Oliver „Bürger“ Müller will Bündnis für Soziale Gerechtigkeit (BSG) wieder in den Rat bringen

??: Wer ohne Kenntnis der Mehrheitsverhältnisse die Ratssitzungen besucht, könnte auf die Idee kommen, dass du der Oppositionsführer bist? Wie bist du in diese Rolle gekommen?

!!: Bei den großen Themen lassen mich die Kolleg*innen lassen anscheinend oft gern als Ersten ans Pult, damit ich ein paar Pflöcke einschlage. Ansonsten sind wir – also Die Linke/BSG – die einzige Fraktion, die in den vergangenen zehn Jahren nie einem Haushalt zugestimmt hat. Wir haben eine andere Vorstellung davon, wohin sich diese Stadt entwickeln soll als fast alle anderen. Wobei – zuletzt hatten wir viele Übereinstimmungen mit den Grünen und auch Zukunft Celle. Und um das noch zu sagen: Die Rolle ist eher nervig, weil ich nicht den Eindruck habe, dass in diesem Rat Argumente mal ein Gewicht haben. Deshalb ist das Ganze auf Dauer auch unheimlich ermüdend.

??: Du hast in der vorherigen Ratsperiode die Idee einer Energiewende-Agentur ins Gespräch gebracht, die dann wegen der Haushaltsprobleme nicht weiterverfolgt wurde. Ist es nicht an der Zeit, die Diskussion darum wieder aufzunehmen?

!!: Ja, auf jeden Fall. Das war übrigens einer der wenigen Punkte, wo der damalige CDU-Chef Gevers eine gewisse Offenheit signalisiert hatte. Energiewende-Agentur ist jetzt etwas anderes als die Frage Klimaschutzmanagement im Rathaus, worüber wir zuletzt gestritten haben. Bei einer Energiewende-Agentur geht es darum, unterschiedliche Akteure – wie z.B. Energieunternehmen, Handwerksbetriebe, Kommunen, Bürger*innen – unter einem professionellen Dach zusammenzubringen, um z.B. die Wärmewende hinzukriegen. Die schwierigste Frage ist doch, wie kriegen wir unsere Gebäude geheizt ohne Treibhausgase zu produzieren. Da braucht es intensive Beratung über das jeweils sinnvollste Konzept und die effektivsten Fördermodelle. Ich bin mir sicher, dass das kommt. Die Frage ist nur, wann.

??: Eines der größeren Projekte deinerseits war, dass das Millionengrab CongressUnion in irgendeiner Weise beendet werden muss. Durch dein ständiges Bohren gibt es jetzt ja sogar ein Gutachten zu dem Problem, dass der Öffentlichkeit aber nicht bekannt gemacht wird. Was soll deines Erachtens passieren?

!!: Um nochmal zu sagen, worum es geht. Die Union ist im Kern ja ein Wirtschaftsbetrieb. Und der arbeitet von Beginn an derart defizitär, dass er für einen großen Teil des Celler Schuldenbergs verantwortlich ist. Die vor gut 30 Jahren geborene Idee, Celle zu einer Kongress-Stadt machen zu wollen, war von vornherein falsch. Celle ist in dieser Frage nicht konkurrenzfähig und wird es auch nicht mehr werden. Wer profitiert aber von dem wenigen, was in Celle läuft? Im wesentlichen die Hotellerie, insbesondere der Fürstenhof. Warum trägt er dann nicht auch das Risiko? Bei der augenblicklichen Subventionierung gibt es nicht einmal für die Betriebsführung einen Anlass, die Defizite herunterzufahren. Das größte Eingeständnis dieses Desasters war ja mal die Einlassung des Geschäftsführers, wenn man mehr Veranstaltungen machen würde, würde sich das Defizit vergrößern. Oder zuletzt die Subventionierung einer 500.000 Euro teuren neuen Küche. Da werden Sportvereine von der Dehoga kritisiert, weil sie mal ihre Vereinsräume für Privatfeiern öffnen. Aber was ist mit dieser Verzerrung der Konkurrenz gegenüber der übrigen Gastronomie in der Altstadt. Ich habe nicht den Eindruck, dass viele Celler Bürger*innen mit ihrem Herz an der Union hängen. Hier muss wenigstens eine Situation hergestellt werden, die die beteiligt, die davon profitieren – also die Hotellerie – und dann geht’s ja vielleicht auch betriebswirtschaftlich mal ein bisschen aufwärts.

??: Hast du eine Idee, warum sich in der gesellschaftlichen Breite kaum jemand für Kommunalpolitik interessiert?

!!: Wer einen Vollzeitjob hat, oft ja auch pendeln muss und Kinder hat, hat schlichtweg nicht die Zeit. Im übrigen arbeitet die Verwaltung seit einigen Jahren ja eher daran, sich so etwas wie Bürger*innen-Beteiligung möglichst vom Hals zu halten. Da brauchen wir eine deutliche Gegenbewegung. Denn auf der anderen Seite gibt es ja ein Interesse – wenn auch nur von wenigen. Wir sehen das an der Klimaplattform, wir sehen das an den vielen Bürger*innen-Fragen in den letzten Ratssitzungen. Aber aktuell sehe ich leider nur die Tendenz, das nach Möglichkeit abzuwürgen. Wir brauchen Beteiligungsformate, die dann aber auch Einflussmöglichkeiten eröffnen. Dafür aber ist eine Mitte-Links-Mehrheit im Rat nötig. Am besten selbstverständlich wieder mit einer Vertreterin oder einem Vertreter des Bündnis für soziale Gerechtigkeit. Aber das muss dann nicht ich sein. Die zehn Jahre, die ich das jetzt mache, waren schon so intensiv, dass ich in den nächsten zehn Jahren vielleicht auch gern mal wieder etwas anderes machen würde.