Ökosysteme für nachfolgende Generationen erhalten

Aktuell wird die Naturschutzgesetzgebung in Niedersachsen überarbeitet. Es wird voraussichtlich keine wirkliche Verbesserung geben. Deshalb initiiert der NABU Niedersachsen gemeinsam mit einem breiten Bündnis das Volksbegehren „Artenvielfalt.Jetzt!“.

Um den rasanten Rückgang der Artenvielfalt in Niedersachsen zu stoppen und unsere Landschaft wiederzubeleben, müssen das Niedersächsische Naturschutzgesetz, das Niedersächsische Wassergesetz und das Niedersächsische Waldgesetz dringend geändert werden.

Den Weg dahin sehen die Initiator*innen in einem Volksbegehren. Vorbild ist das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ im vergangenen Jahr in Bayern. Nachdem 1,8 Millionen Menschen das Volksbegehren unterstützt hatten, übernahm der bayerische Landtag die Forderungen in ein neues Naturschutzgesetz.

Mit einem Volksbegehren bringen Bürger*innen und Bürger selbst ein Gesetz in den Landtag ein. Damit es dazu kommt, müssen zehn Prozent (das sind rund 610.000) der Wahlberechtigten aus Niedersachsen das Volksbegehren unterschreiben. Lehnt der Landtag das Gesetz ab, entscheiden dann alle Wahlberechtigten in einer direkten Volksabstimmung über das Gesetz.
Was in Bayern geklappt hat, kann auch in Niedersachsen erfolgreich sein. Aber: Mehr noch als in Bayern werden Landwirt*innen einen enormen Gegenwind entfachen. Sie wehren sich seit Monaten gegen die Verschärfung der Düngemittelbestimmungen. Und ja – es gibt einen Interessengegensatz zwischen konventioneller (industrieller) Landwirtschaft und Artenschutz.
Artenschutz kann nur gelingen, wenn unsere Gewässer geschützt, die ökologische Landwirtschaft gefördert sowie Lebensräume für Vögel, Insekten und andere Arten erhalten werden. Die Schutzgebiete sollen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern tatsächliche Wirkung entfalten.

Hanso Janßen, Landesvorsitzender von B'90/Die Grünen, ging in der Pressekonferenz zur Vorstellung des Volksbegehrens darauf ein. Es gelte, die für die Artenvielfalt so wichtigen Strukturen in der Landschaft wie Hecken, Wegeränder und Feldraine zu schützen. Naturschutzgebiete sollen von Pestiziden freigehalten, Gewässerränder nicht gedüngt und gespritzt werden, um auch hier die Artenvielfalt zu erhöhen und die Gewässer zu schützen. Aber, so Janßen: „Für die damit verbundenen Ertragseinbußen der Landwirte sind gesetzliche Ausgleichszahlungen vorgesehen.“ Darüber hinaus müsse die Agrarpolitik umgebaut und deutliche Anreize für nachhaltiges Wirtschaften gesetzt werden.
Unterstützt wird das Volksbegehren auch von einem Bündnis von niedersächsischen Jugendverbänden, zu denen u.a. BUNDjugend, FridaysforFuture, Grüne Jugend, Linksjugend ['solid] und Naturfreundejugend gehören. Niedersachsen und NAJU Niedersachsen. Für dieses Bündnis wies Magdalena Schumacher auf der Pressekonferenz darauf hin, dass es um Zukünftsfähigkeit geht:

„Die derzeitige Agrarpolitik ignoriert den Wert von Natur. Dies trägt erheblich zu einem globalen Artensterben ungeheuren Ausmaßes bei. Wir fordern ein Gesetz für Niedersachsen, das biologische Vielfalt wirksam schützt, Ökosysteme für nachfolgende Generationen erhält und nachhaltige Landwirtschaft fördert. Konsequenter Natur- und Artenschutz ist zugleich ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz. Nur so ist eine lebenswerte Zukunft möglich: There is no future on a dead planet!"

Im Bündnis vertreten ist auch der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund, was vielleicht die Cellesche Zeitung angesichts ihrer „Celler blüht auf“-Kampagne empfänglicher für die Forderungen des Volksbegehrens machen könnte. Für den Verband wurde Imker Klaus Ahrens sehr deutlich: „Unsere Bienenvölker sind in Gefahr. Blütenpollen, die nicht nur für Honigbienen, sondern auch für Wildbienen und Hummeln lebensnotwendig sind als Futter für ihre Brut, sind immer häufiger regelrechte Chemie-Cocktails. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen. Ohne Bienenvölker funktioniert aber weder die Landwirtschaft noch der Obstanbau. Trotzdem äußern sich Politik und Landwirtschaft, als wäre alles noch verhandelbar. Aber die Natur verhandelt nicht! Deshalb brauchen wir das Volksbegehren.“

Zu den Erstunterstützer*innen gehören u.a. Bündnis '90/Die Grünen; BUND; Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund; Heimatbund Niedersachsen; Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen; DIE LINKE Niedersachsen; NABU Niedersachsen; NaturFreunde Niedersachsen; ÖDP und Piratenpartei. Auch wenn es eine gesellschaftliche Breite spiegelt, dürfte es trotzdem schwierig werden, die 610.000 Unterschriften zu sammeln – B'90 Die Grünen und Die Linke hatten bei der letzten Landtagswahl zusammen rund 510.000 Stimmen. Deshalb wäre es wichtig, dass alle Bündnispartner*innen nicht nur ihren Namen in den Dienst des Volksbegehrens stellen, sondern es tatsächlich auch zu ihrem Ding machen. Leider handelt es sich auch nicht um die üblichen Unterschriftenlisten; es müssen einige Formalien eingehalten werden, weil jede einzelne Unterschrift geprüft wird.

Wenn die ersten 25.000 Unterschriften vorliegen, wird die Zulassung des Volksbegehrens beantragt. Nach Antragstellung prüft die Landesregierung, ob das Volksbegehren zulässig ist. Ab dann gibt es sechs Monate Zeit, die rund 610.000 Unterschriften in Niedersachsen zu sammeln. Voraussichtlich im Herbst 2020 endet dann das Volksbegehren.

In Celle wird die „Aktionsgruppe“ von Andrea Pohlen vom NABU koordiniert; die NABU Geschäftsstelle in der Schuhstraße 40 ist deshalb für alle Interessierte die erste Anlaufstelle – die Email ist Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Weniger Pestizide, mehr Ökolandbau
Den ökologischen Landbau deutlich ausweiten

In den Grundsätzen des Gesetzes wollen wir das Ziel verankern, die ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche in Niedersachsen von aktuell 5,4 Prozent schrittweise bis zum Jahr 2025 auf 15 Prozent und bis zum Jahr 2030 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen.

Ökologisch bewirtschaftete Flächen sind vor allem wegen des Verzichts auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger wesentlich artenreicher als konventionell genutzte Acker- und Grünlandflächen. Zudem leistet der Ökolandbau wegen des deutlich höheren Humusanteils im Boden einen Beitrag zur Bindung von Kohlenstoff und damit zum Klimaschutz. Mit dieser Regelung im Naturschutzrecht können und wollen wir keinen konkreten landwirtschaftlichen Betrieb zur Umstellung zwingen. Das ist und bleibt die freie Entscheidung der einzelnen Bäuerinnen und Bauern. Diese gesetzliche Regelung verpflichtet daher die Landesregierung, Bedingungen zu schaffen, die die Umstellung auf den ökologischen Landbau ausreichend attraktiv machen.
Weniger Pestizide Deutschlandweit werden jährlich rund 35.000 Tonnen Pestizide verkauft – rund 4.500 Tonnen davon mit dem seit Jahren hochumstrittenen Wirkstoff Glyphosat. Die Absatzmenge der Pestizide ist in den letzten 20 Jahren weitgehend konstant.

Die Pestizide lassen sich in drei Wirkstoffgruppen einteilen: Herbizide zum selektiven oder vollständigen Abtöten von Pflanzen, Fungizide gegen Pilze und Insektizide gegen Insekten. Von einer Reihe von Insektiziden (der Gruppe der Neonikotinoide) ist bekannt, dass sie unsere Bienen unmittelbar schädigen.

Der Pestizideinsatz insgesamt ist eine der wesentlichen Ursachen für den dramatischen Rückgang unserer Insekten und damit auch unserer Singvögel, die sich Frühjahr von Insekten ernähren.
Deshalb wollen wir den Pestizideinsatz endlich wirksam reduzieren: Durch ein grundsätzliches Verbot des chemisch-synthetischen Pestizideinsatzes in Schutzgebieten, durch eine deutliche Ausweitung des Ökolandbaus, bei dem diese Mittel verboten sind und eine deutliche Reduzierung auch auf allen anderen Flächen.
Insgesamt wollen wir den Pestizideinsatz bis 2030 um 40 Prozent reduzieren.

Quelle: NABU Niedersachsen-Journal 1-20