Die Linke/BSG fordert schnellere Umsetzung von Klimanotstands-Beschluss


Ende November 2019 hatte der Rat in einen umfassende Resolution zu Klimafragen beschlossen. Darin enthalten war der Auftrag an die Verwaltung, in den Beschlussvorlagen künftig auch die Klimawirkungen auszuweisen. Da das bis heute nicht passiert ist, hat die Ratsfraktion Die Linke/BSG im Juli mit einem Antrag nochmal nachgehakt.

Fraktionschef Oliver Müller dazu: „Seit März gibt es eine sehr praxisnahe Orientierungshilfe vom Deutschen Institut für Urbanistik, wie Beschlussvorlagen oder Anträge schon bei der Erstellung auf "Klimarelevanz" geprüft werden können. Wir wollen, dass die Verwaltung auf dieser Grundlage - salopp gesagt - mal zu Potte kommt.“

In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und dem Deutschen Städtetag (DST) heißt es dazu:
„Ziel dieser Orientierungshilfe ist es, mit einer möglichst einfachen und wenig aufwändigen Vorgehensweise aufzuzeigen, wie die in den Beschlussvorlagen beantragten Maßnahmen auf ihre Klimarelevanz geprüft werden können. Dadurch soll auch den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern/-innen eine gut nachvollziehbare und zugleich sachgerechte Entscheidungsgrundlage geboten werden.“

Vorgeschlagen wird ein zweistufiges Verfahren, das in der ersten Stufe aus einer Vor-Einschätzung der Klimarelevanz und in der zweiten Stufe aus einer Prüfung der Klimarelevanz besteht.
„Wer soll’s machen?“ ist die erste Frage, die sich dann für die Verwaltung stellt. Zwar gibt es in Celle einen Klimaschutzmanager, aber der hat genug damit zu tun, Maßnahmen für den Klimaschutz umzusetzen. Da es anderswo ähnlich aussieht, wird folgendes vorgeschlagen:

„Es wird daher dafür plädiert, dass bei der Erstellung der Beschlussvorlagen das jeweilige Fachressort, bei dem die Sachkenntnis über die zu beschließende Maßnahme vorhanden ist, eine Einschätzung und dann Prüfung der Klimarelevanz vornimmt. Bei Bedarf kann das für den Klimaschutz zuständige Fachamt mit seiner Expertise zur Einschätzung und Prüfung der Klimarelevanz einbezogen werden; dies gilt auch für die Identifizierung und Darstellung von Optimierungspotenzialen und Vorschlägen für Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen. Denkbar wären hierbei beispielsweise auch Informationsveranstaltungen oder Schulungen in den Fachressorts.

Neben der effizienteren Vorgehensweise liegt ein weiterer Vorteil dieser Zuordnung der Prüfung klimarelevanter Beschlussvorlagen darin, dass die Fachressorts für die Klimaauswirkungen ihrer Vorhaben und Maßnahmen zunehmend sensibilisiert und die Beschlüsse zur Steigerung des Klimaschutzes von der gesamten Verwaltung umgesetzt werden müssen.“

Im zweiten Schritt geht es dann um die Einschätzung des Treibhausgas(THG)-Ausstoßes in CO2-eq (Kohlendioxidequivalent). Vorgeschlagen wird hier eine Einteilung in "erhebliche Reduktion", geringfügige Reduktion", geringfügige Erhöhung", "erhebliche Erhöhung".
Hier fängt es an kompliziert zu werden: Welche Emissionsfaktoren werden für die Berechnung angesetzt? Kann ein CO-Bilanzierungs-Tool für Einzelmaßnahmen angeschafft werden? Ab wieviel Tonnen CO-Äquivalenten ist die auf der Beschlussvorlage bewertete Tätigkeit tatsächlich „klimarelevant“?

Selbstverständlich lassen sich Dienstwagen oder Sanierungsmaßnahmen vergleichsweise einfach bewerten. Aber wie ist es mit Bodenversiegelung oder Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur?
Dann stellt sich die Frage: Was ist geringfügig und was erheblich? In der PM des Difu wird zur Orientierung vorgeschlagen: geringfügig < 100 t CO2-eq pro Jahr, erheblich: > 100 t CO 2-eq pro Jahr.

Zur Veranschaulichung: Die Zahlen basieren auf der Annahme, dass eine Person in Deutschland etwa 10 Tonnen THG-Emissionen pro Jahr ausstößt. Zur Bewertung der Auswirkungen auf den Klimaschutz wird der durchschnittliche THG-Ausstoß von 5 Haushalten à 2 Personen herangezogen, d.h. 100 t CO2-eq pro Jahr. Anhand dieses Richtwertes sollen die Auswirkungen des Beschlusses bzw. der Maßnahme festgestellt werden. Zusätzlich wäre sinnvoll, zusätzlich zur Mengenangabe auch die Dauer des THG-Ausstoßes als Parameter zu betrachten.

Was die Prüfung bei Großprojekten bedeuten kann, hat Detlef Gerdts, Fachbereichsleiter Umwelt und Klimaschutz Stadt Osnabrück, so beschrieben:

„Aus meiner Sicht zahlt sich dieses neue Vorgehen besonders im Baubereich aus, da die hier getroffenen Entscheidungen langfristig für die CO -Bilanz der Stadt relevant sind. Wir möchten der Politik und den Fachbereichen von Anfang an aufzeigen, welche Auswirkungen es auf die CO -Emissionen hat, wenn anstelle eines Neubaus nach EnEV-Regeln im KfW55-Standard gebaut oder Gebäude alternativ im Passivhausstandard entstehen. Nur so können alle Beteiligten ein Gefühl für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf das Klima bekommen.“

Und am Ende ist von Bedeutung, wie mit Maßnahmen mit „erheblicher Erhöhung“ umgegangen wird. Hier kann der Stadtrat erwarten, dass alternative Umsetzungsvorschläge entwickelt werden – und vorher keine Entscheidung getroffen wird. Erst dann lässt sich sinnvoll entscheiden, ob die Umsetzung trotz negativer Auswirkungen auf das Klima, in alternativer klimafreund­licherer Variante oder eben gar nicht erfolgen soll.

Für Fälle, in denen keine Optimierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, könnte auch der monetäre Ablasshandel (= Kompensation) in Erwägung gezogen oder überlegt werden, ob und wo ­zusätzliche CO2-Senken vor Ort angelegt werden könnten (z.B. durch Aufforstung).
Wer sich im Detail für diese Problematik interessiert, sollte mal auf die Seite „Klimaschutzmanagement in öffentlichen Projekten“ schauen (http://köp.de/)

). Dort gibt's zum Download ein excelbasiertes Tool „Klimawirkungsprüfung (KWP)“ - dies auch als Hinweis für Stadt- und Landkreisverwaltung.