meinrenken hat sich bei mir gemeldet und sich die Basisinformation für die weitere Recherche geholt. Ich selbst hatte bereits seit längerem Probleme damit, mein Wissen zurückzuhalten, insbesondere auch wegen der Celler Tafel. Der Abfallzweckverband hatte mich zwar telefonisch informiert, aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich die offiziellen Ergebnisse noch nicht schriftlich.
??: Ein Aspekt bei der Berichterstattung war genau die Belieferung der Celler Tafel durch den Jobcenter-Maßnahmenträger Konfides. Was wisst ihr darüber?
T: Konfides bearbeitet in einer Maßnahme mit Erwerbslosen etliche Kleingärten und beliefert mit dem Gemüse die Celler Tafel. Für uns war das zunächst gut, weil wir einen der Konfides-Gärten übernommen haben. Der war dann eben nicht so verkrautet wie viele andere, die seit längerem nicht genutzt werden. Aber wie sich ja herausgestellt hat, war auch Konfides nicht über die alten Anbauempfehlungen informiert.
??: Öffentliche Reaktionen aus der Kommunalpolitik sind bis jetzt, wo wir das Interview führen, kaum vorhanden. Was sagt ihr dazu?
T: Das ist wahrscheinlich ein heikles Thema. Wir haben zunächst Die Linke/BSG informiert. Behiye Uca hat das Thema sofort im Verwaltungsausschuss auf die Tagesordnung gebracht, so dass die Chefetage im Rathaus gleich Bescheid wusste. Aber dem von der Linken/BSG geäußerte Wunsch, das Thema gleich in der ersten Umweltausschusssitzung nach der Sommerpause zu behandeln, ist nicht nachgekommen worden. Jetzt haben sie das offiziell beantragt.
C: Als ich mitbekam, dass Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel im Wahlkampf im Vereinsheim des Kleingartenvereins eine Veranstaltung macht, habe ich ihn angeschrieben und zum damaligen Stand informiert. Gesagt hat er dort nichts. Ich habe jetzt nach gut fünf Wochen eine Antwortmail aus dem Bodenschutzreferat des Ministeriums bekommen. Der Referent zeigte sich dann auch gut informiert und immerhin - ich lese mal vor: "Ich habe den Zweckverband Abfallwirtschaft, als die in diesem Fall zuständige Aufsichtsbehörde, insbesondere gebeten, die im Jahr 2002 an den Vereinsvorstand der Hospitalwiesen übersandten Aussagen noch einmal bezüglich der Anbau- und Verzehrempfehlungen zu überprüfen und zu aktualisieren."
??: Wie würdet ihr eigentlich jetzt Gärtner*innen raten, die ihren Boden prüfen lassen wollen?
C: Wie vielleicht deutlich geworden ist, kommt es auf das Verfahren an, wenn man die Ergebnisse mit den gesetzlichen Grenzwerten vergleichen will. Die Internet-Anbieter, auf die man beim Googlen zuerst stößt, sind bei ihren Standard-Angeboten genau deshalb untauglich. Wenn man einen brauchbaren Wert für den Wirkpfad Boden - Pflanze haben will, muss dies im Ammonium-Nitrat-Verfahren passieren. Und neben diesem Verfahren sollte noch mit einem Massenspektrometer gemessen werden, da man dann einen genauen Wert erhält und nicht nur mitgeteilt bekommt, ob die Probe über oder unter dem Grenzwert liegt. Das hilft ja wenig, wenn ein Wert z.B. nur geringfügig unterschritten ist und man sich aber in Sicherheit wiegt. Für meinen Privatgarten habe ich das jetzt bei der Lufa Nordwest in Hameln machen lassen, die genau das auch anbieten.