Mit unbewiesenen Behauptungen wiederholt die Generation Autobahn seit Jahrzehnten die immer selben Prophezeiungen, dass ohne die Ostumgehung die Stadt Celle dem Untergang geweiht sei. Seit den 1960er Jahren soll dieses gigantische Verkehrsprojekt ausgerechnet im Osten der Stadt die geschützte Allerniederung durchschlagen. Verantwortungslos wurde bereits fünf Jahre nach der ersten gerichtlichen Niederlage (1984) die erneute Ostumgehungsplanung vorangetrieben. Kleinteilige Lösungsansätze zur Entlastung der Durchgangsverkehre in Altencelle und Altenhagen wurden gar nicht erst angedacht, denn dafür hätte die Stadt Celle eigene Haushaltsmittel aufbringen müssen. Man wollte lieber das ganz große Rad drehen und dafür das Land und den Bund zur Kasse bitten.

Auch als 1999 die Allerniederung in das europäische Naturschutzprogramm „Flora-Fauna-Habitat“ (FFH) aufgenommen wurde, beharrte man auf die Planung der Ostumgehung durch dieses Naturschutzgebiet.
Im Urteil von 1984 wurden u.a. die von den Planern prognostizierten Verkehrsberechnungen angezweifelt.

Nun wurde eine neue Strategie entwickelt, um bei einer weiteren Berechnungsüberprüfung bestehen zu können. Einerseits ließ sich das Projekt Ostumgehung nur als vollständige östliche Umrundung (bis Groß Hehlen und zur Anbindung der Westtangente) als sinnvoll begründen. Andererseits würde Land und Bund keine finanziellen Mittel für ein Projekt bereitstellen, das wegen der Rechtsunsicherheit im FFH-Gebiet evtl. unbebaubar bliebe. Hinterlistig unterteilte man die Planung in fünf Einzelabschnitte. Als erster Abschnitt wurde der Süden (Ehlershausen bis zu WALLACH) herangezogen. Hätte man zuerst den nördlichen Abschnitt von Groß Hehlen bis zur Westtangente gewählt, wäre dadurch eine „kleine“ Westumgehung entstanden, die eine Ostumgehung jedoch überflüssig gemacht hätte. Gerade Jörg Bode (FDP) hat in seiner Amtszeit als nieders. Verkehrsminister (2009-2013) einen Baubeginn am nördlichen, fünften Abschnitt immer wieder abgelehnt.

Doch auch für den Südabschnitt wollte das Land 2005 keine Mittel für den Baubeginn bereitstellen. Erst nachdem Stadt und Landkreis Celle acht Millionen Euro Kredit aufnahmen, konnte der Bau beginnen. Dazu der damalige OB Biermann (CZ, 07.07.2005): „Dabei ist allen klar, dass dieses Geld keinesfalls übrig ist, sondern erst beschafft werden muss. Diese Kredite wirken sich zwangsläufig auf kommende Haushalte aus. Dann muss man sehen, ob an anderer Stelle gespart werden kann.“ Mit dem acht Millionen Kredit war nun endlich der Weg frei für die Enteignung (Artikel 14 GG: „zum Wohle der Allgemeinheit“) von Grundstücksbesitzern des geplanten Südabschnitts, und der erste Spatenstich wurde 2007 gesetzt.

Auch der zweite Bauabschnitt wurde auf diese Weise durchgesetzt und endete 2013 in Altencelle an der B214. Damit hatten die Planer endlich das Verkehrschaos erzeugt, das den Druck auf die Gegner der Ostumgehung erheblich anschwellen lassen sollte. 2016 wird die Ostumgehungsplanung in den „Bundesverkehrswegeplan 2030“ aufgenommen:

„Das Projekt ist aufgrund des hohen Nutzen-Kosten-Verhältnisses vordringlich. Es erfolgt eine Einstufung in den Vordringlichen Bedarf (VB).“ Diese Einstufung (VB) gelingt nur mit einem Bewertungstrick. Zwar werden die Teilstücke einzeln bewertet, aber gerade bei der Umwelt- und Naturschutzfachlichen Beurteilung des Mittelteils heißt es: „Gesamtwirtschaftliche Bewertungsdaten liegen nur für das Hauptprojekt vor. Für dieses Teilprojekt ist deshalb der Umweltbeitrag nicht bewertungsrelevant.“ Zur Nutzen-Kosten-Analyse heißt es knapp: „Siehe Hauptprojekt.“

In einem undurchschaubaren Berechnungssystem werden monetäre Ergebnisse z.B. für die „Veränderung der Geräuschbelastung“ oder „Veränderung der Lebenszyklusemissionen von Treibhausgasender Infrastruktur“ in Euro angezeigt.
Selbst bei der „Beschreibung und Bewertung der voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen“ wird eine monetäre „Nutzensumme Umwelt“ von 13,48 Millionen Euro bilanziert. Der „Summe bewertungsrelevanter Investitionskosten“ von 78,93 Millionen Euro wird ein „Barwert des Nutzens“ von 737,73 Millionen Euro gegenüber gestellt.

Ein „Gesamtnutzen“ von 658,8 Millionen Euro für eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet! Da muss man doch einfach zugreifen! Zu schade, dass trotz der monetären Millionen-Nutzen auch noch Naturschutzgesetze eingehalten werden müssen.

Wie für die Bauabschnitte 1 und 2 war auch für den Mittelteil der Ostumgehung ein eigenes Planfeststellungsverfahren zu absolvieren. Das bedeutet in der Reihenfolge: Aufstellung der Planfeststellungsunterlagen, Einleitung eines Anhörungsverfahrens, Öffentliche Auslegung des Plans, Bürgerinformation und Beteiligung der Betroffenen, Einwendungen und Anregungen, Erörterungstermin und endlich der Planfeststellungsbeschluss.
Erst mit Erreichen des Planfeststellungsbeschlusses besteht die Möglichkeit einer Klage. Eine Klage gegen den Beschluss verhindert aber nicht automatisch den sofortigen Vollzug (Baubeginn).
So konnte der zweite Bauabschnitt trotz einer laufenden Klage ungehindert fertig gebaut werden.

Schon lange vor dem Planfeststellungsbeschluss (Mittelteil) wurde von dem damals verantwortlichen Bauleiter Bernd-Wilhelm Winkelmann immer wieder betont, dass man alle gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt habe und man sicher sei, dass auch weitere Klagen den Bau nicht verhindern werden. Deshakb brauche es auch keinen Plan B.

Fachlich und finanziell ist nur noch der BUND-Naturschutz in der Lage, dem Autowahn Paroli zu bieten. Mit beharrlicher Gegenwehr versucht der BUND die Bebauung des Naturschutzgebietes durch gerichtliche Klagen zu verhindern. Verlässlicher medialer Stimmungsmacher gegen den BUND ist schon lange die Redaktion der CZ. In einem redaktionellen Artikel (kein Kommentar oder Meinung) vom 16.08.2015 schreibt Redakteur (ram): „Nun hängt also alles an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes ab, wann endlich die katastrophalen Verkehrsverhältnisse in Altencelle beendet und die Bürger dort entlastet werden. Und hoffentlich stellt die geringe Zahl der Kläger ihre Interessen endlich einmal hinter das Wohl der Mehrheit der Bürger zurück.“ Wann wurde jemals eine „Mehrheit der Bürger“ für oder gegen etwas ermittelt? Hinter welches „Wohl“ soll die „geringe Zahl“ der Kläger ihre Interessen stellen?

Überraschend für alle Beteiligten erteilt das OVG Lüneburg im April 2016 einen Baustopp für den Mittelteil: „Die Planung ist rechtswidrig und nicht vollziehbar.“ Das sogenannte „Fledermausurteil“ ist gesprochen.

„Fledermausschutz“ und „Naturschutz“ wird von den üblichen Lautsprechern nun als Menschen feindlich bezeichnet. Schuldzuweisungen wegen der Verkehrs- und Planungsmisere gehen an die Adresse des BUND-Naturschutz oder aber an das jeweilige Gericht. 2017 weist der damalige nieders. Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) jede Verantwortung zur vermurksten Bauplanung zurück: „Wir wollen bauen, das Land Niedersachsen hat seine Arbeit getan. Hier hat einzig und allein das Bundesverwaltungsgericht das letzte Wort.“ Inzwischen ist Olaf Lies vom Verkehrs- ins Umweltministerium gewechselt. Doch auch als Umweltminister ist ihm der Naturschutz nicht so wichtig. CZ, 28.08.2018: „Auch heute sehe ich mich als Brückenbauer. Die neue B3 wird kommen“.

Da wurde wohl der Bock zum Gärtner gemacht?

Als jetzt im Mai der BUND die Planungsbehörde wegen derer weiterer Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben zum Umwelt- und Naturschutz erneut beklagt, geraten die Rüstungs-, Wirtschafts- und Autolobbyisten in Celle in Schnappatmung (siehe Fotos +Zitate).

CZ Redakteur Michael Ende konstruiert in seinem Kommentar („Mieses Spiel“, CZ, 06.05.2019) aus dieser ernsthaften Auseinandersetzung ein Spiel zwischen Team Fledermaus und Team Straßenbau: „Menschen leiden unter dem Straßenverkehr mitten durch ihre Stadt. Für sie ist zu hoffen, dass dieses vielleicht "gängige", aber ungeschickte Verhalten der Behörden nicht dazu führt, dass das Team Fledermaus den Ball schon wieder mit Vollspann in die Maschen haut. Dann würde dieses zähe und unattraktive Ostumgehungs-Spiel, das längst schon keiner mehr sehen will, in der Verlängerung vollends zum Debakel für das Team Straßenbau.“ Als Jäger, Angler und Imker müsste Michael Ende Naturschutz eigentlich ernst zu nehmen gelernt haben. In dem von ihm textlich begleiteten Bildband HEIDELAND (2016) steht im Schlusswort:

„Vor allem ist die Heide eine besonders gefährdete, schützenswerte Lebenswelt mit einer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt. Alles hängt zusammen, alles ist voneinander abhängig. Verschwindet ein Element, ein Lebewesen, eine Pflanze, dann hätte das unvorhersehbare Folgen für das gesamte Ökosystem der Heide. Schützen wir die großen und kleinen Wunder in Flora und Fauna, diesen Naturschatz Heide. Ein echtes Juwel.“

Das ebenso gefährdete und schützenswerte Juwel (Naturschutzgebiet „Obere Allerniederung“) liegt direkt vor unserer Haustür.

Ostumgehung stoppen! Sofort!

Es gibt immer einen Plan B, aber keinen Planet B!