Interview mit dem Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus

Am 22.06.2019 fand die Demonstration „Klar und deutlich gegen Nazis!“ in Eschede statt. Anlass war die Sonnwendfeier von NPD, JN und Düütschen Deerns. Zu diesem Nazi-Event reisten über 80 Teilnehmer*innen an, darunter mindestens 15 Kinder. Es wurden mehrere Redebeiträge gehalten, u. a. ging es um die Bedeutung des Nazihofs am Ortsrand von Eschede.

Diese Frage müssen sich die Organistor*innen / Teilnehmer*innen des Widerstands gegen den Nazihof nun ganz neu stellen, denn wenige Tage vor der Demonstration wurde öffentlich, dass der der NPD-ler Joachim Nahtz seinen Hof an den NPD-Landesverband Niedersachsen verkauft hat.

Wir haben mit zwei Organisator*innen der regelmäßigen Demonstrationen gegen den Nazihof darüber gesprochen:.

 ??: Der Landkreis Celle hatte seit Mai Kenntnis von dem Verkauf, die Gemeinde Eschede allerdings schon seit Anfang des Jahres. Was sind eure Fragen bzw. Kritik an die kommunalen Ebenen?

K: Da weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll. Wenn ich lese, dass der Escheder Bürgermeister Günter Berg von der Entwicklung nicht überrascht war, frage ich mich schon, ob er nicht einen „Notfallplan“ entwickelt hatte, ob er sich im Vorfeld ausreichend Unterstützung gesucht hat. Mir scheint es nicht so. Alleine die Tatsache, dass der Landkreis erst im Mai von dem Verkauf erfahren haben soll, spricht eher dafür, dass die Verantwortlichen in Eschede es alles einfach so gesehen ließ, es als eine ganz normalen Immobilienverkauf betrachtet haben. Das geht gar nicht. Immerhin war Herr Berg 2007 selbst daran beteiligt, als sich in Eschede ein Bündnis gründete, dass sich zur Aufgabe gesetzt hatte, gegen die Aktivitäten auf Hof Nahtz zu arbeiten. Da fragt sich schon, wie ernst er das Ganze genommen hat und noch nimmt.

??: Der Landkreis Celle zieht sich in seiner Stellungnahme auf die „Vertragsfreiheit“, die ihm keine Möglichkeiten gegeben habe, den Verkauf an die NPD zu verhindern? Könnt ihr dieses Argument nachvollziehen bzw. was hättet ihr trotzdem vom Landkreis erwartet?

K: Vertragsfreiheit bedeutet in diesem Fall wohl, dass es zwei Parteien frei steht, einen Vertrag abzuschließen, wenn sie es wollen. Und auch Nazis haben dieses Recht, auch wenn sie den Rechtsstaat ablehnen. Aber über ein Vorkaufsrecht hätte vielleicht der Verkauf verhindert werden können. Vom Landkreis war zu lesen, dass es dafür wohl nicht die nötigen Voraussetzungen gegeben hätte. Das würde ich schon gerne genauer wissen, z.B. ob überhaupt versucht wurde, im Vorfeld, denn lt. Berg war ja die Entwicklung nicht überraschend, sich ein Vorkaufsrecht zu sichern. - Wurde der Landkreis von Eschede zu spät informiert, so dass nichts mehr möglich war? Angeblich erfuhr der Landkreis ja erst im Mai von dem Verkauf. Dann wäre es ein skandalöses Kommunikationsproblem zwischen den Behörden. Hier hat ja nicht Frau Meyer an Herrn Müller verkauft, sondern ein bekannter NPD-ler an den NPD Landesverband Niedersachsen. - Und dann noch: warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert? Seit Jahren engagieren sich viele Menschen gegen das Treiben auf dem Nazihof in Eschede, für sie alle ist es ein Schlag ins Gesicht und zeigt, dass es nur Geplapper ist, wenn gesagt wir, dass das Engagement dieser Menschen wichtig wäre. Wenn es en vogue ist, etwas gegen Nazis zu machen, weil mal wieder das Thema Nazis überregional für Aufmerksamkeit sorgt, dann kann Eschede und Celle damit punkten, dass es ja eine engagierte Zivilgesellschaft gibt. Es wäre ein gutes Zeichen gewesen, mit den verschieden Bündnissen gegen Rechts rechtzeitig das Gespräch zu suchen. Aber es wundert mich nicht wirklich, dass das nicht passiert ist.

??: Habt ihr den Eindruck, dass die Verwaltungsspitzen von Landkreis bzw. Gemeinde Eschede die neu entstandene Situation ernst nehmen? Oder anders gefragt: Was würdet ihr jetzt erwarten?

K: Das mit dem Ernstnehmen habe ich ja oben schon angezweifelt, auch wenn sich Berg und Landkreis in der Presse z.T. anders äußern. Ich erwarte, dass die Umstände dieses Verkaufs offen dargelegt werde. Die Linke hat dazu ja eine ausführliche Anfrage gestellt und ich erwarte ehrliche und ausführliche Antworten. Was die Zukunft dieses NPD-Treffpunkts angeht erwarte ich, dass dort genauer hingeschaut wird und die Bedeutung der Nazitreffen nicht heruntergespielt werden.

??: Nichts ist in der BRD so geschützt wie das Eigentum (an Grund und Boden besonders): immerhin ist neue Eigentümerin des Nahtz-Hofes nun ein Verband einer von den Bundesbehörden beobachten „verfassungsfeindlichen“ Partei; seht ihr da Möglichkeiten einer Intervention der Behörden (auch für den Fall eines Rückverkaufs an den Alteigentümer)?

A: Das ist eigentlich nicht unsere Priorität, die Aktivitäten auf dem Hof durch die Hintertür zu verhindern. Wir möchten das menschenfeindliche Treiben dort durch eine Sensibilisierung der Leute – hier allerdings auch die Beschäftigten der Gemeinde, des Kreises - bewerkstelligen.

??: Eure Demos haben ja nun schon eine lange Tradition und die Teilnahme der Leute schwankt, ist aber durchweg erfreulich groß. Habt ihr Pläne, die Form des politischen Intervenierens noch in irgendeiner Form auszuweiten?

A: Ja, da gibt es immer mal wieder neue Ideen, gerade im gegenwärtigen Stadium, allerdings wollen wir nicht zu früh davon sprechen; erst anlässlich einer der nächsten Mobilisierungen.

??: Vor rund 20 Jahren wurde hier in der Südheide der Spuk auf dem Gelände Hetendorf 13 beendet, nachdem jahrelanger öffentlicher Druck ausgeübt worden war …

A: Wir stellen in letzter Zeit verstärkt fest, auch bei externen Veranstaltungen, Lesungen und Diskussionsabenden, dass es einen immer breiteren Konsens gibt; die große Mehrheit der Gesellschaft möchte – wenigstens nicht im „eigenen Garten“ – eine solche Stätte der Geistlosigkeit haben, einen Ort an dem schon kleine Kinder mit dem menschenverachtenden Gedankengut unter dem Deckmantel von Brauchtum beeinflusst werden. Zu sehr sitzt der Schock der Anwesenheit von NSU-„Kadern“ hier in der Heide den Leuten vor Ort in den Knochen.

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Die umfangreiche Anfrage von Behiye Uca (Die Linke) ist auf der Seite www.linke-bsg.de dokumentiert, eine Antwort lag bis Redaktionsschluss nicht vor.