Eine menschenleere Celler Innenstadt am frühesten Morgen. Fünf link(s-radikal)e Laternen stehen in der Dämmerung beieinander und beginnen ein Gespräch.

Oma Lilo: Dass ich das noch erleben muss. Eine Autobahn durch ein FFH-Gebiet und alle schreien: Yeah!

Der Besserwisser: Hast du erwartet, dass sie sich besinnen?

Oma Lilo: Aber ich hätte nicht gedacht, dass der BUND einknickt.

Die Dicke: In der Tat ein einziges Elend. Der Landesverband gibt sich zufrieden mit den Wunderwerken deutscher Umwelttechnologie, genannt Fledermausbrücken, und lässt den Celler Kreisverband dastehen wie Umwelthysteriker.

Der lange Lulatsch: Aber die letzten Monate waren auch schon hart für Gegner*innen der Ostumgehung.

Oma Lilo: Oh ja. Da werden beim Bürgerempfang Leute von Nigge für „ihr ehrenamtliches Engagement“ ausgezeichnet, die eine regelrechte Hasskampagne gegen den BUND gefahren haben. Eine unglaubliche Vergiftung der politischen Kultur, immerhin handelt es sich um einen anerkannten Naturschutzverband.

Der lange Lulatsch: Und Nigge dann gegenüber der CZ: „Dass ich hier selbst im Rathaus hinter verschlossenen Türen arbeiten muss, finde ich bitter.“

Oma Lilo: Seit fünfzig Jahren eine einzige Verarsche. Schon Anfang der 1970er hätte Celle eine funktionstüchtige Umgehungsstraße haben können. Und da ging es wirklich noch um die Entlastung der Innenstadt und der Allerbrücke. Mit 17 Millionen DM, die Hälfte aus der Stadtkasse, die andere Hälfte vom Land war die Westumgehung fast fertig. Und dann bricht man sie am Bremer Weg einfach ab. Das Land habe kein Geld mehr. Darum wandte man sich der sogenannten Ostumgehung zu, weil sie als Bundesstraße 3 gebaut werden sollte auf Kosten des Bundes. Und das, was die Westtangente wirklich zu einer Umgehungsstraße gemacht hätte, wird jetzt nach über 50 Jahren fast als Letztes angegangen. Einfach nur ein Irrsinn.

Der Besserwisser: Es war den Autobahnfans immer klar, dass die Allerquerung im Osten eigentlich nicht genehmigungsfähig ist. Und im ersten Schritt ihr erinnert euch, ist sie ja 1984 auch vor Gericht gescheitert – unter anderem mit dem Argument fehlenden Bedarfs.

Die Dicke: Das war seinerzeit aber auch eine noch idiotischere Trassenführung. Da sollte ja noch hinterm Herzog-Ernst-Ring und auf der anderen Seite hinter der Dammaschwiese gequert werden.

Oma Lilo: Und – das will einem heute ja niemand mehr glauben: Wer war die Speerspitze der Opposition?

Die Dicke: Die Cellesche Zeitung.

Oma Lilo: Mit guten Gründen: Umweltzerstörung, Zerstörung eines Naherholungsgebietes. Als Alternative kam – neben der Fertigstellung der Westumgehung – der Hinweis, eine Ostumgehung müsse, wenn sie denn nicht die alte Stadt von den neu eingemeindeten Stadtteilen trennen solle, hinter Altencelle geführt werden.

Der lange Lulatsch: Warum sind die Planer eigentlich davon ausgegangen, dass sie die jetzige Trasse durchbekommen?

Die Dicke: Als die Obere Allerniederung dann auch noch FFH-Gebiet wurde, hat z.B. Landrat Wiswe keine Chance mehr gesehen. Dazu kam, dass zwischendrin mit dem Ausbau der Biermannstraße eine weitere Allerquerung da war. Jetzt hat sogar die Allerbrücke im Zentrum noch eine weitere Spur bekommen. Das Ursprungsargument: Entlastung der Allerbrücke und der Altstadt ist seit Jahren vom Tisch, dort hat der Verkehr trotz höherer PKW-Dichte abgenommen. Der Durchgangsverkehr, um den es vor 50 Jahren ging, liegt heute bei unter 5 Prozent.

Klein Jonas: Und warum dann noch die Ostumgehung?

Oma Lilo: Das war schon tricky gemacht. Kein vernünftiger Mensch würde anfangen, eine Straße zu bauen, bevor nicht alle Abschnitte genehmigt sind. Aber nein: Die Planer gingen mit der Behauptung in den Ring, die ersten beiden Streckenabschnitte – also von vor Nienhagen bis an die Braunschweiger Straße – hätten auch unabhängig vom dritten Teil, also der Allerquerung eine eigene entlastende Wirkung.

Die Dicke: In Wahrheit kam das Gegenteil. Genau wie bei der nicht fertiggestellten Westumgehung endet aktuell die Ostumgehung eigentlich im Nirwana. Oder eben nicht: Weil sich der Verkehr eben durch Altencelle quälen kann.

Oma Lilo: Damit wurde genau das produziert, was es als Volkes Stimme noch brauchte: von Staus genervte Autofahrer*innen und entnervte Anwohner*innen in Altencelle.

Klein Jonas: Und der Wald ist ihnen egal?

Der lange Lulatsch: Um in das zu kommen, was sie als Wald empfinden, müssen sie doch sowieso erstmal ins Auto steigen.

Oma Lilo: Ich finde das auch überraschend. In den Leser*innenbriefen der 1970er und 1980er Jahre gibt es ganz starke Bezüge auf Natur, Umwelt, Naherholung. Ich denke wirklich, damals hätte es aus Altencelle, Lachtehausen und Altenhagen massenhaft Protest gegeben, hätte man ihnen das heutige Straßenbauprojekt aufhalsen wollen.

Der lange Lulatsch: Wahrscheinlich können sich die Leute gar nicht vorstellen, was ihnen da vor die Nase gesetzt wird und welche Barrierewirkung zur Kernstadt das Ganze für sie haben wird.

Der Besserwisser: Fassen wir zusammen: Mit Fertigstellung der A7 war Celle eigentlich vom Durchgangsverkehr befreit und der Ursprungsgrund entfallen. Die Überlastung der Allerbrücke ist mit der Biermannstraßenbrücke vom Tisch. Das einzig verbliebene Argument war „Temposteigerung“. Ergebnis: jahrelange Staus auf der Altenceller Alten Dorfstraße. Klingt nach einem gut durchdachten Plan.

Der lange Lulatsch: Um die Temposteigerung dürfte es auch nach Fertigstellung des Gesamtprojekts nicht weit her sein. Aber es fühlt sich halt an wie Autobahn. Und ist ja auch fast so – Fahrradstreifen wird es ja nicht geben, also werden einen die bescheuerten Ökos auch nicht überholen, wenn's mal wieder einen Stau gibt.

Klein Jonas: Und die Umwelt ist ihnen egal?

Der lange Lulatsch: Kennst du nicht von Kraftwerk „Autobahn“ - das kommt doch auch „grün“ vor. (Fängt an zu singen:) Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn ...

Und alle steigen ein: ... Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn / Fahrbahn ist ein graues Band / Weiße Streifen, grüner Rand ...