Wer redet wie oft im Stadtrat – wer stellt die meisten Anträge

Der Celler Stadtrat findet in der Öffentlichkeit wenig Aufmerksamkeit. Das liegt leider auch an der für die Information eigentlich so wichtigen Celleschen Zeitung. Wer mal in Ausgaben der 1970er oder 1980er Jahre schaut, wird erstaunt sein, dass seinerzeit Ratssitzungen eine ausführliche Berichterstattung zum Teil über zwei Seiten erfahren haben. Die Leser*innen konnten so tatsächlich teilhaben an den Argumentationen der einzelnen Fraktionen zu den unterschiedlichen Themen. Heute können wir froh sein, zu wichtigen Fragen überhaupt ein Abstimmungsergebnis zu erfahren. Aber auch sonst ist das öffentliche Interesse eher gering. Das auf youtube eingestellte Video der Ratssitzung vom Februar hat bis zum Redaktionsschluss nicht einmal 300 Aufrufe erfahren; „live“ dabei waren nicht einmal 100 Bürger*innen.

So ist es doch einigermaßen überraschend, wie „lebendig“ doch manche Ratssitzungen sind. Den größten Beitrag dazu leistet verständlicherweise die „Opposition“. Unser Praktikant hat die Ratsprotokolle der Wahlperiode bis Ende 2020 ausgewertet hinsichtlich der Redner*innen, die am häufigsten das Wort ergriffen haben (wie bei den Lottozahlen: ohne Gewähr). Und siehe da – es sind die kleinen Fraktionen, die hier groß herauskommen. Am häufigsten ans Redner*innen-Pult trat der Fraktionschef von Bündnis ‘90/Die Grünen, Bernd Zobel – insgesamt 81 mal. Auf Platz zwei: Oliver Müller, Fraktionschef von Die Linke/BSG, mit 77 Wortbeiträgen. [Das „Rennen“ zwischen Zobel und Müller ist für die ganze Wahlperiode also noch nicht entschieden.] Und auf Rang drei liegt Udo Hörstmann von den Unabhängigen, der 56 mal das Wort ergriff.

Das ist selbstverständlich nicht überraschend, weil sich in den größeren Fraktionen die Redebeiträge auf „Fachpolitiker*innen“ verteilen. Überraschend ist allerdings, dass die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion mit zusammen 150 bzw. 160 Redebeiträgen gerade mal so oft ans Pult treten wie Zobel und Müller zusammengerechnet.

Schauen wir, wer sich unter den Top 10 befindet:
4. Anatoli Trenkenschu (AfD) 49
5. Patrick Brammer (SPD) 47
6. Daniel Biermann (AfD) 457. Heiko Gevers (CDU) 41
8. Thorsten Schoeps (WG) 38
9. Christoph Engelen (SPD) 37
10. Stephan Ohl (B‘90/Die Grünen) 34

Bei den Frauen liegt Inga Marks (31) und Uta Rodenwaldt-Blank (28), beide Zukunft Celle, vor Juliane Schrader (20) von B’90/Die Grünen.
Drei Ratsmitglieder haben übrigens noch nie das Wort ergriffen; sechs haben gerade ein Mal geredet.

Die Zahl der Anträge und Anfragen sind ein anderes Zeichen für die „Aktivität“ der Fraktionen. Hier das „Ranking“ (die Fraktion „Zukunft Celle“ hat sich erst 2021 gebildet):

1. SPD 102
2. B’90/Die Grünen 74
3. FDP 70
4. WG/Die Partei 50
5. CDU 48
6. AfD 47
7. Die Linke/BSG 39
8. Unabhängige 36

Hier ist vielleicht anzumerken, dass Antrag nicht gleich Antrag ist. Da gibt es auch viel Kleinteiliges.

Von Oberbürgermeister Nigge, der im Rat übrigens 35 mal das Wort ergriff, kennt der Rat zwischenzeitlich eine Standardfloskel: „Sie reden hier alle, aber sie machen nichts.“ Dieser wiederkehrende Vorwurf, vom Rat gingen keine Initiativen aus, geht angesichts der Vielzahl der Anträge völlig ins Leere.

Vielleicht würden sogar noch mehr Anträge gestellt, wäre nicht eine wiederkehrende Erfahrung der Fraktionen, dass ihre Anträge und Anfragen in Ablagen verschwinden, ohne von der Verwaltung bearbeitet zu werden. Und das trifft erstaunlicherweise auch die CDU und die FDP.