Interview mit zwei Leuten vom Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus

Im letzten Jahr war allerhand Bewegung in Bezug auf den NPD-Hof. Nachdem der Verkauf des Hofes an den NPD-Landesverband von den politisch Verantwortlichen klammheimlich durchgewunken wurde, erstarkte der Widerstand gegen das Nazizentrum. So kann wohl das Problem nicht mehr ausgesessen werden. Das Escheder Bündnis gegen Rechts hat inzwischen ca. 50 Mitstreiter*innen, die Grünen haben im Landtag erneut einen Anfrage (siehe Seite 26) gestellt, das Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus hat zusammen mit den Escheder Bündnis gegen Rechts und dem Celler Forum gegen Rechtsextremismus einen offen Brief in Form einer Resolution an Innenminister Boris Pistorius formuliert (http://chng.it/YhS75pZrxt). Pistorius will im November nach Eschede kommen, um sich selber einen Eindruck vor Ort zu verschaffen und mit Vertreter*innen der Bündnisse gegen Rechts sprechen.

revista hat mit zwei Leuten vom Celler Forum über die aktuelle Entwicklung gesprochen.

??: Ihr seid beide schon recht lange beim Celler Forum und beschäftigt Euch mit den Vorgängen auf dem NPD-Hof. Meint Ihr, dass Eure jahrelangen Aktivitäten in Eschede jetzt Früchte tragen können?

A: Wir werden sehen. Zumindest ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Wobei ich schon heftige Kritik daran habe, dass in Eschede fast 30 Jahre geschlafen wurde. Es gab zwar hier und da einzelne Versuche, sich mit dem Problem zu befassen, aber kein mir erkennbares Konzept, geschweige denn ein langfristiges. Die aktuelle Resolution des Escheder Rats ist dafür symptomatisch: Es wird nur von anderen gefordert und nicht erklärt, was die Gemeinde Eschede zu tun gedenkt.

??: Hat der Verkauf des Hofs zu dem „Aufwachen“ geführt?

B: Das sieht so aus, wobei ich mich schon frage, was sich eigentlich geändert hat. Seit nahezu 30 Jahren treffen sich Nazis dort, es gab u.a. ein Nazikonzert mit 600 Teilnehmenden, bei dem nur halbherzig kontrolliert wurde. So wurden indizierte Tonträger nicht beschlagnahmt, sondern nur die Kartons zugeklebt. Manfred Börm, ein verurteilter Neonazi, hatte 2016 einen langfristigen Pachtvertrag für das Außengelände des Nazihofs abgeschlossen. Wo war denn da der öffentliche Aufschrei? Ist die Empörung in Eschede im Moment nur so groß, weil sechs bis neuen Nazis durchs Dorf laufen? Es ist doch wohl viel schlimmer, dass sie sich ungestört und unbehelligt auf ihrem Hof treffen und vernetzen können.

??: Was sollten denn die politisch Verantwortlichen Eurer Meinung nach machen?

A: Sie sollten langfristige Konzepte entwickeln und nicht nur kommen und handeln, wenn es gerade opportun ist. Das Thema Kindeswohlgefährdung z.B. haben wir schon häufig angesprochen. Nach wie vor finden wir es mehr als problematisch, wenn Kinder und Jugendliche bei den Zusammenkünften der Nazis auf dem NPD-Hof der Indoktrination ausgesetzt werden.
Auch sollten die Behörden genau prüfen, was auf dem Gelände erlaubt ist und was nicht. So stellt sich z.B. die Frage, ob dieser hohe Zaun baurechtlich zulässig und ortsüblich ist.
Und noch skandalöser: Der Neonazi Weigler forderte auf der Nazidemo in diesem Sommer, dass die Polizei ihre Schusswaffen einsetzen sollte gegen die Menschen, die den Naziumzug blockierten. Das habe ich selber gehört, und bestimmt nicht als einziger. Warum hat so eine Aussage keine Konsequenzen. Im Gegenteil, Weigler war im Herbst wieder Anmelder und Demonstrationsleiter bei dem NPD-Aufmarsch in Eschede. So was geht doch gar nicht!

B: Besonders widersinnig ist, dass eben diese NPD'ler andererseits das Recht für sich in Anspruch nehmen wollen, das Recht eines Staates, den sie abschaffen wollen. So wurde von der Polizei bei der Herbstdemo kolportiert, dass die Nazis gerichtlich prüfen lassen wollen, dass unsere Kundgebung vor dem NPD-Hof wirklich 150 Meter entfernt ist. Sie sollten wissen, dass die Entfernung nicht das einzige Kriterium ist, das andere und wichtigere ist, dass das Gericht unserem Anliegen in Hör- und Sichtweite des Hofes zu demonstrieren mit seinem Urteil entsprochen hat.

??: Wie geht es jetzt weiter mit dem NPD-Hof und Eurem Widerstand?

B: Wahrscheinlich geht es weiter, wie gehabt. Wir werden das Treiben weiterhin öffentlich thematisieren, wir werden unser Demonstrationen vor dem NPD-Hof durchführen bis die Nazitreffen auf dem Hof ein Ende haben. Dass wir einen langen Atem haben, haben wir bereits in Hetendorf und in Gerhus bewiesen.

A: Wir sind auch durchaus bereit für breite Bündnisses, allerdings gibt es für uns Grenzen. Wenn sich ein Adasch [CDU Landtagsabgeordneter, die Red.] hinstellt und so tut, als wäre er schon ewig am Widerstand gegen die Nazitreffen beteiligt, dann müssen wir schon Position beziehen. Zum einen stimmte es nicht, zum anderen ist er für uns kein Bündnispartner. „Besondere Sorge bereitet (ihm) die Entwicklung des Linksextremismus.“ So äußerte er sich letztes Jahr bei CelleHeute. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass er in Eschede nicht war, um sich gegen Nazis zu positionieren, sondern um zu schauen, was die von ihm ausgemachten Feinde, die „Linksextremisten“, in Eschede so machen.

B: Auch Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Presse ist weiterhin ein Thema, denn in der CZ wird im Vorfeld von anstehenden Demonstrationen gegen Nazis „Gewalt“ herbeifabuliert und ein „heißes Wochenende“ heraufbeschworen. Das nervt und entspricht nicht der Realität. Dem muss unbedingt etwas entgegen gesetzt werden.

A: Und wir werden uns weiterhin gegen die Spaltung von Antifa und bürgerlichen Widerstand stellen. Es ist unredlich, sich – wie letzten Winter – klammheimlich oder offen darüber zu freuen, dass die Nazis ihre Demo durch Eschede nicht durchführen konnten, sich aber andererseits von den Aktionsformen der Antifa zu distanzieren. Blockaden sind keine Straftat, sondern ein legales Mittel der Unmutsbekundung und unterliegen als Spontankundgebung dem Schutz des Versammlungsrechts. Wenn die Leute vor Ort es ernst meint damit, dass sie ein Ende der Nazitreffen in Eschede haben möchten, sollten sie, statt sich zu distanzieren, den Antifaschist*innen dankbar sein, dass sie so konsequent an dem Thema arbeiten durch Demos, Recherche, Öffentlichkeitsarbeit. So bleibt das Thema auf der „Tagungsordnung“.

??: Was liegt Euch noch am Herzen?

B: Antifaschistischer Widerstand ist keine Straftat, sondern Bürgerpflicht. Dem braunen Spuk in Eschede und anderswo müssen wir entschlossen mit klarer Kante entgegen treten.

 

Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT
NPD-Hof in Eschede - Wie konnte der Verkauf unbemerkt stattfinden?

[…] Lagen der Landesregierung und ihren Sicherheitsbehörden, insbesondere dem Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund, vor dem Verkauf des Hofes Nahtz Erkenntnisse vor, dass ein solcher Verkauf geplant sein könnte?

Ist der Landesregierung und ihren Sicherheitsbehörden, insbesondere dem Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund, die Aussage vom NPD-Parteitag bekannt, dass bereits im Juni 2018 davon die Rede war, dass das Problem der Veranstaltungsräume für die NPD „bis zum nächsten Jahr zu lösen“ sei?

Falls 1 und/oder 2 zutreffend ist: Haben die Landesregierung und ihre Sicherheitsbehörden, insbesondere der Beauftragte für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund, Maßnahmen eingeleitet, um zu prüfen, ob ein Verkauf verhindert werden kann?

Gab es bereits vor dem Verkauf eine Kontaktaufnahme des Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund mit der Gemeinde Eschede und/oder dem Landkreis Celle? Falls ja, wann? Falls nein, warum nicht?

Wem gehört der Hof Nahtz? [...]

Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die in der Vorbemerkung angesprochene Errichtung eines „Gemeindezentrums?

Welche Umbaumaßnahmen sind nach ihren Informationen geplant oder haben bereits seit Oktober 2019 stattgefunden?

Sind Umbaumaßnahmen geplant, die genehmigungspflichtig sind? Falls ja, welche? Wie ist der Stand der Genehmigungen?

Haben Landkreis und Gemeinde vor dem Verkauf Kenntnis darüber erhalten, dass ein Verkauf angestrebt wurde?

Haben Verwaltungsakte im Vorhinein des Verkaufes stattgefunden, die auf einen Verkauf des Hofs hingewiesen haben? Falls ja, welche und zu welchem Zeitpunkt?

Wann hat die Gemeinde von dem Verkauf erfahren?

Wann und auf welchem Weg erfahren Gemeinden von einem Immobilienverkauf?

Wann hat der Landkreis von dem Verkauf erfahren?

Wann und auf welchem Weg erfahren Landkreise von einem Immobilienverkauf?

Worauf stützt sich die Einschätzung des Immobilienbeauftragten, dass der Verkauf nicht zu verhindern war?

Zu welchem Zeitpunkt wurde diese Einschätzung getroffen?

Plant die Landesregierung Maßnahmen, dass ein solcher Verkauf in Zukunft zu verhindern wäre? Falls ja, welche? Falls nein, warum nicht?