Fahrradaktionsplan kapituliert vor der Ausrichtung auf motorisierten Verkehr

Warum kommt bei jenen, die sich für eine radikale Verkehrswende einsetzen, eigentlich so wenig Begeisterung auf für den Fahrradaktionsplan, den die Stadtverwaltung jetzt verfolgen will? Ja, er ist sicherlich zu wenig ambitioniert und zu unkonkret. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Fanbase einer Verkehrswende sie individuell längst vollzogen hat. Wer sowieso und fast nur Fahrrad fährt, hat wahrscheinlich andere Ansprüche als jene, die aufs Fahrrad „gelockt“ werden müssen. Aber letztere sind unter Gesichtspunkten des Umstiegs weitgehend unbekannte Wesen.

„Eine signifikante Erhöhung des Radverkehrsanteils ist nicht realistisch, wenn es für die heutigen Radfahrer ein bisschen sicherer, schöner und besser wird. Die Maßnahmen müssen jene Menschen überzeugen, die heute ganz selbstverständlich Auto fahren. In diesem Sinne: Die Zielgruppe dieses Radverkehrskonzepts sind die Autofahrer. Sie sind es, die wir begeistern müssen.“

So ist es zu lesen im Kurzbericht des beauftragten Gutachterbüros i.n.s. – Institut für innovative Städte. Um wenig später einzuräumen, dass dies „nur durch größere Eingriffe in den motorisierten Individualverkehr (MIV) gewährleistet werden“ könne. Das aber übersteige den Planungshorizont des Fahrradaktionsprogramms.

„Der Fokus des Fahrradaktionsprogramms liegt daher auf der Optimierung des Bestandes durch kleinere Maßnahmen, die sich innerhalb von ca. fünf Jahren realisieren lassen. Der ERA-Standard [Empfehlungen für Radverkehrsanlagen] wird dabei nicht konsequent hergestellt werden können.“

Die Gutachter*innen sind insoweit ehrlich. Obwohl zur Erreichung des Ziels ein großer Wurf erforderlich wäre, ist er von ihrem Konzept nicht zu erwarten.

So mündet der Vorschlag des Büros im Wesentlichen darin, für das Fahrrad vorrangig sogenannte Hauptrouten auszuweisen und sie Schritt für Schritt dahingehend zu ertüchtigen, dass sie auch die Funktion übernehmen könnten. Im Gutachten wird dazu bemerkt:

„Sie sollen Radverkehr auf definierten Achsen bündeln [und] zum Umstieg auf das Fahrrad motivieren [...]. Zentrale Anforderungen an die Gestaltung sind: gute Erkennbarkeit der Route, durchgehendes Wegenetz, hohe Sicherheit, schnelle und direkte Verbindungen, hoher Fahrkomfort.“ Und weiter:

„Auf Hauptradrouten werden Radfahrer vorzugsweise auf baulich vom Fußverkehr getrennten Radwegen (auch außerhalb bebauter Gebiete) oder Fahrradstraßen geführt. Dort, wo dies nicht umsetzbar ist, können als reduzierter Standard auch andere Netzelemente zum Einsatz kommen: kombinierte Geh- und Radwege (inner- und außerorts), sowie nur innerorts Radfahrstreifen (ungeschützt), Mischverkehr bei Tempo 30 (bis 5.000 Kfz/24h) und Schutzstreifen.“

Irgendwie beschleicht uns dabei das Gefühl, dass vor allem mit Farbe und Schildern gearbeitet werden wird. Und dies auch, weil die Verwaltung wohl im wesentlichen weiter mit dem jährlichen Etat von 400.000 Euro arbeiten will (zum Vergleich: die Instandsetzung des Wilhelm-Heinichen-Rings für den motorisierten Verkehr kostet 15 Millionen). Gut – Bund und Land werden Förderprogramme auflegen, aus denen sich vielleicht auch Celle wird bedienen können.

Konkretisiert ist bisher nichts. Und die Verwaltung will dabei auch weitgehend in Ruhe gelassen werden. So verweigert Stadtbaurat Kinder dem Rat und der Öffentlichkeit die Langfassung des Gutachtens (jedenfalls bis zum Redaktionsschluss).

Das Aktionsprogramm bietet kaum Ansatzpunkte, wirklich Autofahrer*innen auf das Fahrrad zu locken. Vielleicht ist es als 5-Jahres-Programm ja im Wesentlichen auch nur darauf angelegt, Nigges Wiederwahl zu befördern.