Mit dem Investorenwettbewerb „Entwicklung des ehemaligen Feuerwehrareals Celle“ sollte im Februar 2014 derjenige Investor gefunden werden, der im Team mit seinem Architekten „die höchste funktionelle sowie städtebaulich architektonische Qualität“ fu?r den Standort an der Bergstraße anbietet. Entwicklungs- und Planungsziel des Investorenwettbewerbs:

„Wesentliches Ziel der städtebaulichen Entwicklung des Feuerwehrareals ist es, an zentraler Stelle der Innenstadt einen attraktiven neuen Stadtbaustein zu schaffen, der das Angebot der Innenstadt um bislang fehlende oder nicht ausreichend vorhandene Angebote ergänzt. Es soll ein gemischt genutztes, mehrgeschossiges Wohn- und Geschäftshausensemble hochwertiger Architektur geschaffen werden, das sich selbstbewusst und harmonisch in seine sensible stadträumliche Umgebung einfügt. … Mit der Entwicklung des ehemaligen Feuerwehrareals soll der stadträumlich wichtige östliche Eingang in die Celler Altstadt neu gefasst und städtebaulich sowie architektonisch hochwertig und anspruchsvoll gestaltet werden. Durch ihre Struktur und Kubatur soll sich die Neubebauung sorgsam in die sensible umgebende Bebauung einpassen, aber auch selbstbewusst zwischen der kleinteiligen, geschlossenen mittelalterlich geprägten und denkmalgeschützten Altstadtbebauung und der heterogeneren Bebauung am inneren und äußeren Stadtring vermitteln und die Stadtbereiche vielfältig verknüpfen. … Das Erscheinungsbild der Denkmale in der Umgebung darf nicht beeinträchtigt werden. Neue Baukörper und Fassaden sind daher so zu gestalten, dass sie in ihrer Maßstäblichkeit, Gliederung und Detaillierung Ru?cksicht auf die Baudenkmale der Umgebung nehmen. Die Wirkung von neuen Gebäuden auf das Ensemble „Altstadt Celle“ ist besonders zu beru?cksichtigen.“

Bis zum Einsendeschluss (Juni 2014) hatten lediglich drei! Teilnehmer ihre Wettbewerbsunterlagen eingereicht. Aus heutiger Sicht fragt man sich, ob das siebenköpfige Preisgericht bei der Beurteilung der eingereichten Pläne die selbstgesetzten Planziele noch im Auge hatte.

Aus welchen Gründen auch immer, erhielt der Investor WESER-WOHNBAU GmbH (Bremen) den ersten Preis, durfte das Baugelände erwerben und mit der Umsetzung seiner Pläne loslegen. Gerade noch rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der neuen „Gestaltungssatzung Altstadt“ (06.11.2018) ist das Projekt „VILLAGE“ aus dem Boden gestampft worden. In den Vorbemerkungen der „Gestaltungssatzung Altstadt“ wird betont:

„Durch die Unterschutzstellung der Altstadt von Celle als geschütztes Stadtdenkmal besteht die Verpflichtung, dem Schutz und der Pflege des Bestandes hohe Priorität einzuräumen. Damit ist die Bewahrung und bauliche Pflege des Stadtbildes der Altstadt von Celle ein städtebauliches, denkmalpflegerisches, kulturelles und gesellschaftliches Anliegen von besonderem Rang und steht im öffentlichen Interesse. Das in Jahrhunderten gewachsene Stadtensemble in seiner heutigen Erscheinungsform verlangt bei seiner baulichen Fortentwicklung Rücksicht auf die gewachsenen Stadtstrukturen, auf den historischen Baubestand einschließlich seiner Maßstäblichkeit, auf ortsbezogene Gestaltungsmerkmale und u?berlieferte Gestaltungsprinzipien, die das eigenständige Wesen und die Atmosphäre dieser Stadt geprägt haben und auch künftig prägen sollen. Neubaumaßnahmen müssen besonders sensibel und qualitätvoll entwickelt und dem hohen gestalterischen Niveau des Altstadtensembles gerecht werden. Die Aufstellung einer Gestaltungssatzung in Gebieten mit historischer Bebauung dient zur Verstärkung des Schutzes von wertvollen Stadtvierteln.“

Der VILLAGE-Investor musste sich über die Einhaltung dieser Anforderungen keine Gedanken machen, denn dafür gibt es ja den §7 der „Gestaltungssatzung Altstadt“:

„Abweichungen von den Festsetzungen dieser Satzung können im begründeten Einzelfall ausnahmsweise gewährt werden.“ In dieser Hinsicht ist das gesamte VILLAGE eine ausnahmsweise gewährte Abweichung.

Beim Richtfest im März 2018 lobte Investor Matthias Zimmermann (WESER-WOHNBAU) die Zusammenarbeit mit der Stadt Celle als „allzeit äußerst zielgerichtet und konstruktiv“.
Das VILLAGE passt sich nicht, wie gefordert, sensibel in den stadträumlich wichtigen östlichen Eingang der Altstadt ein. Das gesamte historisch gewachsene Umfeld wird von diesem burgähnlichen Solitär erschlagen.

Dieser Neubau hätte besser zu der mittelalterlichen Stadt Carcassonne in Frankreich gepasst. Wie uneinnehmbare Burgmauern stoßen die aufgetürmten sandsteinartigen Ziegelwände jeden Besuch von sich ab.

Dunkle Fensterhöhlen, die in Form und Größe variieren und zudem asymmetrisch angeordnet sind, erinnern an zusammenbrechende Burgruinen.

Von unten betrachtet verstärken die fehlenden Dachüberstände den unfertigen, bzw. verfallenen Eindruck der Gebäude. Beim Blick auf das Dach muss man sich fragen, wie die grauen Flachziegel der VILLAGE-Dächer mit den Vorschriften der Gestaltungssatzung in Einklang zu bringen sind. §2 Dächer: „Dächer sind mit roten, nichtglänzenden Hohlziegeln… einzudecken.“

Auch die verspiegelten und zum Teil großflächig beklebten Fenster (z.B. PENNY) verstoßen gegen den §4 Fenster: „Fenster sind nur mit neutralem Glas zulässig. Verspiegelte, getönte, gefärbte oder großflächig beklebte Fensterflächen sind unzulässig.“

Die Anforderungen aus dem Investorenwettbewerb, „nahversorgungsorientierten und ergänzenden zentrenrelevanten Einzelhandel anzusiedeln“, sind mit dem Discounter PENNY und der gefühlt zweihundertsten Drogeriemarktfiliale nicht erfüllt.

Das Preisgericht hätte schon 2014 statt des ersten Preises für diesen Entwurf ein anderes Urteil fällen müssen:

Thema verfehlt! Setzen, sechs!