Die verschwiegene Geschichte in der Region Unterlüß und von Rheinmetall
Der Weg der Erinnerung - “Erinnern heißt handeln! Dass Auschwitz nie wieder sei!“ (Esther Bejarano)
Im September 2019 fand zum zweiten Mal ein vom Bündnis “Rheinmetall entwaffnen – Rhein-Main“ organisiertes antimilitaristisches Camp in Unterlüß zum Gedenken und zur Thematisierung des Zusammenhangs von Zwangsarbeit und Faschismus in der Geschichte der Rüstungsproduktion statt.
Während dieses Camps wurde von den Antifaschist*innen der “Weg der Erinnerung“ gestaltet, um an das Schicksal der etwa 900 osteuropäischen Jüdinnen, die in der Zeit von August 1944 bis April 1945 zur Zwangsarbeit bei Rheinmetall im KZ Außenlager Tannenberg inhaftiert waren, zu erinnern. Damit sollte die Geschichte dieser KZ-Außenstelle ebenso wie die der tausenden anderen Zwangsarbeiterinnen für Rheinmetall im Faschismus sichtbar gemacht werden.
In der Gemarkung Altensothrieth/Tannenberg wurde zu Beginn der Aktion als erstes ein Gedenkstein mit dieser Inschrift gesetzt:
Hier befand sich von 1944 bis 1945 das Außenlager Tannenberg des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, in dem 900 osteuropäische Jüdinnen inhaftiert waren. Sie mussten Zwangsarbeit für Rheinmetall leisten. Kurz vor der Befreiung wurden sie nach Bergen-Belsen deportiert, viele wurden dort ermordet. In Gedenken an die unzähligen, für die Kriegsindustrie der Nationalsozialisten ermordeten Menschen. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.
Weiter wurde von den Teilnehmer*innen der Weg vom Lager zum Rheinmetall-Werkstor, den die Frauen täglich zur Zwangsarbeit gehen mussten, entlang einer weißen Linie mit Baumbinden mit den Namens(teilen) von 53 (namentlich bekannten) Zwangsarbeiterinnen markiert. Große, gedruckte Banner mit Fotos und Hintergrund-Informationen wurden am Werkszaun befestigt. Ein installiertes Straßenschild mit der Aufschrift “Mahnmal KZ Außenlager“ wies nun erstmalig auf den vergessenen Ort hin.
Der “Weg der Erinnerung“ war allerdings nur wenige Tage sichtbar; dann waren der Gedenkstein zerstört, die Banner und die Baumbinden zerrissen. Auch 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus ist der Umgang mit der Erinnerung für viele immer noch schwierig und manchmal wird das Gedenken verhindert, zerstört, gehasst.
Der “Weg der Erinnerung“ und seine Zerstörung sind nun Teil der Ausstellung “Zwangsarbeit bei Rhein-metall“, die anlässlich des 75.Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz im Januar 2020 in dieser Form erstmalig in Frankfurt a.M. vom “BündnisRheinmetall entwaffnen – Rhein-Main“ gezeigt wurde.
Die Ausstellung umfasst 20 thematisch gegliederte Tafeln und beschäftigt sich sowohl mit der Zwangsarbeit, dem Rüstungskonzern Rheinmetall, als auch mit dem Versuch, der Erinnerung an die Zwangsarbeiterinnen im KZ-Außenlager Tannenberg einen Ort zu geben. Die Ausstellungstafeln geben mit informativen Texten und aussagekräftigen Bildern Auskunft über die Geschichte Zwangsarbeit bei Rheinmetall, insbesondere über das Außenlager Tannenberg des KZ Bergen-Belsen.
Die Ausstellung kann ausgeliehen werden.
In Unterlüß gibt es bis heute noch keine Erinnerungsorte. Die Firma Rheinmetall meinte, ihre Geschichte im Faschismus sei aufgearbeitet und die Gemeinde Unterlüß verdrängte bislang die eigene Geschichte. Es engagiert sich allerdings seit einiger Zeit eine überparteiliche Gruppe “AG Tannenberg“ in der Gemeinde Südheide an einer umfassenden Aufarbeitung der Geschichte der Lager vor Ort.
Das Vorhaben wird nunmehr von der Gemeindeverwaltung, der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten, der AG Bergen-Belsen e.V. sowie der Rheinmetall AG unterstützt.
Aktuell wurde im Januar 2020 von der AG Tannenberg im Rahmen einer Veranstaltung anlässlich des Holocaust-Gedenktages über das Vorhaben, eine Gedenkstätte zur respektvollen Erinnerung an die Geschichte der Unterlüßer Lager und der Zwangsarbeiterinnen zu errichten, informiert. Der SPD-Ortsverein Südheide hatte in Kooperation mit der überparteilichen Vereinigung “Gegen Vergessen – Für Demokratie“ in das Ludwig-Harms-Haus in Hermannsburg eingeladen.
Am Ende der Veranstaltung wurden Spenden für eine Gedenktafel gesammelt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Gedenktafel nach Errichtung erhalten bleibt und nicht wieder zerstört werden wird.
Das Bündnis “Rheinmetall entwaffnen – Rhein-Main“ unterstützt die bestehende regionale Bürgerinitiative.
Es brauchte allerdings die Initiative von außen, damit überhaupt was geschieht.
Wegen der anhaltenden Aktualität und mit Bezug auf 75 Jahre Befreiung KZ Bergen-Belsen ruft u.a. die KURVE Wustrow, Wendland, zu einer gewaltfreien Aktion am Ostersamstag, 11.April 2020 in Unterlüß, auf. Die Versammlung beginnt am Rheinmetall-Standort und es findet anschließend am KZ-Außenlager Tannenberg eine eindrucksvolle gewaltfreie Osteraktion statt, mit der eine Brücke zwischen diesen beiden Orten (vier Kilometer voneinander entfernt) entstehen soll.
Zur Ausstellung gibt es ein 44-seitiges Begleitheft im Format Din A4.
Rheinmetall entwaffnen – Zwangsarbeit bei Rheinmetall - z.B. KZ Tannenberg, Unterlüß. Versuch einer Annäherung und Erinnerungsorte. Heft zur Ausstellung – Schutzgebühr 4 €
Zum Download unter www.weg-der-erinnerung.solikom.de