"Die Einwendung wird in allen Punkten zurückgewiesen"
Für zwei Wochen lag im März der „Änderungsplanfeststellungsbeschluss zum 3. Bauabschnitt der Ostumgehung Celle“ zur Einsichtnahme im Neuen Rathaus aus (bzw. auf der Webseite der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zum Download). Der Änderungsbeschluss war erforderlich geworden, weil das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im April 2016 den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt hatte, weil der Fledermausschutz unzureichend war. Dieser wurde jetzt mit großem Aufwand nachgebessert. Bis zum 14. April kann geklagt werden.
Sich auf die Planungsdetails einzulassen, verstellt den Blick auf die grundsätzliche Frage. Und die besteht darin, ob unhinterfragten Mobilitätsansprüchen einfach so Naturschutz- und Naherholungsgebiete „geopfert“ werden sollen? Politisch und gesellschaftlich scheint es hierfür klare Mehrheiten zu geben. Aber: Der Bewertungshorizont hierfür ist im vergangenen Jahrhundert verhaftet. Die Mobilität steht nicht nur auf dem Prüfstand, sondern angesichts des Klimawandels und der tatsächlich Probleme in den Ballungsgebieten muss die Verkehrswende kommen. Angesichts der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie ist dies auch eine Machtfrage. Aber: In der Chefetage von VW hat man sich anscheinend entschieden. Der Umbau auf E-Mobilität soll kommen und er soll schnell kommen. Dazu kommt: Jede Studie zu zukünftiger Mobilität zielt auf weniger Individualverkehr, zielt auf weniger Güterverkehr auf der Straße. Das heißt: Wenn der mittlere Bauabschnitt der Ostumgehung in Betrieb genommen wird, haben wir eine Situation, die mit den Ursachen für die Planung nichts mehr zu tun hat.
Für Straßenbauplaner, die wir uns leider als bornierteste Exemplare unserer Spezies vorstellen müssen, ist das bedeutungslos. „Erledigt“ wurden im aktuellen Verfahren die auf die Klimakatastrophe abhebenden Einwendungen zum Änderungsplanfeststellungsbeschluss:
„Die Einwender erheben Bedenken bezüglich des Vorhabens allgemein. [...] Der Rohstoff-, Ressourcen- und Landschaftsverbrauch müsse auf ein Niveau gesenkt werden, das langfristig nachhaltig sei. Die Planung gehe von einer Wachstumsökonomie aus, jedoch sei auf einem endlichen Planeten mit endlichen Rohstoffen kein unendliches Wachstum möglich. Es sei eine Entwicklung nötig, die eine Reduktion der Klimagase und des Rohstoffverbrauchs durch eine Verkehrswende zur Folge hat, um damit die Klimaziele zu erreichen. Das Vorhaben widerspräche diesen Anforderungen. Das Bauvorhaben werde ethisch, moralisch und ökologisch verurteilt.
Die Einwendung wird zurückgewiesen. Die Aussagen zur Klimaentwicklung und zum Rohstoffverbrauch sind in dieser Allgemeinheit schon nicht einlassungsfähig. Im Übrigen ist über den Bedarf des Vorhabens bereits an anderer Stelle entschieden worden.“ [Seite 60]
Die ursprünglich für den 5,3 km langen Abschnitt geplanten Kosten lagen 2003 noch bei 37 Mio. Euro, aktuell sind die Baukosten mit knapp 58 Mio. Euro angegeben – und wir können sicher sein, dass sie sich gegenüber 2003 verdoppeln werden. Die gesamte Ostumgehung wird am Ende mehr Geld gefressen haben, als die Stadt Celle in den vergangenen 50 Jahren an Schulden aufgehäuft hat: nämlich mehr als 160 Mio. Euro.
Aber schauen wir auf die 70 Millionen, die jetzt in die Zerstörung von Naturschutz- und Erholungsgebieten verbaut werden: Damit wären selbstverständlich erhebliche Verbesserungen für Alternativen zu PKW-Verkehren erreichbar – und die wären im Unterschied zum Straßenbau nachhaltig.
Die einzigen Menschen, die dies zu recht nicht „überzeugt“, sind die Anwohner*innen der „Alten Dorfstraße“ in Altencelle. Niemand möchte an einer derart befahrenen Straße leben. Aber: In zehn, fünfzehn Jahren wird der Verkehr geringer sein – und vor allem: Es wird erheblich weniger Lärm und erheblich weniger Abgase produziert.
Leider haben sich Bundes- und Landespolitiker*innen in die „Scheinlösung“ Ostumgehung regelrecht verbissen und leider gibt es in der Stadtgesellschaft einen fast religiös zu nennenden Glauben daran, dass alle Probleme verschwinden würden, wenn's nur endlich die Ostumgehung gäbe. Das hat mit Vernunft nur wenig zu tun, sondern ist eher ein Fall für die Couch.
An Hoffnung bleibt:
Der Wahnsinn wird durch eine Klage erneut verzögert. Der BUND will aber nur klagen, wenn auch Gewinnchancen bestehen.
Oder: Die Fledermäuse nehmen die für sie gebauten Brücken nicht an. Denn tatsächlich werden vor dem Straßenbau diese Bauwerke in die Gegend gestellt und evaluiert, ob die Tiere sie annehmen.