Südafrikanischer Rheinmetall-Tochter im Besitz geheimer NATO-Dokumente

Hat die Firma Rheinmetall Waffe Munition GmbH der südafrikanischen Konzerntochter Denel geheime NATO-Dokumente zugänglich gemacht? Das zumindest behauptete Rosemarie Meuer, die seit 1993 bei Rheinmetall beschäftigt war, zuletzt als Referentin für Außenballistik. Der STERN machte Anfang Juni eine große Story daraus und auch REPORT MÜNCHEN brachte einen ausführlichen Beitrag. Der Celleschen Zeitung war es nicht eine einzige Zeile wert, wo doch sonst schon ein unbeaufsichtigter Sack Reis in Rebberlah investigative Recherchen hervorbringt.

Öffentlich wurde der Vorwurf erstmals in einem Arbeitsgerichtsprozess im September 2018 in Celle, nachdem Rheinmetall Meuer gekündigt hatte.

Im Prozess berichtete sie wie folgt: Im Oktober 2014 sei ihr offensichtlich geworden, dass Rheinmetall Denel Munition, eine 51 %-ige Rheinmetalltochter mit Sitz in Kapstadt (Südafrika), in den Besitz von geheimen NATO-Unterlagen gekommen war. Mitarbeiter der südafrikanischen Tochterfirma hätten bei einem Termin in Deutschland offenbart, dass sie Zugang zu internen Dokumenten der NATO. Wie vorgeschrieben, habe sie diesen sicherheitsrelevanten Vorfall gemeldet. Der zuständige Sicherheitsbeauftragte habe dies mit den Worten kommentiert, wenn das bekannt würde, könne ganz Unterlüß schließen. Danach, so Meuer weiter in ihrer persönlichen Stellungnahme im Arbeitsgerichtsprozess, sei sie gezielt gemobbt worden. So sei sie z.B. nicht mehr zu Projektbesprechungen eingeladen und immer wieder verbal unangemessen angegangen worden. Für sie steht deshalb ihr Nervenzusammenbruch im November 2015, woraufhin sie psycho-therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen musste, in direkt kausalem Zusammenhang mit dem Sicherheitsvorfall und dem anschließenden Umgang mit ihr.

Neben dem Mobbing, so Meuer weiter im Prozess, mache ihr zu schaffen, dass die Geschäftsleitung den Geheimnisverrat an Denel bewusst in Kauf genommen oder sogar forciert hätte und nun versuche, den Sicherheitsvorfall gänzlich zu bestreiten. Unterlagen, wie das im Oktober 2014 aufgesetzte Protokoll, seien aus den Akten verschwunden. Sie endete ihre Stellungnahme mit dem Satz, sie wolle hier auch Zeugnis ablegen, damit die illegale Weitergabe von Technologie aufhöre.

Der Kammervorsitzende und Direktor des Celler Arbeitsgerichts Peter Rieck ließ wenig Interesse an dem behaupteten Sicherheitsvorgang erkennen. Ihn interessierte nur die verhaltensbedingte Kündigung, die Rheinmetall im März 2018 ausgesprochen hatte. Er setzte sie Verhandlung aus und kündigte die Ladung weiterer Zeugen an. Daraus wurde nichts. Im März einigten sich die Streitparteien.

Vielleicht hatte Rheinmetall gehofft, die Angelegenheit damit zu den Akten legen zu können. Daraus wurde vorerst nichts.

Glaubt man Rheinmetall, so heißt es im STERN, seien die Vorwürfe "unzutreffend". „Die Informationen, die den Südafrikanern vorgelegen hätten, seien lediglich als "Nato unclassified" eingestuft gewesen, also in der niedrigsten Stufe.“ Es sei völlig offen, auf welchem Wege und aus welchem Land diese nicht-geheimen Dokumente nach Südafrika gelangt sein könnten. Einen Sicherheitsvorfall hat es daher aus Sicht der Firma nicht gegeben.

Laut offizieller NATO-Website, so der STERN weiter, dürften auch Informationen der Kategorie "Nato unclassified" nicht "ohne Genehmigung" veröffentlicht oder an Drittstaaten weitergegeben werden. Und dafür, dass der Vorgang auch bei Rheinmetall intern für Irritationen gesorgt hatte, konnte der STERN einen Mail-Verkehr vorlegen.

Die Bundesregierung teilte jetzt auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katja Keul mit, dass sie Kenntnis von dem Vorgang habe. Allerdings habe sich die Bundesregierung geweigert, so Keul, irgendwelche weitergehenden Auskünfte zu geben, ob sie dem nachgehe, ob es Konsequenzen habe, ob es ein Ermittlungsverfahren gebe.

In Kenntnis gesetzt war die Bundesregierung übrigens nicht von Rheinmetall sondern vom Bundesamt für Verfassungsschutz, das im Frühjahr 2018 das Wirtschaftsministerium informierte. Dort sah man zunächst einen Aufklärungsbedarf, befand aber dann, dass die NATO-Infos nicht von militärstrategischer Bedeutung seien und man sowieso keine Sanktionsmöglichkeiten habe. So wird aus einem sicherheitsrelevanten Vorgang ein bemerkenswerter Vorgang hinsichtlich der Rüstungskontrollpolitik der Bundesregierung.

Rosemarie Meuer arbeitet zwischenzeitlich übrigens an der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik der Universität Rostock .

 

Quellen:

https://www.stern.de/politik/ausland/rheinmetall--eine-whistleblowerin-gegen-den-ruestungskonzern-8738194.html

https://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/rheinmetall-whistleblowerin-ruestungsindustrie-100.html