Immer noch selbstverwaltet und unkommerziell

??: Anfang Februar wolltet ihr euer 25-jähriges Jubiläum feiern. Da macht euch die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Wie seid ihr durch das letzte Jahr gekommen?

!!: Wenn’s geht, machen wir vielleicht noch einen kleinen Empfang auf dem Hof; aber ist ja eher unwahrscheinlich. Das letzte Jahr war für uns wie für alle sozio-kulturellen Projekte und die ganze Kulturszene schwer. Dabei haben wir es im Vergleich sogar ein bisschen einfacher. Wir mussten keine Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit schicken, weil wir keine bezahlten Mitarbeiter*innen haben. Nur ist unser Freiraumkonzept selbstverständlich darauf angewiesen, dass die Räume genutzt werden können – und das war über weite Strecken des Jahres nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.

??: Wie haben sich bei euch die Pandemie-Einschränkungen finanziell ausgewirkt?

!!: Wir haben 2020 unterm Strich ein Minus von rund 6000 Euro. Wir haben, was ja kaum jemand weiß, hohe Festkosten. Unsere Energiekosten liegen bei 9000 Euro, wovon laut Mietvertrag 5000 von der CD Kaserne übernommen werden, dazu kommt aber weiter die Brandschutzwartung, die mit rund 1500 Euro zu Buche schlägt, eine Versicherung über 700 Euro, dazu Abfallgebühren, Telekommunikation, usw. - alles zusammen liegen die Festkosten bei über 8000 Euro.

??: Wie spielt ihr die Kosten eigentlich normalerweise ein?

!!: Relevante Überschüsse machen wir nur mit Partys, aber die gibt’s eben seit einem Jahr nicht mehr. Und bevor die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist, wird das auch nicht wieder möglich sein – also frühestens im Herbst.

??: Könnt ihr von den Förderprogrammen profitieren?

!!: Überraschenderweise ja. Im Rahmen der sogenannten Dezemberhilfe der Bundesregierung werden wir wahrscheinlich 75 % des Umsatzes vom Dezember 2019 als Hilfe bekommen, d.h. rund 3.700 Euro.

??: Wie bürokratisch war das?

!!: Am Schwierigsten war herauszufinden, ob wir überhaupt einen Anspruch haben. Da gab es unterschiedliche Auskünfte. Und natürlich ist es für uns auch eine Herausforderung, uns ehrenamtlich mit diesen Anträgen auseinander zu setzen. Das bedeutet für einige von uns einiges an Büroarbeit.

??: Mal weg vom Finanziellen. Was bedeuten die Pandemie-Einschränkungen ansonsten für euch?

!!: Wir haben schnell ein Hygiene-Konzept erarbeitet, so dass im Sommer und Herbst noch ein bisschen was ging. Unsere Halle und unser Kreativraum sind so groß, dass Initiativentreffen und auch unser Hausplenum unter Einhaltung der Abstandsregeln möglich waren. So gab’s dann sogar auch einige kleinere politische bzw. Film-Veranstaltungen und ein bestuhltes Jazzkonzert. Solange der Einzelhandel öffnen durfte, hatte auch der Umsonst-Laden zweimal in der Woche die Tür auf. Und die Food-Saving-Verteilung, die mit Abstand und auf dem Hof läuft, hat im ersten Lockdown sogar eine Lücke gefüllt, weil die Tafeln da geschlossen waren. Aber alles, was alltägliche Begegnung ist und was uns als Kommunikationszentrum auch ausmacht, ist halt flach gefallen.

??: Trotzdem gab es ja im vergangenen Jahr etliche öffentliche Aktionen von Gruppen, die sich im Bunten Haus treffen.

!!: Ja klar. So waren Gruppen wie die feministische Organisierung „Gemeinsam Kämpfen – für Selbstbestimmung und Autonomie“ sehr aktiv – zuletzt noch am 25. November zum Tag gegen Gewalt an Frauen. „Rheinmetall Entwaffnen“ hat im ersten Lockdown eine Fahrraddemo gemacht und attac im zweiten Lockdown. Nur fehlt einer Kundgebung, auf der die Abstandsregeln eingehalten werden, ihr sozialer Charakter – also die ganze Nebenkommunikation.

?? Was hat sich im letzten Jahr noch so getan bei euch?

!!: Es haben sich tatsächlich neue Initiativen entwickelt oder bestehende ausgebaut. So ist das Foodsaving zu einem festen Bestandteil geworden, wo sich viele motivierte Menschen einbringen und damit sowohl sozial als auch ökologisch aktiv werden. - Mit Beeten und Sitzgelegenheiten haben wir auch den Außenbereich ein bisschen aufgewertet.

??: Kaum jemand hätte vor 25 Jahren geglaubt, dass es das Bunte Haus so lange geben wird. In den ersten 10, 15 Jahren gab es viele Anfeindungen. Wie kommt’s, dass das Zentrum heute doch ein ziemlich selbstverständlicher Teil von Celle ist?

!!: Im schlechten Fall Gewohnheit, im besten Fall eine Akzeptanz von selbstverwalteter Sozio-Kultur und dem zivilgesellschaftlichen Biotop, das dazugehört. Aber wahrscheinlich auch einfach die Notwendigkeit, dass die Gesellschaft Räume braucht, wo Leute sich auszuprobieren und zusammenkommen können.

??: Was hat sich nicht geändert in den letzten 25 Jahren?

!!: Es gibt immer Veränderungen, weil Gruppen und Projekte sich auflösen oder entstehen. Halt ein lebendiger Wechsel in den Jahren. Insgesamt ist das Zentrum immer noch selbstverwaltet, unkommerziell und hat ein Freiraumkonzept.

??: Das mal im Einzelnen. Selbstverwaltet ist auch ein Kleingartenverein. Was unterscheidet euch.

!!: Wir sind auch ein gemeinnütziger eingetragener Verein mit Vorstand. Das wichtigste Gremium ist aber das regelmäßig tagende Plenum. Hier wird im Konsensprinzip alles entschieden, was anliegt. Das ist seit Beginn so, nur dass es heute zur Bitternis der Altautonomen ein Rauch- und Alkoholverbot gibt. Und aus dem Plenum heraus werden verschiedene Zuständigkeiten delegiert, also z.B. für Kasse, Getränkeeinkauf, Schlüsselverwaltung. Das alles ist – wie es in der Vereinswelt genannt wird: ehrenamtlich, bei uns nicht mal mit einer Aufwandsentschädigung.

??: Und was ist das Deli-Plenum?

!!: Von Gruppen, die irgendwas im Haus machen oder es nutzen, wird erwartet, dass jeweils eine delegierte Person am ersten Donnerstag im Monat auf das Plenum kommt. Weil ja alle Fragen, Probleme oder Erfolge nicht mit einer Chefetage kommuniziert werden können, sondern gemeinsam besprochen werden sollten.

??: Wer für seine Initiative einen Raum braucht, muss sich also dafür auf dem Plenum das Okay holen?

!!: Richtig. Das ist auch wichtig für das Verständnis. Jede Initiative, die sich im Zentrum trifft, verantwortet ihre Arbeit eigenständig. Das Bunte Haus an sich ist keine politische Initiative im engen Sinn. Wir beteiligen uns als Buntes Haus zwar z.B. an der Initiative „Die Vielen“, aber das Plenum hat keine konkrete politische Agenda, sondern dient eher dem Informationsaustausch. In der Öffentlichkeit wird das zum Teil immer noch falsch wahrgenommen – Beispiel: Nach einer Demo in Eschede hieß es, dass das Bunte Haus ja auch gut vertreten war. Das ist aber Quatsch, weil die Leute nicht als Buntes Haus dabei waren, sondern als Privatmenschen oder Teil einer Initiative.

??: Aber das Bunte Haus ist doch nicht unpolitisch?

!!: Nein natürlich nicht, es steht für konsequente basisdemokratische Selbstverwaltung und für gesellschaftliche Emanzipation. Aber die Meinungen sind trotzdem sehr vielseitig und wir sind uns längst nicht einig in vielen Punkten.

??: Okay – der nächste Aspekt: Unkommerziell.

!!: Vielleicht lässt sich das so am Besten erklären: Jede normale Gastronomie ist den Marktgesetzen und der Konkurrenz unterworfen und strebt nach Gewinn oder wenigstens der Einkommenssicherung der jeweiligen Betreiber*innen. Wir zielen mit dem Getränkeverkauf bei Veranstaltungen – insbesondere bei Partys – nur darauf ab, die Überschüsse zu erzielen, die wir zum Ausgleich der Betriebskosten brauchen. Und auch bei Konzerten geht es uns beim Eintritt nur darum, die Kosten zu refinanzieren. Vor allem soll das Ganze sozial niemand ausschließen. Das berücksichtigen wir bei den Getränke- und Eintrittspreisen, die deutlich niedriger sind als anderswo. Das ist dann mit Blick auf die ganze Stadt auch die Nische, die wir besetzen.

??: Und niemand im Zentrum selbst bekommt Geld oder eine Aufwandsentschädigung?

!!: Genau. Aber es gibt Sachen, die niemand machen kann, weil’s dafür Profis braucht, Beispiel: Steuerberatung oder Brandmeldewartung. Das muss selbstverständlich bezahlt werden.

??: Letzter Punkt: Freiraumkonzept.

!!: Das lässt sich vielleicht gut bei der Kultur erklären. Das Bunte Haus selbst macht normalerweise keine Veranstaltung, sondern wir ermöglichen mit der Zur-Verfügung-Stellung von Raum, Technik und Know-How die Durchführung eines Konzerts oder einer Party. Beispiel: Eine Band will ein Konzert machen und dazu auch zwei befreundete Bands aus anderen Städten einladen. Auf dem Plenum werden dann das Datum und der Eintrittspreis geklärt. Letzterer ist abhängig von den voraussichtlichen Kosten, also Fahrtkosten, Catering, Gema, Flyer. Und dann muss aus dem Plenum jemand gefunden werden, die/der Verantwortung übernimmt für Technik, für Theke und Kasse. Wir machen nicht Kultur, sondern ermöglichen Kultur.

??: Wer nutzt das Haus eigentlich gerade, wenn’s keine Einschränkungen gibt?

!!: Es gibt Bands die den Probenraum und das kleine Aufnahmestudio nutzen, Umsonst-Laden, Food-Saving, die Impro-Theater Gruppe „Ja genau!“ - dann etliche politische Gruppen wie LIST, Gemeinsam Kämpfen, Rheinmetall entwaffnen, FFF, attac, eine antifaschistische Gruppe … bestimmt haben wir gerade eine vergessen. Und dann gibt es immer wieder themenspezifische Treffen z.B. zu Awareness, ökologischen Fragen oder Kurdistan.

??: Wie wollt ihr das Jubiläum feiern?

!!: Dazu gibt’s eine Arbeitsgruppe aber noch keine Ergebnisse. Im Sommer feiert ja auch die CD Kaserne dieses Jubiläum, da werden wir uns in irgendeiner Form beteiligen.

??: Wie ist das Verhältnis zur CD-Kaserne, die ja eure Vermieterin ist?

!!: Das läuft weitgehend konfliktfrei, weil beide Seiten gelernt haben, die jeweiligen Interessenlagen und Bedingungen der anderen Partei zu respektieren. Dazu kommt: Der Geschäftsführer der CD-Kaserne, Kai Thomsen, hat ein Verständnis von und für Sozio-Kultur, was Projekte wie das Bunte Haus ausdrücklich einschließt. Da er in Celle zudem wohl der beste Kenner der Förderlandschaft ist, erhalten wir immer wieder gute Hinweise und auch praktische Unterstützung bei der Antragstellung.

??: Letzte Frage: Was geht im Pandemiejahr Zwei?

!!: Wir hoffen darauf, dass aus der Gesellschaft heraus das Bedürfnis nach Kommunikation wächst. Dafür wollen wir den Raum bieten, indem wir z.B. die etwas abgewrackte Kneipe zu einem alltagstauglichen Café-/Kneipenraum umgestalten. Kulturell wollen wir uns am sogenannten „Neustart“-Programm beteiligen. An manchen Orten wie Gajah oder Herzog-Ernst geht ja in der nahen Zukunft nichts und die MS Loretta ist weg. Aber in unsere Halle können wir bestuhlt und mit Abstandsregel an die 50 Leute unterbringen. Wir überlegen gerade an Formaten, die hier passen. Bestuhlte Ska- oder Punkkonzerte funktionieren vielleicht nicht so gut. Und wir wollen Leute ansprechen, diese Konzerte dann organisatorisch zu betreuen. Was wir hiermit machen. Meldet euch, wenn ihr Lust habt, eine Konzertgruppe zu bilden oder irgendwie mitzumachen.

??: Und politisch?

!!: Wenn die Leute sagen, sie wollen ihr altes Leben zurück, dann ist das zwar verständlich. Es wäre aber vielleicht besser darüber hinaus zu denken. Die Pandemie hat die soziale Spaltung in der Gesellschaft sehr deutlich gemacht. Und deutlich geworden ist auch, dass es keine Ausreden mehr gibt, bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe. Wäre schön, wenn das Bunte Haus noch mehr der Ort wird, wo das diskutiert werden kann. Und es ist natürlich auch schön, wenn auf die Diskussionen Handlungen folgen – aber das überlassen wir den unterschiedlichen politischen Gruppen und Initiativen.


Eine vierteilige revista-Serie zum Bunten Haus gibt’s hier zum download:
https://www.bunteshaus.de/images/2016.Revista.-.Geschichte.Buntes.Haus.pdf