Prüfung von Klimaschutzauswirkungen

Es hat die Proteste der jungen Generation gebraucht, damit wenigstens Teile der Generation, die aktuell die politisch Handelnden stellt, beginnt zu begreifen, dass es um die Zukunft schlecht bestellt ist. Auch auf kommunalpolitischer Ebene ließen sich Ende letzten Jahres Kreistag und Stadtrat nicht lumpen: Mit Resolutionen bekannten sie sich zur Notwendigkeit, ihr Engagement in Klimaschutzfragen zu verstärken. Dass dem Bekenntnis wirksame Taten folgen, muss bezweifelt werden. Wissen und Handeln in Übereinstimmung zu bringen, dürfte solange nicht klappen, wie die heilige Kuh des Wirtschaftswachstums nicht vom Sockel gestoßen wird.

Trotzdem: Ab sofort muss sich jede kommunalpolitische Maßnahme auch an ihrer klimapolitischen Relevanz messen lassen. Und alle können dies einfordern, ohne gleich in die Ecke der Ökospinnerei gestellt zu werden. Aber genau das muss jetzt auch passieren: Der Kommunalpolitik auf die Finger schauen (und hauen).

In der Ratssitzung am 28.11.2019 beschloss der Stadtrat gegen die Stimmen der AfD-Fraktion eine Resolution mit dem Titel: „Klima in Not - Klimaschutz in der Stadt Celle stärken“ (siehe unten).

Die Debatte zeigte – mit Ausnahmen – wie sehr Kommunalpolitiker*innen mit dem Thema „fremdeln“. Das muss nicht wundern. Kaum jemand (auch nicht in der Ratsfraktion von B '90 / Die Grünen) sitzt im Stadtrat, weil Klimaschutz ihr/sein prioritäres Anliegen war.

Christoph Engelen (SPD) ordnete die Resolution richtig ein. „Den o?kologischen Notstand auszurufen ist das Eine. Was wir dann danach tun ist das Entscheidende. Meinen wir es wirklich ernst, kann der Ausruf des Klimanotstands nur ein Anfang sein.“ Mit Anfang 40 eines der jüngeren Ratsmitglieder brachte er glaubhaft zum Ausdruck, dass er das Anliegen von Fridays for Future Ernst nehmen will.

Für die CDU-Fraktion sprachen Joachim Ehlers und Heiko Gevers. Ehlers verwies auf dir Dringlichkeit auch kommunalen Handelns: „Je länger wir nichts oder zu wenig tun, umso einschneidender und teurer werden dann die Maßnahmen. […] Ohne wirksames Handeln in den Kommunen werden wir die Klimaziele nicht schaffen.“ CDU-Fraktionschef Gevers war realistischer, insoweit als er schon davon ausging, dass die Erderwärmung sogar für Deutschland, z.B. in der Landwirtschaft, Veränderungen hervorbringt und erforderlich macht. Deutschlands Rolle beschrieb er in Weiterentwicklung und Export von Technologien.

Für B '90/Die Grünen befand Bernd Zobel, dass die Resolution eine „geeignete Plattform für engagierte Klimapolitik“ sei. Er kritisierte, dass der Celler Klimaschutzfonds bislang keine Photovoltaik-Projekte fördere.

Oliver Müller, Fraktionschef von Die Linke/BSG machte darauf aufmerksam, dass im lokalen Raum der Wärmesektor, der Gebäudesektor, der Verkehrssektor „auf die andere Spur“ gelenkt werden müsse. „ Leider haben wir – nicht nur in Celle, sondern in ganz Deutschland und auch der übrigen Staatenwelt – die letzten zehn Jahre verschlafen. Irgendwie dachten wir wohl, mit ein bisschen Kosmetik wird alles gut. Aber leider nein. Die Aufgabe ist nur Jahr für Jahr größer geworden.“ Ähnlich wie Heiko Gevers argumentierte er, dass die früh industrialisierten Länder eine besondere historische Verantwortung hätten, insoweit sie bisher den Hauptanteil zu der katastrophalen Lage beigetragen haben: „Aber genau das versetzt sie – also uns – technologisch und hoffentlich auch gesellschaftlich in die Lage, jetzt voranzuschreiten, jetzt Lösungen für Regenerative Energien, für den Wärmesektor, für eine andere Mobilität zu finden.“

Wer von der AfD den formelhaften Zweifel am menschengemachten Treibhauseffekt erwartete hatte, sah sich getäuscht. Ratsfraktionschef Anatoli Trenkenschu stellte den „Globalisierungswahn“ und das „Weltbevölkerungswachstum“ als „wirkliche Ursachen für die Umweltzerstörung“ ins Zentrum seiner Ausführungen. Auch wer den einzelnen von ihm beschriebenen Phänomenen zustimmen könnte, sollte den Sound der Klage nicht übersehen: Alles Böse kommt von außen und den globalisierten Eliten. Trenkenschus Kollege Daniel Biermann gab den konservativen Umweltpolitiker: gegen Baumfällungen, gegen Neubaugebiete. Dagegen sei die Resolution „populistischer Wohlfühlaktionismus“.

Im Kreistag dagegen bedienten die Redner*innen der AfD ihre Fans mit der Leugnung des menschengemachten Treibhauseffekts. Der Kreistag hatte schon Ende Oktober mit einer Resolution den „Klimanotstand“ (Climate Emergency) ausgerufen, wichtigster Punkt auch hier: „Konkret wird mit der Ausrufung des Klimanotstandes zudem festgelegt, dass jegliches Verwaltungshandeln des Landkreises an den Gesichtspunkten des Klimaschutzes orientiert wird.“

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Auf dem „1. Klimanotstandskongress“ Anfang November in Berlin stellte Prof. Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der ersten Klimanotstandskommunen (KNK) vor. Wir zitieren hier nur kurz die Schlussbewertung:

„Die Beschlüsse der KNK weisen überwiegend substantiell mehr als reine Symbolik auf - wenn gleich bei vielen noch nicht alles mit dem Beschluss festgelegt ist. Einige Elemente wie die verpflichtende Prüfung aller kommunalen Maßnahmen auf ihre Klimawirkung (i.V.m. einen breiten Monitoringsystem) weisen eine neue Qualität auf, die insbesondere für das Mainstreaming des Klima-Themas in alle Handlungsfelder und Verwaltungsbereiche einen wichtigen Beitrag leisten kann Damit sind die KNK als neuer Akteur für die nationale Klimaschutzpolitik interessant und sollten daher strukturell und mit gezielter Förderung unterstützt und begleitet werden.“

Wir gehen davon aus, dass man/frau die Verwaltungsspitzen in Stadt und Landkreis wird zum Jagen tragen müssen, um mal eine Redewendung zu bemühen. Wenig engagiert zeigten sich jedenfalls Landrat und Oberbürgermeister: Klaus Wiswe ergriff in der Kreistagssitzung zum Thema überhaupt nicht das Wort, und OB Nigge nur, um dem grünen Ratsmitglied Stephan Ohl darüber zu belehren, dass Celle längst einen „Klimaschutzmanager“ habe.

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Klima in Not - Klimaschutz in der Stadt Celle stärken

Die Stadt Celle entwickelt sich zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Kommune und leistet ihren Beitrag zum nationalen Klimaziel, bis 2030 den C02 Ausstoß um 55% im Vergleich zu 1990 zu senken. Klimaschutz wird als strategisches Ziel auf allen Ebenen mit hoher Priorität festgelegt und wird ein wichtiges Kriterium bei allen Entscheidungen. In allen kommunalen Handlungsfeldern sind unter Einbeziehung der kommunalen Unternehmen sämtliche Maßnahmen auf Energieeffizienz, Klimaneutralität und Nachhaltigkeit weiter zu optimieren incl. der engen Kooperation mit lokalen und überregionalen Akteuren.

Der Rat der Stadt Celle

a) erkennt die Eindämmung des Klimawandels und seiner gravierenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an und erkennt, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen global nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie es auch die Pariser Klimakonferenz 2015 fordert,

b) wird ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigen und wenn möglich solche Lösungen bevorzugen, die sich positiv auf den Klimaschutz auswirken. Die Verwaltung möge in den Beschlussvorlagen neben den finanziellen Auswirkungen der Beschlüsse und den Auswirkungen zur Integration zukünftig auch die Klimaauswirkungen ausweisen,

c) will die Nutzung Erneuerbarer Energien zur Wärme- und Stromerzeugung in kommunalen Liegenschaften einschließlich denen der WBG vorantreiben

d) beauftragt die Verwaltung mit der Erarbeitung eines lokalen Maßnahmenpaketes zur Ermittlung relevanter C02 Einsparpotenziale sowie mit der Anpassung des lokalen Klimaschutzkonzeptes

e) bittet den Oberbürgermeister, dem Rat und der Öffentlichkeit zu berichten.