Besser Wohnen

Immerhin: Celle hat seiner Stadtbibliothek die Adresse Arno-Schmidt-Platz gegeben. Da habe ich zu Beginn der 1970er Jahre „Zettels Traum“ erstmals gesehen, irgendwann auch ausgeliehen, aber in der vierwöchigen Leihfrist nicht bewältigt. Und meine „Kenntnis“ Arno Schmidts blieb dann auch beschränkt auf das Werk bis 1960. Zum Lesen von „Kaff oder Mare Crisium“ brachte mich dann nochmal Dietmar Dath durch seine Lesung zur Ausstellung zu Schmidts 100. Geburtstag im Bomann Museum. - Dies vorausgeschickt, dürfte klar sein, dass mit mir kein „Schmidt-Kenner“ Bernd Rauschenbachs neues Buch vorstellt.

Der hannoversche Wehrhahn-Verlag hat Anfang des Jahres 13 Aufsätze von Bernd Rauschenbach aus den Jahren 1998 bis 2016 unter dem Titel „Besser Wohnen“ veröffentlicht. Rauschenbach war von 1982 bis 2017 Leiter der Arno Schmidt Stiftung in Bargfeld und ist der Celler Kulturlandschaft in den letzten Jahren durch viele Lesungen fast schon ein alter Bekannter.
Der längste Aufsatz „Besser wohnen – Bargfeld Nr. 37 und der Weg dorthin“ gibt dem Buch seinen Titel. Das Wie und Warum Schmidt für die letzten 20 Jahre seines Schaffens in dem kleinen Heidedorf landet, gibt in der Tat viele Aufschlüsse über den Schriftsteller.

„Arno Schmidt und Bargfeld: kein anderes Namenspaar aus der deutschsprachigen Literaturgeschichte nach 1945 dürfte im Bewußtsein der lesenden Öffentlichkeit enger miteinander verknüpft sein als dieses.“ Rauschenbach zeigt, dass Schmidt zwar die Norddeutsche Tiefebene über Jahre hinweg als Ziel vor Augen hatte, aber Bargfeld am Ende – über viele Umwege – reiner Zufall war. Dass das kleine Haus mit der Nummer 37 auf einen Grundzug von Schmidt Wesen verweist, macht Rauschenbach deutlich. Den Mann zog es ins „Kleine und Unscheinbare“: „Das dreigeteilte Deutschland zog er dem Deutschen Reich vor, das Dorf der Stadt, das ereignisarme Flachland dem überwältigenden Gebirge …“

Mit zwei Aufsätze Vater Otto („Prügel und Wörter“) und seinen Schwager Rudy Kiesler („Eine Art Wiedergutmachung“) beschreibt Rauschenbach, wie familiäre Prägungen auf sehr unterschiedliche Weise Eingang ins Werk fanden.

Eine große Einladung zum (Wieder-)Lesen sind die literaturwissenschaftlichen Aufsätze des Bandes. Was will Rauschenbach? „[...] den Weg der eigenen Lektüre beschreiben und so vielleicht dem Leser neue Wege, neue An- und Einsichten zeigen.“

Das gelingt beeindruckend bei der Analyse von Seelandschaft mit Pocahontas („… a very mad affair … / Liebe und Tod am Dümmer“), Fazit: „Wir können nicht viel mehr tun, als nach Kräften genau zu lesen; Zusammenhängen nachzuspüren; Merkwürdigkeiten zu vermelden. - Und immer wieder. Zu staunen.“ Ich bin mir fast sicher, dass auch Arno Schmidt staunen würde, was alles in seinen Texten zu finden ist.

Dabei vermeidet Rauschenbach, wie es im Klappentext richtig heißt, „jeden germanistischen Fachjargon“. Manchmal aber – auch das hat einen ganz eigenen Reiz – formuliert Rauschenbach auf den schmidtschen Interview-Sound hin.

In der Zusammenschau der Aufsätze lassen sich auch die großen Linien von Schmidts „Leben und Werk“ nachvollziehen. Die Arbeit an einer Schmidt-Biographie hat Rauschenbach, wie einer Notiz am Ende zu entnehmen ist, aufgegeben: „Die Aufsätze und Vorträge des vorliegenden Bandes bieten einen Eindruck davon, in welche Richtung(en) mein Interesse an Arno Schmidts Biographie geführt hätte.“

Bernd Rauschenbach: Besser Wohnen. Studien zu Leben und Werk Arno Schmidts. Wehrhahn Verlag, Hannover 2021, 326 Seiten, ISBN 978-3-86525-800-7, 24,80 EUR.